Jörg Bernstein (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Wehmut mag man an die Helden aus Kindertagen denken. Robin Hood nahm den Reichen und gab den Armen. Schaut man auf die immensen Probleme unserer heutigen Zeit, so mögen sich manche politischen Akteure solche Lösungsansätze zurückwünschen. Eine kleine Nebenbemerkung: Gleichheit schafft man übrigens auch, indem man alle gleich arm macht.
In Richtung der antragstellenden Fraktion DIE LINKE. Gewiss kann man immer mehr fordern. Alles aber sofort, wie am Sonntag durch den Kollegen Gallert, in der Luft zu zerreißen, halte ich nicht für seriöses politisches Handeln, auch wenn viele Ihrer Forderungen bereits aufgegriffen wurden. Der Staat wird nicht sämtliche Härten bei den Energiepreisen ausgleichen können, auch wenn wir uns das wünschen. Das von der Koalition in Berlin auf den Weg gebrachte Maßnahmenpaket ist selbstverständlich auch ein Kompromiss. Dass ein Schwerpunkt auf sozial schwache Haushalte gelegt wird, ist richtig. Das wurde auch von vielen Sozialverbänden so anerkannt.
Genauso wichtig und fair ist aber auch, dass die arbeitende Mitte der Gesellschaft substanziell entlastet wird. Aus meiner Sicht ist es allerdings auch ein Grundproblem der horrenden Preissteigerungen, dass viele Prozesse vom Anfang her und nicht vom Ende her gedacht werden. So war es bei der proklamierten Energiewende und nun auch bei der Verzichtserklärung gegenüber einem unserer bisherigen großen Energielieferanten. Gewiss ist nach Einschätzung von Experten der Verzicht auf russisches Gas möglich. Die Frage bleibt aber, zu welchen Konditionen das möglich ist. Durch das gesetzte Knappheitssignal treten neue Teilnehmer auf den Markt, die die Nachfrage zu höheren Preisen bedienen wollen. Durch die Medien ging in den letzten Wochen das Beispiel von Flüssiggaslieferungen aus den USA. Es war die Rede davon, dass für 60 Millionen US-Dollar Einsatz ein Gewinn von 210 Millionen US-Dollar winkt.
Ist hierzu nicht die Einschätzung richtig, dass unter Ausbeutung der Zwangslage unter Umständen auch der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Vertragspartners Vermögensvorteile gewährt werden, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen?
Das deutsche bürgerliche Recht definiert solche Rechtsgeschäfte als Wucher und damit als nichtig. Das hilft jetzt an der Stelle natürlich nicht weiter. Würde man allerdings nach Beispielen für Übergewinne suchen, so wäre dies für mich ein prädestiniertes Beispiel, zeigt es doch auf, wo in der Regel die Probleme bei der Erhebung einer Übergewinnsteuer liegen, z. B. im Sitz des Steuerschuldners. Es geht aus meiner Sicht noch nicht einmal so sehr um die Höhe des Übergewinns, den man auch dann vielleicht so bezeichnen sollte.
Zusammen mit Minister Richter und Kollege Dr. Schmidt war ich am vergangenen Mittwoch zu Gast beim Jahresverbandstag der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Der eindringliche Appell des Bundesvorsitzenden an uns als politische Vertreter war: Verhindert bitte die Übergewinnsteuer; sie ist nicht praktikabel und rechtskonform umsetzbar. Auch die Diskussion um die Abschöpfung von Zufallsgewinnen bei der Stromversorgung geht in eine ähnliche Richtung. Was sind Erlösobergrenzen? Wie definiert man Basisbedarfe von privaten Haushalten und KMU?
Ähnlichkeiten zu früheren Behörden wie der Staatlichen Plankommission der DDR werden hierbei ganz gewiss nicht beabsichtigt werden. Gewiss verschafft das an sich vernünftige, hier schon angesprochene Merit-Order-Prinzip aufgrund der hohen Gestehungskosten der Gaskraftwerke insbesondere im Moment den Erzeugern erneuerbarer Energien unverhofft hohe Gewinne. Schöpfen wir diese ab, wird aber ein negatives Signal an die Betreiber und Investoren gesetzt. Sind es nicht gerade die GRÜNEN, die den Ausbau der erneuerbaren Energien forcieren möchten? - Es liegt also nun am Bundeswirtschaftsminister, hierfür eine praktikable Lösung vorzulegen.
Definitiv stehen wir als Freidemokraten sogenannten Übergewinnsteuern skeptisch gegenüber. Vielleicht gelingt es ja auch der Europäischen Union, unerwünschte Nebenwirkungen und Widersprüche dieser Idee aufzulösen. Wunder gibt es bekanntlich immer wieder.
In Anbetracht der Zeit muss ich mich beim Thema Gasumlage kurzfassen. Ich persönlich sehe ein großes Problem darin, die Lasten tatsächlich allein auf deutsche Gasverbraucher zu verteilen, wobei Lösungen für absolute Großverbraucher hierbei noch gar nicht mitgedacht sind. Ansatzpunkt für meine Kritik ist unter anderem der Blick auf die Erlösstruktur des Uniper-Mutterkonzerns Fortum. Aus meiner Sicht ist hierfür die europäische Solidarität gefragt. Ein sehr interessanter Fakt ist das habe ich gerade im „Focus“ gelesen , dass Uniper als Platinsponsor bei einer Fachmesse in Mailand beteiligt war. Darüber könnte man auch einmal nachdenken.
Als FDP-Fraktion würden wir die Diskussion zu den Anträgen unter a) und unter b) im Finanzausschuss und unter c) im Umwelt- und im Wirtschaftsausschuss gern fortführen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der FDP und von Markus Kurze, CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Bernstein, insbesondere auch für die Überweisungsanträge. Herr Lieschke hat eine Frage. Wollen Sie diese zulassen?
Jörg Bernstein (FDP):
Wenn ich sie beantworten kann, dann gern.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Lieschke.
Matthias Lieschke (AfD):
Die können Sie bestimmt beantworten. Es ist klar, dass wir in Sachsen-Anhalt und generell in Deutschland in einer massiven Krise sind. Das ist völlig klar. Die Energiekosten explodieren in alle Richtungen. Wie fühlen Sie sich eigentlich gerade als FDP-Landespolitiker, wenn die Bundes-FDP solche Sachen beschließt, die eigentlich nicht zu der Politik hier auf der Landesebene passen? Fühlen Sie sich als FDP-Politiker eigentlich noch wohl mit Ihrer Führung im Bund?
Jörg Bernstein (FDP):
Welchen konkreten Beschluss meinen Sie?
Matthias Lieschke (AfD):
Die Ampel hat gerade Beschlüsse gefasst zur Gasumlage usw. Jetzt wird herumgedoktert mit anderen Geschichten, um das wieder auszugleichen, was dort verbockt worden ist, anstatt an die Ursachen heranzugehen.
Jörg Bernstein (FDP):
Ich sage Ihnen ganz einfach: Wenn ich frühmorgens nicht in den Spiegel schauen könnte, dann würde ich nicht mehr hier stehen. Das geht gerade noch ganz gut so.
(Zustimmung bei der FDP)