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Plenarsitzung

Sinkende Quote bei Organspende aufhalten

Im November berichtete die Mitteldeutsche Zeitung, dass die Zahl der Spenderorgane sich auf dramatische Weise halbiert habe. Laut Deutscher Stiftung für Organspende spreche als ein Grund dafür die grundsätzlichen Personalengpässe in Kliniken. Aber auch von einer steigenden Skepsis dem Thema gegenüber werde ausgegangen.

Vor diesem Hintergrund hatte die Fraktion DIE LINKE im Rahmen einer Selbstbefassung beantragt, sich genauer mit dem Thema im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung zu beschäftigen. Der Ausschuss verständigte sich darauf, am Mittwoch, 1. Februar 2023, ein Fachgespräch durchzuführen.

Graphik zu Fachgespräch über Organspende: Fragenkatalog und kleine Bilder von menschlichen Organen.

Im Ausschuss für Gesundheit fand ein Fachgespräch über Organspenden statt. Die sind in letzter Zeit deutlich rückläufig.

Eingeladen wurden der Verein zur Förderung der Organspende e. V., die  Arbeitsgemeinschaft in Sachsen-Anhalt tätiger Notärzte e. V. (AGSAN), Fachleute aus dem Bereich Transplantationschirurgie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Fachleute vom Transplantationszentrum am Universitätsklinikum. Die zentralen Fragen lauteten: Wie kann es gelingen, wieder mehr Vertrauen und damit Spendenbereitschaft zu erreichen? Welcher Informationsmöglichkeiten bedarf es dafür?

Hintergrund: Organspende in Deutschland

Etwa 8 500 Menschen stehen in Deutschland derzeit auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen warten auf eine Spenderniere. 2021 gab es bundesweit 933 Organspenderinnen und Organspender. Das entspricht 11 Organspenderinnen und -spender je eine Million Einwohner (im Vergleich dazu Spanien: 38). 2021 wurden etwa 4 600 Personen neu auf die Warteliste aufgenommen. 826 Personen auf der Warteliste sind 2021 verstorben.

In Deutschland muss einer Organspende ausdrücklich zugestimmt werden. Bereits ab dem 14. Lebensjahr können Sie einer Organ- und Gewebespende widersprechen, ab dem 16. einer Spende zustimmen oder widersprechen. In anderen Ländern ist das anders: Dort ist jeder Mensch automatisch Organspender, wenn er nicht ausdrücklich widerspricht.

Liste mit Ergebnissen des Fachgesprächs zum Thema Organspende.

Ergebnisse des Fachgesprächs zum Thema Organspende.

Stimmen aus dem Fachgespräch

Generell stütze sich die Organspende auf viele verschiedene Säulen, darunter die Kliniken und die Vermittlungsstellen, sagte Dr. Christa Wachsmuth, die Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Organspende e. V. Eine Analyse des Potenzials der Organspende (Transplantcheck) offenbare eine große Diskrepanz in Deutschland: zwar seien Maßnahmen zur Verbesserung der Transplantationszahlen ergriffen worden (darunter Transplantationsverantwortliche in den Kliniken), sie wirkten jedoch nicht. Wachsmuth erinnerte an die Wichtigkeit der Angehörigenbetreuung und die Ehrung von Organspendern. Sie sprach sich für die Einführung einer Widerspruchslösung aus, um Menschen auf den Wartelisten zu helfen. „Zudem brauchen wir Aufklärungsarbeit an allen Orten und von allen gesellschaftlichen Akteuren, wie es ist, mit einem transplantierten Organ zu leben“, so die Vereinsvorsitzende. Die Entscheidung für die Organspende sollte bestenfalls zu Lebzeiten getroffen werden.

Prof. Dr. Paolo Fornara, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, zog ein ernüchterndes Resümee für die letzten 35 Jahre in der Organspende: die Zahlen sinken und diese Tendenz habe durch keine ergriffene Maßnahme verbessert werden können. Oberste Konsequenz sei: „Es sterben Leute auf der Warteliste, die eigentlich nicht sterben müssten, nur weil es nicht genügend Spenderorgane gibt.“ Mit dem zwangsbedingten Einsatz auch sogenannter marginaler Organe, sinke auch die Überlebenszeit der Patienten. Früher wählte man den Patienten passend zum Organ, heute würden die Organe oftmals „erwartet“. Ein Nierenempfänger warte in Deutschland im Durchschnitt sieben Jahre auf ein Spenderorgan, jemand mit Blutgruppe Null sogar dreizehn Jahre.

Es fehle die soziale Anerkennung und Würdigung einer Organspende in der Bevölkerung, das Thema sei hierzulande scheinbar untrennbar mit einem „unguten Gefühl“ verbunden. Auch Fornara sprach sich für eine Widerspruchslösung aus, wie sie in 22 Ländern Europas längst gängige Praxis sei. Diese befreie die Angehörigen eines potenziellen Spenders von einer großen emotionalen Belastung. Es müssten Wege gefunden werden, diese Widerspruchslösung unkompliziert umsetzen zu können – wie in Italien während der Verlängerung des Führerscheins, so Fornara.

Man müsse die ganz schlechte Lobby für Organspende verbessern, forderte Prof. Dr. Roland S. Croner von der Magdeburger Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie. Er befürwortet die Einführung einer (erweiterten) Widerspruchslösung bzw. einer erweiterten Zustimmungsregelung. Man müsse sich in der Gesellschaft mehr mit Sterben und Tod auseinandersetzen, denn „das ist etwas, das uns alle verbindet: wir werden alle sterben“, so Croner. „Viele Menschen brauchen sehr dringend ein neues Organ“, aber heute müsse man schon todkrank sein, um überhaupt ein Organ zu bekommen, und dann seien die Spender oft schon sehr alt. „Aufklärung an allen Fronten“ sei notwendig, beispielsweise Informationstage auch für junge Menschen, mit denen man angstfrei über das Thema diskutieren müsse.

Die Empfehlungen der Fachleute wurden gehört und mit Wohlwillen aufgenommen. In den Fraktionen wird nun beraten, wie man dem Anliegen „Organspende“ bestenfalls gerecht werden könne.