Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gestatten Sie mir vorab eine persönliche Bemerkung. Es fällt mir sehr schwer, nach so einem wirklich unwürdigen Beitrag hinsichtlich derjenigen,
(Zurufe von der AfD)
die unter schwierigen Situationen in unser Land gekommen sind, insbesondere die ukrainischen Flüchtlinge, die vor Krieg geflohen sind
(Zurufe von der AfD)
Die sind immer in der Debatte. Dabei ging es insbesondere um Ukrainer und Ukrainerinnen und darum, was sie hier für Fahrzeuge fahren und dass sie sich sozusagen Leistungen erschleichen.
Ich bitte die Abgeordneten, die nach mir reden, herzlich darum - auch, weil jetzt Schulklassen auf der Tribüne sitzen , einen Faktencheck zu den Punkten, die heute von Herrn Siegmund genannt worden sind, durchführen,
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Sehr gut! - Beifall bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)
um mir eine Unterstützung hinsichtlich dessen, was tatsächlich nach Recht und Gesetz in diesem Lande möglich bzw. nicht möglich ist, zu geben.
(Zuruf von der AfD: Solange Sie den Faktencheck nicht machen!)
Sie verkennen nach wie vor die gesetzlichen Grundlagen auch im Bereich der Sozialhilfe. Denn die Regelungen zum Einkommen und Vermögen nach dem XII. Sozialgesetzbuch gelten sowohl für deutsche als auch für ausländische Leistungsberechtigte gleichermaßen. Eine Bevorzugung ausländischer Leistungsberechtigter durch eine geringere Prüfdichte ist nicht festzustellen.
Wie sieht eine solche Vermögensprüfung praktisch aus? - Geht bei einem Träger der Sozialhilfe, also etwa bei einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, ein entsprechender Antrag auf Leistungen ein, so überprüft dieser nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen, sondern auch, ob sich die Person selbst helfen kann, und zwar mit Hilfe des eigenen Vermögens. Insbesondere die Einkommens und Vermögensverhältnisse werden nicht nur vor der Leistungsgewährung, sondern auch im laufenden Leistungsbezug regelmäßig überprüft. Wenn das verwertbare Vermögen den Schonbetrag übersteigt, sind die Leistungen für die Zukunft einzustellen.
Ob und in welchem Umfang Leistungsbewilligungen auch für die Vergangenheit aufzuheben und zurückzufordern sind, entscheidet der Träger nach Maßgabe des X. Sozialgesetzbuches.
(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
Bei Zweifeln ist es übrigens schon jetzt Praxis, Amtshilfeersuchen bei anderen deutschen oder europäischen Behörden zu stellen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Im Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, eine genaue Definition für das nach § 90 SGB XII verwertbare Vermögen für das Land Sachsen-Anhalt zu erarbeiten. Insbesondere soll definiert werden, was ein angemessenes Kraftfahrzeug bei einem ausländischen Antragsteller darstellt.
(Zurufe von der AfD: Genau! - Jedenfalls kein Porsche!)
Auch diese Forderung läuft ins Leere. Denn eine Definition des verwertbaren Vermögens - dazu muss man nicht nur in das Gesetz schauen - ergibt sich bereits aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dabei ist Vermögen dann als verwertbar anzusehen, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können. Nicht verwertbar sind insbesondere Vermögensgegenstände, die zum Fortbestand der eigenen Existenz des Vermögensinhabers unentbehrlich sind oder deren Verwertung tatsächliche und rechtliche Hindernisse entgegenstehen.
Ein Kraftfahrzeug gilt bspw. als angemessen, wenn es einen Verkehrswert von 7 500 € nicht überschreitet.
(Unruhe bei der AfD)
Dabei ist es, ich sagte es bereits, irrelevant, ob es sich bei der antragstellenden Person um eine deutsche oder ausländische Person handelt.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die öffentliche Verwaltung und damit auch die Träger der Sozialhilfe, wie etwa die Landkreise und kreisfreien Städte, sind an Recht und Gesetz gebunden. Diese gewährleisten die Rechtssicherheit. Die vorliegenden Forderungen verkennen demnach die rechtliche Realität, die bereits vorhandenen Prüfmechanismen und das Gebot der Gleichbehandlung.
(Zurufe von der AfD)
Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Wir haben durch den Jobmotor, der bis vor der Sommerpause gelaufen ist, ganz viele Menschen aus diesem Bürgergeldbezug herausgenommen.
(Zurufe von der AfD)
Ich will noch eines deutlich machen: Für Helfertätigkeiten, denen auch ganz viele ukrainische Flüchtlinge etc. nachgehen, reicht das Einkommen nicht und diese Menschen sind als Aufstocker nach wie vor im Bürgergeldbezug. Ich habe dazu schon ein paar Mal sehr ausführlich mit dem Chef der Regionaldirektion Sachsen Anhalt Thüringen der Bundesagentur für Arbeit sachlich und fachlich berichtet. Ich bitte darum, diese Zahlen auch noch einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Mittlerweile gibt es auch unter den Flüchtlingen einen Spruch: Man hat nur dann hier dauerhaft ein Bleiberecht, wenn man Arbeit hat. Das ist etwas, denke ich, das wir uns selbst hier vornehmen wollen,
(Jan Scharfenort, AfD: Vornehmen wollen! - Weiterer Zuruf von der AfD: Vorgenommen - das ist geil!)
und das setzen wir im Land bereits sehr gut um. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. Es gibt zwei Fragen; zum einen von Herrn Roi und dann von Herrn Siegmund. Es ist eine Fünfminutendebatte. Deswegen machen wir das mit zwei Nachfragen, die pro Fraktion ermöglicht werden. - Herr Roi, bitte.
Daniel Roi (AfD):
Ja, vielen Dank. - Ich bin wirklich schockiert über Ihre Aussagen. Das muss ich wirklich so sagen. Denn ich bin als Kreistagsmitglied genau diesen Fragen, um die es in der Debatte geht, nachgegangen. Ich habe auch mit den Behörden vor Ort im Landkreis gesprochen. Deswegen ergeben sich jetzt auch Fragen.
Die Ursprungsfrage, die sich hinsichtlich der Ukrainer stellt, ist: Warum fahren eigentlich jeden Tag so viele Flixbusse ins Kriegsgebiet, wie Sie sagen. Wir wissen alle, dass die Ukraine im Westen sicher ist. Allein heute fahren sieben Flixbusse aus Magdeburg in Richtung Kiew.
(Oh! bei der AfD)
Morgen sind es übrigens zwölf, allein aus Magdeburg. Ich rede nicht von Halle, Weißenfels, Stendal, Merseburg und allen anderen Städten, wo ebenfalls Busse abfahren. Jetzt stellt sich die Frage, warum es so ist, dass jeden Tag so viele Busse zwischen den Städten hin und her pendeln.
(Zuruf von Christian Hecht, AfD)
Das ist die erste Frage. Zum zweiten Punkt. Unsere Behörden sagen, sie haben keine Möglichkeiten, Konten in der Ukraine zu überprüfen. Dabei geht es nämlich um Vermögen. Sie stellen das jetzt so hin, als ob alle gleichgestellt sind. Das ist eben nicht der Fall, denn es gibt keine Abkommen der EU oder der BRD mit der Ukraine darüber, dass die ukrainischen Konten bei der Vermögensprüfung hier herangezogen werden. Genau das ist eines der Probleme. Und jetzt sagen Sie mir bitte, ob das richtig ist, was ich gerade gesagt habe, oder ob das Fake News sind. Das ist die Aussage der Behörde in Anhalt-Bitterfeld. Stellen Sie das jetzt bitte hier klar. - Danke.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Grimm-Benne, bitte.
(Zuruf von der AfD: Faktencheck!)
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Was hat das denn mit Faktencheck zu tun?
(Zuruf von der AfD: Der Lüge überführt!)
Ich stehe hier als Landesministerin vor Ihnen. Ich setze das um, was mir die Landkreise und die kreisfreien Städte mitbringen. Ich sage einmal so: Auch der Landkreis Anhalt-Bitterfeld muss nach dem Gesetz und nach fehlerfreiem Ermessen handeln. Nichts anderes habe ich hier dargestellt. Die Landkreise haben Prüfungen durchzuführen und sich an die Sozialgesetzbücher zu halten.
(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)
- Wissen Sie, Herr Fraktionsvorsitzender, ich habe Ihren „MZ“-Beitrag heute auch sehr aufmerksam gelesen.
(Oliver Kirchner, AfD: 80 % Wohneigentumsquote in der Ukraine! - Olaf Meister, GRÜNE: Nanu, nanu! - Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der Linken - Zurufe von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, und von Frank Otto Lizureck, AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
So, jetzt hat Herr Siegmund
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Etwas zu behaupten und anders zu leben, ist auch eine andere Auffassung.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Jetzt kommt jetzt als nächster Fragesteller, der sich ordnungsgemäß gemeldet hat, Herr Siegmund. - Herr Siegmund, bitte.
(Zuruf von Daniel Roi, AfD)
- Wenn ich schon zwei Nachfragen - - Also, zwei Fragesteller aus einer Fraktion.
(Zuruf: Es waren nur zwei Fragen!)
- Es waren zwei Fragen. - Herr Roi, ganz kurz, nicht jetzt noch eine ewig lange Diskussion.
Daniel Roi (AfD):
Nein, es geht genau um die Frage. Sie haben vollkommen recht. Natürlich müssten die Behörden in Anhalt-Bitterfeld und in Magdeburg nach Recht und Gesetz handeln. Aber das Problem ist, dass sie keine Rechtsgrundlage haben, um bspw. ukrainische Konten - von Immobilien reden wir gar nicht - zu überprüfen, wenn sie einen Check der Vermögenslage durchführen wollen. Das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber den einheimischen Sozialleistungsempfängern. Das war meine Frage. Vielleicht können Sie sich ja als Ministerin auf Bundesebene dafür einsetzen, dass wir hier eine Gleichbehandlung von Deutschen und Ukrainern haben. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Das war keine Frage, sondern es war ein Statement. - Jetzt ist Herr Siegmund an der Reihe mit einer Nachfrage.
Ulrich Siegmund (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich habe wirklich eine konkrete Frage. Sie waren ja gerade eine Freundin des Faktenchecks. Ich freue mich übrigens auf diesen Faktencheck. Sie haben gesagt ich zitiere Sie noch einmal -, dass Sie durch den Job-Turbo sehr viele aus dem Leistungsbezug in Arbeit gebracht haben. Das waren Ihre Worte. Ich habe ja vorhin Polen mit mehr als 80 % angeführt. Können Sie einmal genau definieren, wenn Sie die Zahlen parat haben, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die jetzt in Arbeit sind, und wie viele weiterhin im Leistungsbezug sind?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ministerin, bitte.
(Zuruf von der AfD: Faktencheck!)
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Ich habe dazu mehrfach Pressemitteilungen herausgegeben. Ich möchte auf diese verweisen, denn darin sind die Zahlen ganz konkret enthalten. Ich möchte jetzt keine Zirkaangaben machen.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulrich Siegmund, AfD: Zahlen sind nicht so wichtig!)
Auch die Arbeitsagentur hat entsprechende Zahlen herausgebracht.
Ulrich Siegmund (AfD):
Kurze Nachfrage. Das war Ihr Hauptargument gerade in Ihrem Redebeitrag. Wollen Sie mir wirklich erzählen, dass Sie als zuständige Ministerin gerade nicht den Anteil der Ukrainer kennen, die in Arbeit sind? Ist das richtig?
(Zurufe von der AfD: Nein, das weiß sie nicht! - Oh, oh! - Zahlen sind nicht so wichtig! - Als Ministerin muss man das nicht wissen!)
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Erst einmal haben die jeweiligen Arbeitsagenturen noch nicht alle Zahlen aus den Landkreisen bekommen. Ich darf einmal sagen, ohne dass ich despektierlich bin: Gucken Sie sich in Anhalt-Bitterfeld einmal die Integration an und gucken Sie sich einmal die Anzahl an Arbeitsaufnahmen sowie die Anzahl derjenigen, die den Bürgergeldbezug verlassen haben, an. Hinsichtlich der Prozentzahlen ist dort noch sehr viel Luft nach oben.
(Frank Otto Lizureck, AfD: Traurige Antwort!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Ministerin.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Nein, das sind tatsächlich die Bemühungen der einzelnen Landkreise, wirklich Menschen in Beschäftigung und auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Wir haben jetzt sogar hinsichtlich der Asylbewerber, die ein Duldungsrecht haben, die Möglichkeit geschaffen, dass Arbeit aufgenommen werden kann. Gucken Sie sich an dieser Stelle die Zahlen in Anhalt-Bitterfeld an; die gehen gegen null. Also, tun Sie nicht so, als ob Sie nicht alles machen müssten, damit die Leute tatsächlich aus dem Bürgergeldbezug herauskommen. Es gibt andere Landkreise wie der Burgenlandkreis, die an dieser Stelle vorbildlich sind.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ach, jetzt sind die Landkreise daran schuld! Na, klar!)