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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 17

Beratung

Bericht über den Stand der Beratung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt - Drs. 8/553

Gesetzentwurf Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/553

Berichterstattungsverlangen Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5123


Sehr geehrte Damen und Herren! Gemäß § 14 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung können fünf Monate nach der Überweisung eines Beratungsgegenstandes eine Fraktion oder acht Mitglieder des Landtages verlangen, dass der Ausschuss durch den Vorsitzenden oder ein anderes Mitglied des Ausschusses dem Landtag einen Bericht über den Stand der Beratungen erstattet.

Von dieser Regelung macht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gebrauch und verlangt vom federführenden Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung nun einen Bericht. Ich erteile zunächst der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Begründung ihres Verlangens das Wort. - Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Böswillig könnte man formulieren: Eine Partei - ein Wortbruch. Urteilen Sie am Ende, nicht gleich aufregen.

Jetzt nehme ich Sie alle erst einmal mit auf die lange Reise zur Änderung des Bestattungsgesetzes. Vor ungefähr 20 Jahren oder sogar vor mehr als 20 Jahren war es der damalige Sozialminister Gerry Kley, der Veränderungen wollte. Für diejenigen, die etwas jünger sind: Googeln Sie mal, wann Gerry Kley in diesem Land Sozialminister war. Und er wollte damals schon vor mehr als 20 Jahren die Sargpflicht anpacken. Er ist gescheitert. Seitdem schreibt sich die Geschichte über die Modernisierung unseres Bestattungsgesetzes fort und fort, ohne an ein erfolgreiches Ende zu kommen.

Erstmals haben wir GRÜNEN im Jahr 2014 diesem Hohen Hause einen Vorschlag zur Modernisierung vorgelegt. Mehrstündige intensive Anhörungen, zu denen Sachverständige und Experten aus dem Bundesgebiet eingeladen waren, folgten. Hier im Plenarsaal wurde über die Sargpflicht, über den Friedhofszwang und über Grabsteine aus Kinderarbeit informiert und debattiert. Trug das Früchte? - Mitnichten, der Entwurf wurde schlicht abgelehnt.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Dann kam die nächste Legislaturperiode. Im Koalitionsvertrag der Kenia-Koalition stand eine zweifache Verabredung zum Bestattungsgesetz. Die Abschaffung der Sargpflicht und das Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit sollten es sein, eigentlich. Am Ende ließ uns die CDU hängen.

Neuer Anlauf dann im aktuell gültigen Koalitionsvertrag. Auch dort findet man Ausführungen zum Bestattungsgesetz. Und, zugegebenermaßen: Die aktuelle Regierungskoalition kam in der Sache einen Schritt weiter. Mit dem von der Regierung im April 2023 eingebrachten Gesetzentwurf startete zumindest das parlamentarische Verfahren. Unser grüner Entwurf, auf den sich formal unser Berichterstattungsverlangen bezieht, liegt seit Anfang 2022 in den Ausschüssen. Eine umfassende    

(Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Warten Sie mal, Frau Lüddemann. Ich befürchte, dass der lange Weg dieses Gesetzes auch diesmal wieder die Köpfe der Abgeordneten nicht erreicht, wenn Sie so laut reden, wie Sie es gerade tun. - Ich würde Sie noch mal ausdrücklich darum bitten, entweder herauszugehen oder zumindest zu versuchen zuzuhören. Das mag nicht jedem gelingen. Aber er hat die Möglichkeit, dann den Raum zu verlassen. - Bitte sehr, Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich habe eben versucht zu sagen, unser grüner Entwurf, auf den sich formal unser Berichterstattungsverlangen bezieht, liegt seit Anfang 2022 in den Ausschüssen. Im September 2023 fand eine umfangreiche Anhörung mit 29 Anzuhörende und insgesamt 239 Seiten Stellungnahmen statt. Da haben sich wirklich viele Menschen sehr ernsthaft Gedanken gemacht und sie hier mit uns in die Diskussion gebracht. Doch seitdem: Nichts.

Zwar gab es im Sozialausschuss Ende des letzten Jahres die Ankündigung einer Beschlussempfehlung für das Frühjahr 2025. Aber nach der klaren Positionierung der CDU gegen die Abschaffung der Sargpflicht bleibt davon wohl nichts übrig. Wie unzuverlässig kann man bitte sein?

Wollen Sie wirklich die Sachverständigen und professionellen Vertreter, die damals an der Anhörung teilgenommen haben, einfach mit blanker Ignoranz auflaufen lassen? Wollen Sie die zweite große mehrstündige Anhörung zum Bestattungsgesetz wiederrum einfach ins Leere laufen lassen?

(Eva von Angern, Die Linke: Sie wollen es bestatten!)

Jetzt könnte man neudeutsch so ein Mime einblenden: CDU - ja, so machen wir das. Und an die anderen Koalitionsfraktionen: Lassen Sie sich das einfach so bieten?

Die CDU beerdigt in Schindelbruch am Kamin das Bestattungsgesetz und Sie lassen das einfach so geschehen? War es das jetzt? Mit der Folge, dass Muslime und Juden in unserem Land weiterhin nicht ihren Traditionen gemäß bestattet werden können. Das ist in der Anhörung völlig zu Recht als unvereinbar mit der grundgesetzlich verbrieften Religionsfreiheit beschrieben worden.

Wir sind hierbei mit Sachsen der letzte weiße Fleck auf der Landkarte für Bestattungen im Sinne der allgemeinen Religionsfreiheit. Das könnte eine Fraktion mit C im Namen durchaus stören; könnte, wenn sie denn ihre christlichen Wurzeln als Wertschätzung aller religiösen Formen begreifen würde. Aber anscheinend soll stattdessen weiterhin gelten: Religionsfreiheit für alle nicht mit uns.

Und dann werden Pseudoargumente zur Bodenbeschaffenheit fabuliert. Klar, überall im Bundesgebiet sind Tuchbestattungen möglich, nur nicht hier bei uns in Sachsen-Anhalt. - Entschuldigung, aber das ist komplett Quatsch.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Henriette Quade, fraktionslos)

Seien Sie wenigstens ehrlich, verehrte CDU, Sie wollen keine Zuwanderung, Sie können Migration nur als Problem denken. Willkommenskultur ist Ihnen fremd. Damit wollen Sie auch keine religiöse und kulturelle Vielfalt in Sachen Bestattung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Alexander Räuscher, CDU: Sie müssen einmal lernen zu differenzieren!)

Zu Lebzeiten nicht willkommen und im Tode auch nicht - das ist die Haltung der CDU gegenüber all den Mitmenschen und Mitbürgerinnen hierzulande, die eine Migrationsgeschichte haben. Politisch ist das einfach unterste Schublade.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch neuartige Bestattungsformen wie die Reerdigung bleiben auf der Strecke und stoßen dann weiterhin an die engen Grenzen unserer alten Gesetzeswerke. In Aschersleben wollte man diese neue Bestattungsform eigentlich im Sommer 2022 umsetzen, aber so einfach war und ist es nicht. Gesetzlich nicht möglich - so die Rechtsauffassung der Landesregierung, die sie in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Thema bestätigt hat.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Als naturnahe Bestattungsform, bei der der Leichnam mit Stroh, Blumen und Heu bedeckt wird und samt einem Substrat für 40 Tage in einen Kokon gepackt wird, an dessen Ende aus dem Leichnam fruchtbare Erde wird, spricht sicherlich einige Menschen an.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Ich weiß von der zuständigen Firma, dass auch Menschen aus Sachsen-Anhalt das schon für sich in Anspruch genommen haben.


Auch die von der FDP eingebrachte Diamantbestattung wird es dann wohl offiziell in Sachsen-Anhalt nicht geben.

(Andreas Silbersack, FDP: In der Ruhe liegt die Kraft! - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Ascheentnahmen für dieses Unterfangen sind weiterhin unrechtmäßig. Doch werte Kolleginnen und Kollegen, wir als Gesetzgeber haben nicht den Hauch eines Rechtes diesen Wünschen, diesen höchstpersönlichen Anliegen ein Riegel vorzuschieben. Ich bewerte das als klaren Widerspruch zur allgemeinen Handlungsfreiheit.

An den Gesetzentwürfen hängt aber so viel mehr. Es gilt, die Spurensicherung in Verdachtsfällen eines nicht natürlichen Todes zu verbessern. Es gilt, Grabsteine aus Kinderarbeit zu verbieten.

(Zurufe von Xenia Sabrina Kühn, CDU und von Guido Kosmehl, FDP)

Es gilt, den Sternenkindern gerecht zu werden. Es gilt, Menschen mit einer zeitlichen Verlängerung der Bestattungsfrist in der schwierigen Zeit nach dem Tod eines Angehörigen die nötige Ruhe einzuräumen, um bedacht Bestattungsort und Bestattungsform zu wählen. Es gilt, Angehörigen bewaffneter Organe eine längere Ruhezeit zu gewähren. Es gibt viele gute Gründe, endlich gesetzgeberisch tätig zu werden, aber es gibt keinen einzigen, untätig zu bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der Linken und von Henriette Quade, fraktionslos - Unruhe)

Jetzt einfach die Hände in den Schoß zu legen, verehrte CDU, ist der Ernsthaftigkeit des Themas einfach nicht angemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Henriette Quade, fraktionslos)

Hier wiederholt Reformen anzukündigen und in Aussicht zu stellen und dann auf den letzten Metern abrupt abzubremsen, ist das Gegenteil von politischer Verlässlichkeit. Wenn Sie sich als CDU-Fraktion    


Vizepräsident Wulf Gallert:

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie jetzt ausdrücklich darum, gerade bei diesem Thema   auch, wenn das nicht jeder so empfinden mag   wirklich einmal ein bisschen Contenance an den Tag zu legen. Das hier ist inzwischen unwürdig. - Machen Sie weiter, Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Wenn Sie als CDU-Fraktion sich nicht doch noch bewegen, dann wird die Lücke zwischen der Lebenswirklichkeit in unserem Land und dem gesetzgeberischen Regelwerk größer und größer. Mal sehen, wie lange Sie das Spiel der drei Affen   nichts sehen, nichts hören, nichts sagen   noch spielen wollen. 

(Oh! bei der CDU - Zuruf von Christian Hecht, AfD)

Ich finde, der schlechte Treppenwitz der Bestattungsnovelle ist unwürdig für viele, viele Menschen im Land, die ernsthaft darunter leiden. Das haben die Anhörungen hierzu sehr deutlich gezeigt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Hendrik Lange, Die Linke und von Henriette Quade, fraktionslos)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann sind wir soweit erst einmal durch. Es gibt eine Intervention von Herrn Ruland. - Herr Ruland, Sie haben das Wort, bitte sehr.


Stefan Ruland (CDU):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kollegin Lüdemann, ich war kurzzeitig geneigt, Sie zumindest dafür zu loben, dass Sie es nicht mehr Sargzwang bezeichnen, sondern als das, was es ist: eine Sargpflicht, die in vielerlei Hinsicht auch sinnvoll ist, außer bei Erdbestattungen. Aber Sie haben es relativ schnell geschafft, auch mit Ihrem Drei-Affen-Vergleich und Ihrem, ich sag einmal, liebevoll permanenten Reden wie Blinde von den Farben, mich davon zu überzeugen   Sie waren ja einmal bei uns in Bernburg im Bestattungshaus  , dass Sie gar nicht so richtig wissen, worüber Sie reden.

Und dann unterstellen Sie uns hier als größter Fraktion der Deutschland-Koalition, dass wir uns nicht bewegen, und dass diese Koalition in der achten Wahlperiode keine Bestattungsnovelle über die Bühne bringen wird. Dass das mit Kenia nicht geklappt hat, das kenne ich nur vom Hörensagen und das ist auch vorvergangene Zeit. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass das an der Farbkonstellation gelegen hat.

(Xenia Sabrina Kühn, CDU, lacht)

Jetzt haben wir ja eine andere, und ich bin fest davon überzeugt, dass die Zukunftskoalition, die Deutschland-Koalition in Sachsen-Anhalt auch noch eine Bestattungsnovelle auf den Weg bringen wird.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Lüddemann, Sie können reagieren.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich nehme zur Kenntnis, dass es eine weitere Beteuerung ist, das Bestattungsgesetz ändern zu wollen. Ich glaube das erst, wenn ich es sehe; Entschuldigung, seit dem Jahr 2003 wartet dieses Land auf eine Novelle.