Das Statistische Landesamt hatte in Pressemeldungen sowohl im Februar 2021, 2022 als auch 2023 von einem Rückgang der Viehbestände (Rinder, Schweine, Schafe) in Sachsen-Anhalt berichtet (Ausnahme: Schweine in 2022 konstant). Insbesondere bei den Mastschweinen lag 2023 der Bestandsrückgang mit 11,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sehr hoch. In absoluten Zahlen war der Bestand um 127 000 Schweine seit der Novembererhebung 2021 gesunken. Damit lag die Anzahl der Schweine erstmalig im Zehnjahresvergleich unter einer Million Tiere. Gründe für den jeweiligen Rückgang hatte das Statistische Landesamt nicht aufgeführt.
Nach den endgültigen Ergebnissen der Schweinebestandserhebung zum Stichtag 3. November 2023 belief sich die Zahl der Schweine in Sachsen-Anhalt auf 971 700 Tiere, wie das Statistische Landesamt im März 2024 mitteilte. Im November 2023 wurden 59 300 Tiere mehr (6,5 Prozent) als ein halbes Jahr zuvor (912 500 Schweine) gezählt. Das Vorjahresniveau wurde damit fast wieder erreicht. Absolut gesehen waren 4 600 Tiere (-0,5 Prozent) weniger im Bestand als ein Jahr zuvor (976 300 Tiere). Die Anzahl der schweinehaltenden Betriebe ging dagegen um 9 Prozent zurück. Im Durchschnitt hielt jeder Betrieb 6 400 Tiere.
Anhörung im Landwirtschaftsausschuss
Vor dem Hintergrund des Bestandsrückgangs hatte die AfD-Fraktion im März 2023 die „Zukunft der Schweinehaltung und -schlachtung in Sachsen-Anhalt“ zum Thema einer Selbstbefassung im Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten gemacht. Dieser hatte sich darauf verständigt, eine Anhörung zum Thema durchzuführen und dafür entsprechende Fachleute aus der Wirtschaft einzuladen. „Es besteht Klärungsbedarf darüber, wie die Lage der Schweinehaltungsbetriebe sowie der Schlachtbranche aktuell und perspektivisch betriebs- und volkswirtschaftlich zu bewerten ist“, betonte die AfD-Fraktion seinerzeit. Klärung erwartete sie beispielsweise auf die Fragen:
- Welche Einbußen und Verluste in den Haltungsbetrieben und in der Schlachtindustrie sind bisher eingetreten und sind noch zu erwarten?
- Wie hoch ist bisher der Abbau an Tierplätzen sowie Schlacht- und Zerlegekapazitäten?
- Welche Ursachen werden für den Rückgang verantwortlich gemacht?
- Welche Zielsetzung hat die Landesregierung im Hinblick auf den weiteren Abbau des Schweinesektors?
- Wie hoch ist der Anteil an Zuchttieren, Ferkeln, Mastläufern, Mastschweinen, der nach Sachsen-Anhalt eingeführt wird (innerdeutscher Markt I EU-Markt I Markt außerhalb EU)?
Wortmeldungen aus der Anhörung
Etwa 150 schweinehaltende Betriebe gebe es in Sachsen-Anhalt derzeit noch, die Bedeutung der Schweinehaltung sollte allerdings größer sein, meinte Jochen Dettmer, Vorstandssprecher NEULAND e. V. Es gebe lange schon eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Tierhaltung/Schweinehaltung, insbesondere über die artgerechte Haltung der Tiere. Unter anderem hätten auch die sogenannte Borchert-Kommission und die Zukunftskommission Landwirtschaft Vorschläge erarbeitet, Erstere habe sich bereits wieder aufgelöst, da die vorgenommenen Ziele politisch nicht umgesetzt worden seien, monierte Dettmer. Es habe sich ein deutlicher Nachfragerückgang an Schweinefleisch kenntlich gemacht, dazu komme ein Bestandsabbau bei Schweinen, so Dettmer. Die kritischeren Verbraucherinnen und Verbraucher hätten allerdings nicht zu einer Stärkung der gehobenen Fleischlabels beigetragen, stattdessen gebe es eine stärkere Fokussierung auf Gemüse- und Fleischersatzprodukte. „Wir brauchen eine Privilegierung der höheren Haltungsformen im Baurecht und den Start einer Beratungsoffensive für diese Produkte“, er vermisse zudem die wissenschaftliche Begleitung des Haltungswandels an den Hochschulen.
Etwa 50 Prozent der schweinehaltenden Betriebe seien im letzten Dutzend Jahre in Sachsen-Anhalt verlorengegangen, erklärte Hans-Georg Meyer, Vorsitzender des Schweinewirtschaftsverbands Sachsen-Anhalt e. V. Die letzten fünf Jahre seien durch die gesamte Covid-Situation (Hygieneregelungen in den Ställen, Wegfall der Gastronomie) „desaströs“ gewesen. Das derzeit in Berlin diskutierte Tierschutzgesetz dürfe so nicht beschlossen werden, forderte Meyer, hier dürfe es keine deutschen Sonderwege, sondern es müsse eine stärkere Synchronisierung mit dem europäischen Recht geben. Die Afrikanische Schweinepest werde als Bedrohung wahrgenommen. Hier müsse die Bekämpfungsrichtlinie der EU umgesetzt werden.
Auch die Landwirtschaft sei in den letzten Jahrzehnten durch eine Ertrags- und Effizienzsteigerung geprägt gewesen, so seien erschwingliche und jederzeit verfügbare Lebensmittel zu erhalten gewesen, konstatierte Dr. Gereon Schulze Althoff von der Tönnies-Holding-Geschäftsleitung (Bereich Nachhaltigkeit). „Die Rahmenbedingungen haben allerdings zu einem drastischen Rückgang der Tierbestände in den neuen Bundesländern geführt“, dies habe auch Auswirkungen auf die Kreislaufwirtschaft. So gebe es beispielsweise weniger Gülle für die Düngung der hiesigen Ackerflächen. Der Schlachtbetrieb Weißenfels sei von überregionaler Bedeutung für den Osten Deutschlands, so Schulze Althoff. 600 000 der sachsen-anhaltischen Schweine würden in Weißenfels geschlachtet. Die Nutztierhaltung müsse „aus der politischen Kampfzone“ herausgelöst werden, um gute Bedingungen für Tiere, Halter und Verbraucher zu gewährleisten.