Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Dr. Katja Pähle (SPD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt 15 Jahre her, dass sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat, Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Über die Konvention und auch über die unterschiedlichen Lesarten haben wir heute schon viel gehört. Ich glaube, es gibt tatsächlich viele Themen in der Politik, die durch sehr unterschiedliche Sichtweisen geprägt sind. Wir wissen, dass das Thema Inklusion dazugehört. 

Ich habe mit großem Interesse und auch mit großer innerer Zustimmung gehört, dass die Ministerin vom Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gesprochen hat. Das ist ein hohes Gut. Und ja, auch bei Kindern mit Behinderung gilt das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern. Erlauben Sie mir den Hinweis: Dieses Wunsch- und Wahlrecht gilt, egal um welche Schulform es sich handelt. Ob es die weiterführenden, die nicht weiterführenden oder die einschulenden Schulen sind, ist völlig egal. Das sollte immer auch Leitfaden für unsere Entscheidungen sein. 

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Inklusion ist ein Menschenrecht. Menschen mit Behinderung müssen nicht dankbar dafür sein, dass wir sie teilhaben lassen, sondern es ist ihr Recht, 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)

und genau auf dieses Recht müssen wir schauen, insbesondere wenn es um Kinder und Jugendliche geht. 

An dieser Stelle muss ich leider doch noch einmal auf Zahlen verweisen. Bei einem Vergleich der Bundesländer insgesamt ist festzuhalten, dass die Bundesrepublik beim Thema Inklusion jetzt nicht die Speerspitze der Bewegung bildet. In anderen, auch anderen europäischen Ländern - der Bildungsausschuss war in Irland - werden viele Sachen anders gehandhabt. Ich vertrete immer die Position, man darf nicht immer alles schwarz oder weiß sehen. Niemand darf denken, dass er die absolute Wahrheit für sich gepachtet hat, sondern es geht darum, was man lernen kann. 

Ich kann anhand der Zahlen nur sehen, dass wir mit einem Förderschüleranteil von 5,88 % über dem Bundesdurchschnitt liegen; der liegt nämlich bei 4,4 %. Ich kann auch sehen, dass wir mit einem Anteil von fast 39 % Schülerinnen und Schülern an den Förderschulen für Lernen und geistige Entwicklung dort einen besonderen Schwerpunkt haben. Es sind genau diese Schulen, die untercurricular unterrichten, an denen das Erlangen eines ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses tatsächlich mit einem großen Fragezeichen versehen ist. Bisher - das wird für die Förderschule Lernen jetzt geändert; das ist auch ein wichtiger Schritt - war es so, dass Schüler der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen den Hauptschulabschluss nur durch einen Schulwechsel erreichen konnten. Das ist auch eine Ursache für unsere hohe Schulabbrecherquote, mit der, glaube ich, niemand in diesem Hohen Haus oder in der Landesregierung zufrieden ist. 

Auch deshalb haben wir in unserem Koalitionsvertrag verabredet, dass wir die Einführung von Teilleistungszeugnissen insbesondere für die Förderschülerinnen und Förderschüler prüfen wollen. Warum? Weil wir wissen, in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels brauchen wir jeden und jede, und wir müssen in der Schule, aber vor allen Dingen auch danach immer den geeigneten Platz finden, an dem jemand seine Fähigkeiten und Talente einbringen kann. 

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn die Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in Halle es schafft, das „Berufswahl-SIEGEL“ zu erhalten und es auch zu verteidigen, bedeutet das, der Markt in Richtung Berufsausbildung ist auch für Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung offen. Das muss der Regelfall sein und darf keine Ausnahme bleiben. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Auch hierbei hilft es, nicht mit Schwarz-weiß-Bildern und auch nicht mit Schaum vor dem Mund in die Diskussion, sondern indem wir sagen: Was können wir lernen? Der Burgenlandkreis ist ein gutes Beispiel für einen inklusiveren Ansatz auch bei den Wechselmöglichkeiten zwischen Förderschule und allgemeinbildender Schule. Ich finde, das sind Beispiele, die wir viel mehr nach außen tragen müssen, und wir müssen andere ermutigen, daran teilzuhaben.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir müssen auch in den Schulen einen Paradigmenwechsel unterstützen, nicht durch Zwang, sondern durch Unterstützung und Begleitung. 

Deshalb halte ich es für sinnvoll und richtig, über diese verschiedenen Dinge im Bildungsausschuss und, mitberatend, im Wissenschaftsausschuss und im Sozialausschuss zu beraten; denn insbesondere die Einführung eines veränderten Studienprogramms für das Studium Lehramt an Grundschulen bedeutet nicht die Aufgabe des Studienprogramms Förderschule. Warum? Weil wir auch diese Fachkräfte an den Schulen brauchen. 

Ein guter Ansatz ist, Grundschullehrkräften von vornherein verstärkt Wissen zumindest in einem Förderschwerpunkt mitzugeben, damit sie diese Grundkompetenz im gemeinsamen Unterricht ab der 1. Klasse haben und wir den Eltern so ein gutes Gefühl geben, wenn sie sich für diesen Weg entscheiden. Ich glaube, die Kinder in der 1. Klasse grundsätzlich in den gemeinsamen Unterricht einzuschulen, ist immer der bessere Weg, nicht aber das Separieren schon ab der 1. Klasse. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Frau Dr. Pähle.