„Nie hätte ich gedacht, dass ich nochmal in Europa Frauen und Kinder auf der Flucht sehen muss“, sagte Dr. Eva Umlauf bei der moderierten Lesung aus ihrem Buch in der Stadtbibliothek Halle (Saale). Die 79-jährige Holocaustüberlebende zeigte sich entsetzt von den aktuellen Bildern aus der Ukraine. Als Zweijährige überlebte sie gemeinsam mit ihrer Mutter das Konzentrationslager Auschwitz.
„Ich denke, die Menschen haben nichts gelernt aus der Geschichte. Ich bin sehr enttäuscht, dass sich die Geschichte scheinbar wiederholt“, erklärte sie weiter. Erst spät hat sie angefangen, sich intensiv mit ihrer Familiengeschichte, ihren verblassten Erinnerungen auseinanderzusetzen und die Gefühlserbschaften aufzuarbeiten. Daraus entstanden ist ihr Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“.
Nicht nur der Krieg in der Ukraine, auch der wachsende Antisemitismus in Deutschland und Europa bereiten der studierten Kinderärztin und Psychotherapeutin große Sorgen. „Wenn ich im Fernsehen mitten in deutschen Städten solche Demonstrationen sehe, bin ich fassungslos.“ Der jungen Generation möchte sie daher vor allem eines mit auf den Weg geben: „Geht mit offenen Augen durch das Leben, wählt eine demokratische Partei und schützt unsere Demokratie. Das ist ganz wichtig. Ich glaube, dann wird unsere Demokratie auch in guten Händen sein!“
Zeitzeugin kommt mit Gästen ins Gespräch
Doch der Abend in der Stadtbibliothek Halle bot nicht nur Einblick in die Lebenserinnerungen und aktuellen Gedanken der Holocaustüberlebenden Dr. Eva Umlauf. Das Besondere an diesem Abend war auch, dass einige Gäste von ihrer aktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte berichteten. Ein älterer Mann erklärte beipsielsweise, wie er nach seinem im Krieg verschollenen Vater suchte und feststellen musste, dass dieser vielleicht in Polen und der Ukraine an schrecklichen Taten beteiligt gewesen sei.
Martin Steinmetz (40 Jahre) schilderte Ähnliches aus seiner Familie und lies dabei deutlich erkennen, dass die Gefühlserbschaften auch im Land der Täter noch lange nicht bewältigt sind. Steinmetz engagiert sich in der Bewegung „Marsch des Lebens“ aktiv gegen Antisemitismus und fährt regelmäßig nach Israel, um Juden zu begegnen, um Verzeihung für die Taten der Großeltern zu bitten und um für Frieden und Verständigung einzutreten. Er zeigte sich sehr dankbar, dass Eva Umlauf nach Halle gekommen ist und bereit war, ihre schmerzvollen Erinnerungen zu teilen. Er versicherte ihr: „Es ist nicht umsonst. Unsere Generation setzt sich dafür ein, dass so etwas nie wieder geschieht!“
Hintergründe zum Besuch von Dr. Eva Umlauf und ihrer Person lesen Sie in unserer Pressemitteilung.
Hier finden Sie ein ca. 40-minütiges Zeitzeuginnen-Interview mit Dr. Eva Umlauf, das die Onlineredaktion des Landtags von Sachsen-Anhalt im Januar 2022 anlässlich des Holocaustgedenktags geführt hat.