Holger Hövelmann (SPD):
Frau Präsidentin, herzlichen Dank für die Gelegenheit. - Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Allen Unkenrufen zum Trotz und trotz aller nicht immer ganz einfachen Rahmenbedingungen nicht nur sachsen-anhalt- oder deutschlandweit, sondern sogar weltweit hat sich Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren erfolgreich entwickelt. Der Tourismus hat das Tal der Coronajahre verlassen. Zahlreiche Unternehmen investieren in den Standort Sachsen-Anhalt.
Die modernsten Fabriken, die schönsten Hotels würden aber nichts bringen, wenn es dort keine Fachkräfte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt. Der Fachkräftemangel ist und bleibt eine der größten Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft. Das aber ist nichts, was es erst jetzt gibt.
Wenn man in die Geschichte schaut, dann sieht man die Hugenotten in Preußen, die Holländer in Anhalt oder Potsdam, die Polen im Ruhrgebiet. All diese Arbeitskräftezuwanderungen hat es über Jahrhunderte gegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es in der Bundesrepublik Gastarbeiter aus Portugal, Italien, Griechenland und der Türkei. Die DDR holte Vertragsarbeiter aus Vietnam, Mosambik oder Kuba.
(Guido Kosmehl, FDP: Die Bedingungen, unter denen die leben mussten, das war schlimm! - Dietmar Krause, CDU: Algerien!)
Also, worüber regen wir uns eigentlich auf? Was ist eigentlich das Problem? Wir haben seit Jahrhunderten Erfahrungen mit der Zuwanderung von Menschen.
Ich will zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit nennen. Ich war Gast mit anderen aus diesem Hohen Hause bei einer Feier im Hotel „Zum Stein“ in Wörlitz. Sie haben 110 Jahre gefeiert und in den 110 Jahren eine große Geschichte erlebt.
Die aktuellen Inhaber haben berichtet, dass in ihrer Belegschaft heute Kolleginnen und Kollegen aus 17 Nationen sind. In der vergangenen Woche war der verantwortliche Chef von Intel Magdeburg bei uns in der Fraktion und hat berichtet, dass unter den 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bisher am Standort Magdeburg eingestellt worden sind, Personen aus mehr als zehn unterschiedlichen Ländern vertreten sind.
Er hat gesagt, wenn er als Chef in Magdeburg ankommt, begrüßt ihn der Staatssekretär. Aber von wem wird seine indische Mitarbeiterin im indischen Sari begrüßt, wenn sie am Bahnhof in Magdeburg ankommt? In welchem Klima, in welcher Atmosphäre nimmt sie Besitz von der Stadt Magdeburg, ihrem möglichen neuen Arbeitsort und Lebensort? Darüber müssen wir uns Gedanken machen.
Zu dem, was wir den Menschen bieten müssen, wenn sie denn bei uns als Arbeitnehmerin, als Arbeitnehmer, als Unternehmerin oder als Unternehmer tätig sein wollen, zählen ausdrücklich nicht endlos lange bürokratische Verfahren, ein konstantes Misstrauen bei den Behörden oder die Unsicherheit über den Aufenthaltsstatus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstkritisch für Sachsen-Anhalt gesagt: Das können wir besser. Allein in der Ausländerbehörde Magdeburg beklagen Zugewanderte seit Monaten einen erheblichen Antragsstau. Entscheidungen über den Aufenthaltsstatus erfolgen erst kurz vor Ablauf der Erlaubnis. Was macht das mit Menschen, die Angst haben, ob sie bleiben können oder nicht? Kontaktaufnahmen mit Sachbearbeitern sind kaum möglich. Das Stichwort Intel-Ansiedlung ist gefallen. Wir können uns solche Behördenprobleme nicht erlauben.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Wir können uns keine Entscheidungen erlauben, wie sie jüngst in Thüringen gefallen sind. Dort wurde einem syrischen Flüchtling die Arbeitserlaubnis entzogen, obwohl er eine Anstellung hatte und sein Arbeitgeber sich für ihn verbürgte. Solche Entscheidungen schaffen weder Vertrauen noch Sicherheit bei ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und bei den Arbeitgebern.
Aber auch aktuelle politische Überlegungen sind nicht geeignet, ausländischen Arbeitnehmern Sicherheit zu verschaffen, nämlich das, was einige Mitglieder dieses Hohen Hauses als Remigration bezeichnen. Wenn man bei den Verfechtern des Schlagwortes nachliest, dann stellt man fest, das betreffe das ja nur Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und sogenannte nicht assimilierte Staatsbürger. Die Fragen, die sich mir dabei stellen: Warum soll ein Asylbewerber nicht arbeiten können? Warum soll ein Ausländer mit Bleiberecht nicht die Möglichkeit haben, sich dauerhaft niederzulassen? Wer definiert eigentlich - meine sehr verehrten Damen und Herren, ich betone - Staatsbürger, die nicht assimiliert sind? Wer definiert das eigentlich?
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir wollen Pragmatismus statt Ideologie. Jede einzelne Hand wird gebraucht. Wir sollten uns nicht überlegen, wie wir es Einwanderern möglichst schwermachen, sondern wir sollten uns überlegen, wie wir es Einwanderern möglichst einfach machen, hier anzukommen. Das können wir in den Ausschüssen tun. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung bei der SPD und von Andreas Silbersack, FDP)