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Plenarsitzung

Hohe Investitionen in Schwimmbäder nötig

Viele Schwimmbäder in Sachsen-Anhalt müssten seit vielen Jahren saniert und modernisiert werden. Nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes seien dafür bereits 2019 etwa 114 Millionen Euro nötig gewesen. Diese Zahlen waren aufgrund einer Umfrage bei den Städten und Gemeinden ermittelt worden. Die Fraktion DIE LINKE hat das Thema im März erneut auf die Tagesordnung gebracht und erklärte in einem Antrag (Link zur Drucksache 8/903), dass sich Sanierungsaufwand in den vergangenen Jahren sogar noch erhöht habe. In ihrem Antrag forderte sie deshalb „die Einrichtung eines eigenen Schwimmbad-Investitions- und Modernisierungsprogramms mit einem Gesamtvolumen von 160 Millionen Euro ab dem Haushaltsjahr 2023.“

Kleines Mädchen lernt schwimmen in Schwimmbecken.

Seit 1990 haben rund 100 Schwimmhallen und -bäder in Sachsen-Anhalt geschlossen. Viele müssen saniert werden.

Über eine Laufzeit von acht Jahren solle für jedes Jahr der Laufzeit ein Bewilligungsvolumen von etwa 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die entsprechenden Verpflichtungsermächtigungen seien schon im Haushaltsplan 2022 auszubringen. Die Fördermittel sollten es den Kommunen ermöglichen, in Modernisierung, Sanierung und wenn nötig Neubau von Hallen- und Freibädern zu investieren. Ziel sollte es sein, dauerhaft „eine wohnortnahe und barrierefreie Schwimmbadinfrastruktur zu sichern“, schrieb DIE LINKE in ihrem Antrag. Nach Beratung im Plenum wurde dieser Antrag in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen, dort fand am Donnerstag, 9. Juni 2022, ein Fachgespräch mit Experten zu dem Thema statt.

Kommunen können es nicht allein schaffen

Um die Schwimmausbildung und die Ausbildung im Rettungsdienst sicher zu stellen, müssten in erster Linie die Rahmenbedingungen stimmen, sagte Holger Friedrich vom Landesverband Sachsen-Anhalt der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft e.V. Seit 1990 seien in Sachsen-Anhalt jedoch mehr als 100 Bäder geschlossen worden. Kommunen würden sie als freiwillige Leistungen ansehen und in Zeiten von knappen Kassen genau dort den Rotstift ansetzen. „Allein zu sagen, dass die Kommunen zuständig sind, reicht nicht um die Situation zu verbessern.“ Zudem gebe es einen enormen Fachkräftemangel (Bäderfachangestelle und Schwimmmeister/-innen). Er plädierte für eine kontinuierliche Förderung, die als fester Posten im Haushalt ins­­­talliert werden müsste.

„Seepferdchen“ reicht als Niveau nicht aus

Andreas Lehning von der DRK Wasserwacht Magdeburg e.V. schloss sich im Wesentlichen seinem Vorredner an und ergänzte, große Probleme gebe es insbesondere bei der Schwimmausbildung und den nicht vorhandenen Schwimmhallen. Sein Vereinskollege Matthias Glück, verantwortlich für Ausbildung Kinder und Jugendliche führte aus, dass es enorme Wartezeiten bei weiterführenden Schwimmkursen, wie dem Schwimmabzeichen „Bronze“. Erst damit könne ein Kind jedoch eigentlich sicher schwimmen. Daher dürfe nicht nach dem „Seepferdchen“ Schluss ein, denn dies belege nur, dass sich die Kinder 25 Meter über Wasser halten könnten.

Viele kommerzielle Anbieter würden jedoch nur diese Kurse anbieten und die Eltern dächten, ihre Kinder könnten schwimmen. Grundsätzlich gebe es seiner Meinung nach zu viele Abzeichen, von denen die Eltern gar nicht wüssten, was diese einzelnen Stufen bedeuteten. Ein weiteres großes Problem sei die Tatsache, dass ehrenamtliche Vereine, die Schwimmkurse anbieten, nicht ausreichend Schwimmhallenzeiten erhalten und/oder  diese auch noch aus eigener Tasche bezahlen müssten.

Schwimmkurse in Schule oft nicht erfolgreich

In Sachsen-Anhalt käme auf 54.500 Einwohner eine Schwimmhalle, deutschlandweit seien es nur 25.600 Einwohner. Das zeige, wie groß ein mögliches Investitionsvolumen sein müsse, Dr. Sven Thomas vom Wasserrettungsdienst Halle (Saale) e.V. In einem normalen Vereinsschwimmkurs gebe es etwa eine Erfolgsquote von 85 bis 90 Prozent für das „Seepferdchen“, beim Schulschwimmen würden 50 Prozent der Teilnehmer/innen den Kurs  wieder als Nichtschwimmer/innen verlassen. Außerdem plädierte  Thomas dafür, früher mit dem Schwimmenlernen anzufangen. Das Problem der Nichtschwimmer/innen steige kontinuierlich. Mittlerweile betreffe dies in Sachsen-Anhalt rund 40 Prozent der unter Zehnjährigen.

Verantwortlich dafür, dass Kinder Schwimmen lernten, seien in erster Linie die Eltern, meinte Helge Streubel vom Landesverband der Sportlehrer Sachsen-Anhalt. Wirklich in die Pflicht könne man dagegen niemanden so richtig nehmen, beschrieb er ein Dilemma. Am Ende sei das Netzwerk aus Schwimmhallen und Vereinen entscheidend, damit es gelänge. Zudem gebe es in den Lehrplänen den staatlichen Auftrag, Schwimmen als lebenserrettende Maßnahme zu unterrichten. Voraussetzung dafür sei ein flächendeckendes Schwimmhallensystem, dass das Erlernen des Schwimmens auch priorisiere.

Daniela von Hoerschelmann vom Projektverein Neuköllner Schwimmbär e.V. erläuterte, wie ihr Verein es in ihrem Berliner Stadtteil geschafft habe, die Nichtschwimmerquote zu halbieren – vor allem mit kostenlosen Schwimmkursen in den Ferien. Die vielen verschiedenen Schwimmabzeichen wie Prinzessin, Räubertochter oder Froschkönig würden ihrer Ansicht nach allein aus finanziellen Gründen angeboten, um „Geld von den Eltern anzugreifen“. „Schwimmenlernen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, die über die Sportjugend Berlin und die Senatsverwaltung abgewickelt werde. Finanziert werde das aus einem Corona-Sonderfond.

Bäder im ländlichen Raum fürchten um Existenz

Olaf Maury, ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Schraplau (nähe Querfurt), beschrieb beispielhaft für viele kleinere Schwimmbäder in Sachsen-Anhalt die Geschichte seines Schwimmbades. So sei es ungeheuer schwierig, das Geld für dringend benötigte Sanierungsmaßnahmen zusammen zu bekommen. Das Erlebnisbad habe eine große Tradition und sei wichtig für große Teile der Bevölkerung. Seine Gemeinde habe sich bereits für verschiedenste Förderprogramme beworben, jedoch bisher immer ohne Erfolg. Wenn die Sanierungen nicht bald erfolgen könnten, müsste das Schwimmbad wahrscheinlich geschlossen werden, fürchtete Maury. Eine Schließung würde einen deutlichen Verlust an Lebensqualität für die Kleinstadt bedeuten sowie eine weitere Schwächung des strukturschwachen ländlichen Raums.

David Rieck von der Köthener Badewelt beschrieb, warum er pandemiebedingt vermutlich die Eintrittspreise erhöhen muss. Wichtig aus seiner Perspektive seien vor allem langfristige Förderprogramme und die Sicherheit, dass die Bäder vor dem Hintergrund der Energiekrise auch zukünftig wirtschaftlich betrieben werden können. Eine Absenkung der Wassertemperatur (um Energie zu sparen) sei schwierig, da es beispielsweise im Bereich Schul- und Babyschwimmen bestimmte Anforderungen gebe. Rieck denkt zudem, dass bei kälteren Wassertemperaturen weitere Besucher wegblieben und dies weniger Einnahmen bedeuten würde. Das Bad werde in diesem Jahr 20 Jahre alt. Für die nächsten Jahre sei ein geschätztes Investitionsvolumen von rund 4,5 Millionen Euro nötig.

Tobias Knoch vom Landessportbund Sachsen-Anhalt e.V. schloss sich im Wesentlichen seinen Vorrednern an und unterstrich erneut die große gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Schwimmbädern und –hallen. Dies gelte sowohl für das Erlernen des Schwimmens als auch für die Ausbildung von Rettungsschwimmern sowie den Breiten- und Spitzensport.

Wie geht's weiter?

Die Mitglieder des Ausschusses werden die Hinweise der Experten und Betroffenen aus dem Fachgespräch auswerten und sich in einer ihrer nächsten Sitzungen erneut mit dem Thema beschäftigen und dann entscheiden,  wie sie mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE umgehen werden.