„Ein nie dagewesenes Szenario“ – so beschreibt Thorsten Seitter den Abend des 20. Dezember 2024 aus Sicht der Rettungsdienste. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt – im Hinblick auf Personenschäden – das schlimmste Ereignis für die Stadt Magdeburg gewesen. Seitter ist Leiter der Abteilung „Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz“ der Stadt Magdeburg und war an jenem Abend Lagedienstleiter in der zuständigen Leitstelle. Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sprach er als Zeuge. Zu Wort kamen noch weitere Zeugen aus dem Bereich des Rettungsdienstes.

Der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024.
Sie berichteten von großer Hilfsbereitschaft – jedoch habe es auch Probleme gegeben. „Es hätte uns erheblich geholfen, wenn wir digital vernetzt gewesen wären“, erklärte etwa Frank Mehr als Leiter des Amtes für Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz bei der Stadt Magdeburg. Dabei bezieht er sich auf die Kommunikation zwischen Kliniken und Leitstelle. Teils hätten Mitarbeiter von Krankenhäusern versucht, über die Notrufnummer 112 an die Leitstelle zu kommen, um die Kapazität an freien Betten zu melden. Insgesamt wurden 121 Personen vom Rettungsdienst medizinisch versorgt und in etwa 18 Kliniken gebracht, so Seitter. Die gesamte Zahl der Opfer liegt höher, da Verletzte auch auf anderen Wegen, etwa mit Privatautos, in Krankenhäuser gelangten. Insgesamt wurden rund 300 Personen verletzt. Sechs Menschen verloren ihr Leben.
Kritik an Medienvertretern
Kritisiert wurde von den Angehörten auch das Agieren mancher Medienvertreter. Eine Wache sei am Sonntag nach dem Anschlag von der Presse „belagert“ worden, berichtete etwa Amtsleiter Mehr. „Wir hatten im Laufe des Abends viel mit Falschmeldungen zu kämpfen“, sprach er einen weiteren Punkt an. Um deren Aufkommen auf sozialen Medien zu überblicken, sei das „VOST“ zum Einsatz gekommen. Das „Virtual Operations Support Team“ behielt die Entwicklungen im Internet auch in den folgenden Tagen noch im Auge.
Ein weiteres Thema war die persönliche Betroffenheit von vielen, die am Einsatz beteiligt waren, so Seitter. Dieser Umstand habe den Einsatz erschwert. Etwa 70 Kräfte der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) hätten die Retter am Abend des 20. Dezember betreut. Hilfsangebote aus diesem Bereich habe es aus ganz Deutschland gegeben. „Damit hätte ich nie gerechnet.“
Hohe Zahl an Rettungskräften
Die Zeugenvernehmung zeigte, dass es bei allem Entsetzen auch positive Erkenntnisse über den Verlauf der Rettungsaktion gibt – etwa die hohe Zahl an Einsatzkräften. Mehr als 600 seien am Abend vor Ort gewesen, so Seitter. Darunter waren auch mehr als 80 Ärzte, wie Dr. Christoph Keil bei seiner Vernehmung erklärte. Keil ist Oberarzt für Anästhesie an der Uniklinik Magdeburg und war als leitender Notarzt tätig. „Die Kollegen vor Ort haben gute Arbeit geleistet“, resümierte er. Ähnliches war über die Arbeit der Kliniken zu hören: Seitter sprach aus Sicht der Leitstellen von einem „Paradigmenwechsel“ und lobte die hohe Aufnahmekapazität.
Hintergrund:
Der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss soll die parlamentarische Aufarbeitung des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt leisten. Laut Einsetzungsbeschluss soll er insbesondere klären, ob und inwiefern bestehende Genehmigungsverfahren, Sicherheits- und Einsatzkonzepte sowie deren praktische Umsetzung für den Weihnachtsmarkt in der Stadt Magdeburg die Durchführung des Anschlages begünstigt oder ermöglicht haben. Die Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, mindestens alle zwei Wochen zu tagen. Die nächste Sitzung findet am 28. April 2024 im Landtag statt.