Henriette Quade (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Als ich im Juni letzten Jahres hier unseren Antrag für eine Vorgriffsregelung auf das damals in Planung befindliche Chancen-Aufenthaltsrecht eingebracht habe, habe ich gesagt, dass wir mit diesem Antrag das Ermessen der Ausländerbehörden im Land lenken wollen, und zwar nicht irgendwie, wie es gern die Unterstellung ist, sondern anhand der Kriterien, die die Bundesregierung und damit auch zwei Regierungsparteien hier in Sachsen-Anhalt angelegt haben. Dem Gesetz hatten damals bereits sechs Bundesländer mit entsprechenden Anordnungen vorgegriffen. Das ist eigentlich ziemlich übersichtlich. Der Grund ist auch sehr einfach. Wir wollten sicherstellen, dass Menschen, die nach dem Willen des Gesetzgebers von der neuen Regelung profitieren können, nicht kurz vorher noch abgeschoben werden.
Die bereits damals zu erahnende Wahrheit tritt mit der heute hier zur Abstimmung stehenden Beschlussempfehlung ganz offen zutage. Genau das ist nicht der Wille dieser Landesregierung. Die CDU bremst nun wirklich alles, was in Richtung Liberalisierung geht, gnadenlos aus und führt die Koalitionspartner vor. Nun kann man sagen: Ja, so ist das nun einmal in einer Koalition; das war doch klar, da braucht man nicht solche Anträge zu stellen. - Wenn das Ihr Anspruch an Politik ist, dann können wir es hier im Übrigen mit dem Parlamentarismus auch sein lassen. Mein Anspruch, unser Anspruch ist es nicht. Der Koalitionszwang entbindet nicht von der Pflicht, Entscheidungen zu treffen und zu begründen.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit der Ausschussüberweisung haben Sie eine Entscheidung wieder und wieder vertagt, und zwar so lange, bis sie obsolet geworden ist. Was Sie mit der Beschlussempfehlung gemacht haben, ist nicht unüblich, aber eben auch ein Teil des Problems. Sie schreiben etwas auf, ohne etwas zu sagen. Sie erheben den Status quo zum politischen Beschluss und Sie bauschen eine simple Bitte um Berichterstattung, die in jeder Ausschusssitzung beantragt werden könnte, zu einem halbseitigen Beschlusstext auf. Weniger ernst kann sich ein Parlament kaum nehmen.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Es ist völlig irrelevant, ob sich der Landtag dafür oder dagegen ausspricht, dass das Chancen-Aufenthaltsrecht zur Anwendung kommt. Es ist in Kraft. Ob jemand die Chance hat, die neuen Regelungen für sich in Anspruch zu nehmen oder nicht, hängt zum Glück nicht vom Begrüßen oder Nicht-Begrüßen dieses Landtages ab. In unserer Hand hätte gelegen, das Ermessen der Ausländerbehörden im Land zu lenken. In unserer Hand hätte gelegen, ein Zeichen an Menschen zu setzen, die hier arbeiten wollen und können und die trotz widriger Bedingungen bemerkenswerte Integrationsleistungen erbracht haben. In unserer Hand hätte gelegen, Menschen vor einer ungerechten Abschiebung zu bewahren. In unserer Hand hätte gelegen, endlich zu begreifen, dass das Chancen-Aufenthaltsrecht eine Chance für Sachsen-Anhalt ist.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Dass das in diesem Landtag nicht mehrheitsfähig ist, ist so wenig neu wie bezeichnend. Aber eine Überweisung des Antrages in die Ausschüsse hätte es nun wirklich nicht gebraucht. Sie hat Ihnen lediglich die ehrliche und öffentliche Entscheidung erspart. Die Beschlussempfehlung kommt einer Ablehnung unseres Antrags gleich. Wir lehnen sie daher ab.
(Zustimmung bei der LINKEN)