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Plenarsitzung

Transkript

Ich rufe auf den


Tagesordnungspunkt 6 

Beratung

Eine Fahrradstaffel für die Polizei Sachsen-Anhalts

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1021


Einbringer ist der Abg. Herr Striegel. - Herr Striegel, Sie haben das Wort.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! 

(Guido Heuer, CDU: Fahrradstaffel für Anwärter!)

Der Straßenverkehr ist ein zentraler Bereich städtischen Lebens. Sobald die Einwohnerinnen einen Fuß vor ihre Haustür setzen, nehmen sie meist schon direkt daran teil. So ist auch der Straßenverkehr in unseren Großstädten von einer enormen Vielfalt geprägt. Menschen bewegen sich zu Fuß, im Rollstuhl, auf dem Fahrrad, auf dem Skateboard, mit dem E-Scooter, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto. 

Umfragen aus den letzten Jahren zeigen, dass insgesamt mehr 40 % der Verkehrsteilnehmerinnen in Magdeburg und Halle ihre täglichen Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen. Die Stadt Halle geht sogar von einem weiteren prozentualen Anstieg der Fahrradfahrerinnen aus. Hinzukommen E-Scooter, die nun schon seit einiger Zeit zu unserem Straßenbild gehören und einen Baustein der letzten Meile in der Mobilitätskette darstellen.

Weder die Infrastruktur unserer Städte noch die polizeiliche Arbeit hat diese Entwicklungen bisher ausreichend in den Blick genommen. Es fehlt an gut ausgebauten Radwegenetzen, an geschützten Fahrspuren und vielem mehr. Verkehrspolitik ist zu oft autozentriert und ebenso steht es um die polizeiliche Arbeit, auch und nicht nur in Fragen der Verkehrssicherheit.

Zeitgemäße Polizeiarbeit muss unterschiedlichste Perspektiven einnehmen, auch und gerade die von schwächeren Teilnehmerinnen im Straßenverkehr. 

Wir alle kennen den Anblick, wie große Polizeiwägen in Magdeburg oder Halle durch Grünanlagen, am Flussufer entlang oder durch Fußgängerzonen rollen. Auch Sie werden diesen Anblick bspw. in der Zeit der Lockdowns sicherlich manchmal als absurd empfunden haben. Es stellt ein unnötiges Machtgefälle dar,

(Daniel Roi, AfD: In der Bahn!)

welches spürbar ist, wenn die Polizei in Kraftfahrzeugen durch verkehrsberuhigte Bereiche fährt und aus dem Auto heraus mit den Bürgerinnen interagiert.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht - Zurufe von der AfD)

Mit einem solchen autozentrierten Vorgehen beraubt sich die Polizei zudem umfangreicher taktischer Möglichkeiten, die sich durch Fuß und insbesondere durch Fahrradstreifen im städtischen Raum ergeben.

(Daniel Roi, AfD: Man kann aus dem Auto auch aussteigen!)

Die Einrichtung von Fahrradstaffeln ermöglicht der Polizei, den Bürgerinnen auf Augenhöhe zu begegnen und erleichtert die Kontaktaufnahme sowohl zu motorisierten als auch zu nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmerinnen. Das Ansehen und die Akzeptanz der Polizei können somit in der Bevölkerung weiter gesteigert werden. 

Eine Fahrradstaffel ist auch aus Verkehrssicherheitsgesichtspunkten wünschenswert. Zwar gehen die Unfallzahlen im Bundesgebiet insgesamt stetig zurück, doch trifft das eben nicht auf die Unfälle mit Beteiligung von Fahrradfahrerinnen zu; auch die Anzahl an Unfällen mit Fußgängerinnen verbleibt auf einem zu hohen Niveau. Steigende Kfz-Zulassungszahlen, der durch die Pandemie, die hohen Benzinpreise und die Notwendigkeit zum Umstieg auf klimaneutrale Fortbewegungsmittel beförderte Fahrradboom sowie die hinzukommenden E-Scooter lassen weiterhin keine Entspannung vermuten. Kommt es zu Unfällen mit diesen Verkehrsteilnehmerinnen unter Beteiligung von Kraftfahrzeugen, bleibt es eben fast nie bei einem Sachschaden, sondern führt oftmals zu leichten bis erheblichen Verletzungen und im schlimmsten Fall sogar bis zum Tod. 

(Zuruf von Daniel Roi, AfD) 

Das über die Jahre hoch bleibende Unsicherheitsgefühl von Fahrradfahrerinnen im Verkehr und ihr Gefühl der fehlenden Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer zeigen uns, dass dringender Handlungsbedarf besteht. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Sachsen-Anhalts Polizei hat diesen Handlungsbedarf erkannt und will mit Aktionstagen, wie „Mensch aufm Rad“ die Kontrolldichte zum Schutz von Radfahrenden erhöhen. 

(Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Striegel, warten Sie bitte einmal. - Ich sehe, dass es ein unmittelbares Interesse an diesem Thema gibt. Dieses Interesse - das ist meine Bitte - könnte vielleicht durch Zuhören zum Ausdruck gebracht werden und nicht durch Korreferate über mehrere Bänke hinweg. - Danke.

(Ulrich Siegmund, AfD: Das tut beim Zuhören weh dieser Genderquatsch!)


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Vielen Dank. Herr Präsident. - Ich komme noch einmal zurück auf die Aktionstage mit dem Titel „Mensch aufm Rad“. Wir sagen: Diese Kontrollen dürfen sich nicht auf Aktionstage beschränken und sie müssen stärker auf den Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen ausgerichtet werden.

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD) 

Noch immer adressiert eine Vielzahl der durchgeführten Polizeikontrollen ausschließlich die Radfahrenden selbst.

(Frank Bommersbach, CDU: Warum haben wir denn keine Reiterstaffel?)

Es fehlt der Fokus auf motorisierte Verkehrsteilnehmerinnen, die Radfahrende gefährden. Das Parken auf Geh- und Radwegen, im Kreuzungsbereich oder das riskante Überholen von Radfahrenden ohne ausreichenden Abstand sind Alltag in unseren Städten. Jeder, der selbst Rad fährt, kann davon ein tägliches Lied singen. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Radfahrerinnen sind alltäglich motorisierter Gewalt ausgesetzt. 

(Unruhe)

Die Fahrradstaffel kann hier gegensteuern. Sie kann Bürgerinnen das Gefühl vermitteln, gesehen und gehört zu werden. Der Perspektivwechsel hilft zudem der Polizei, einen besseren Überblick über die Gefährdungen und Bedürfnisse nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmerinnen zu erhalten. So können auch infrastrukturelle Defizite besser identifiziert werden. Die Polizei kann durch schwerpunktmäßige Präsenz an neuralgischen Verkehrspunkten und Kontrollen die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer verbessern. 

Auch die Ansprache zur Sensibilisierung für regelrechtes Verhalten vermag durch eine fahrradfahrende Polizei auf mehr Akzeptanz seitens der Fahrradfahrenden stoßen und das Image der Polizei in diesem Bereich verbessern. 

Aber auch abseits der Verkehrssicherung und der Steigerung der Sicherheit nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmerinnen bietet der Einsatz von Fahrradstaffeln Vorteile, z. B. bei der Begleitung von Demonstrationen. Hier bietet die Fahrradstaffel in gleicher Weise Nähe, Ansprechbarkeit und Agilität. Auch der mangelnden Ahndung von Fahrraddiebstählen, die noch immer zu einer hohen Unzufriedenheit von Fahrradfahrenden in Halle und Magdeburg beitragen, kann durch sichtbare Fahrradkontrollen begegnet werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Nach einiger Zeit vermag eine Fahrradstaffel zudem einen wichtigen Baustein im Bereich der allgemeinen Aufbauorganisation einzunehmen. In Kombination mit einem Funkstreifenwagen, der z. B. den Transport von Personen ermöglicht, bietet die Fahrradstaffel den Vorteil, schnell an Einsatzorten zu sein und nicht durch kleine Gassen, Fußgängerzonen und Grünanlagen abgehalten zu werden. Sie kann sich leise und weniger auffällig in Akutsituationen verdächtigen Personen nähern. Durch ihre Wendigkeit und Flexibilität kann sie auf unterschiedlichste Gefährdungsladen reagieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Frank Bommersbach, CDU: Damit die anderen schneller abhauen können!)

Bei einem Modellversuch zur Einführung einer Fahrradstaffel in Sachsen-Anhalt beginnend in Halle oder Magdeburg müssen auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit berücksichtigt werden. Das Scheitern der im Jahr 2002 auf den Weg gebrachten Fahrradstaffel mahnt, es fehlte damals sowohl an ausreichendem Personal - hier gab es in den vergangenen Jahren deutliche Verbesserungen - als auch an einer geeigneten Ausstattung für die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei. Bei der Detailkonzeption wollen wir deshalb auch die Erfahrung der zum Teil noch im Dienst befindlichen ehemaligen Angehörigen der Fahrradstaffeln berücksichtigen. Das fängt bereits mit der Kleidung an. Wer Polizistinnen aufs Rad setzt,

(Lachen bei der AfD)

muss Ihnen auch geeignete, wetterfeste und angepasste Kleidung zur Verfügung stellen. Ein Mountainbike Marke Baumarkt ist eben kein geeignetes Einsatz- und Führungsmittel. Uns schwebt eine Ausstattung der Fahrradstaffel mit sogenannten S-Pedelecs vor. Diese können bis zu 45 km/h schnell fahren und sind somit auch zur Nachverfolgung von Kfz im innerstädtischen Raum geeignet. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Selbstverständlich braucht es geeignete Instrumente, um bspw. die Einhaltung des seitlichen Abstands beim Überholen ahnden zu können. Eine Fahrradstaffel sollte deshalb im Modellprojekt auch Instrumente wie den Open-Bike-Sensor erproben können. Sachsen-Anhalt wäre mit der Einführung einer Fahrradstaffel in guter Gesellschaft. Es gibt sie bereits in zahlreichen Bundesländern. 

(Tobias Rausch, AfD: Berlin!)

Besonders erwähnen möchte ich die Fahrerstaffel in Niedersachsen. Hier wurde die Fahrradstaffel nach einer ersten erfolgreichen Modellprojektphase in Braunschweig auf unbestimmte Zeit verlängert und alsdann mit zwei weiteren Staffeln in Osnabrück und Hannover ausgebaut. Auf wichtige und gute Erfahrungen der Polizistinnen in Niedersachsen sollte zurückgegriffen werden; in Sachen Polizeiaufbau haben wir mit Niedersachsen eine Kooperation mit durchaus langer Tradition. 

Ein Modellprojekt in Halle und anschließend in Magdeburg stellt wichtige Weichen für eine moderne Polizei in Sachsen-Anhalt und ist ein Schritt in Richtung der „Vision Zero“-Strategie. Als solches erfordert das Projekt natürlich auch eine stete wissenschaftliche Begleitung und Evaluation.

Fahrradpolizistinnen sind nah bei den Menschen. Sie sind ganz im Sinne des Leitbildes der Polizei Sachsen-Anhalts jederzeit ansprechbar. Ich lade Sie herzlich ein, unserem Antrag zuzustimmen und damit einen Schritt in Richtung der Einrichtung einer Fahrradstaffel bei der sachsen-anhaltischen Polizei zu gehen. 

(Unruhe)

Ich freue mich auf einen regen und intensiven Austausch. Dass so viel Diskussionsbedarf besteht, wie gerade zu merken war, kann dafür einen ersten Anlass bieten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Striegel, es gibt eine Frage von Herrn Roi. Wollen Sie diese beantworten? 


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Ich will es zumindest versuchen. Wenn es ein sinnhafter Beitrag ist    

Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Roi, dann können Sie Ihre Frage erst einmal stellen. Er will es versuchen. 


Daniel Roi (AfD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Striegel, ich höre Ihnen immer aufmerksam zu. Es belustigt mich an manchen Stellen, aber um alles zu verstehen, frage ich noch einmal nach. Sie haben vorhin eine Fahrradstreife mit einer Fußstreife und mit einer Kfz-Streife verglichen. Dazu wollte ich nachfragen, ob Sie wissen, dass man aus einem Kfz auch aussteigen kann. Für mich ist das flexibler. Wenn ich nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad im innerstädtischen Bereich unterwegs bin, bin ich nicht so flexibel, als wenn ich mit dem Auto unterwegs wäre.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Sie haben gesagt, Sie könnten mit einem Fahrrad, das mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h fährt, auch Nachverfolgungen von Kfz vornehmen. Wenn ich mir überlege, dass es auch in den Städten Magdeburg und Halle zu Verfolgungsjagden kommt     Es gibt z. B. Fahrerflüchtlinge, die sich unerlaubt vom Unfallort entfernen. 

(Lachen bei der AfD)

Sie kennen sich damit aus.

(Zustimmung bei der AfD und bei der CDU) 

Daher stelle ich mir die Frage: Wie wollen Sie mit einem Fahrrad, das mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h fährt, jemanden ergreifen, der mit einem Kfz z. B. Fahrerflucht begeht? Ist das Politik zum Selbstzweck, damit Sie in Zukunft, wenn Sie Fahrerflucht begehen, nicht mehr gefasst werden? Oder wie soll ich das verstehen? Dazu hätte ich gern eine Erklärung. - Danke.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Herr Roi, ich hatte die leichte Hoffnung, dass es von Ihnen tatsächlich eine echte und sinnvolle Frage gibt. Aber es erweist sich einmal mehr, wenn man inhaltlich keine Ahnung hat, dann muss man ad hominem gehen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Wohin muss man gehen?)

Lassen Sie sich das einmal übersetzen. Herr Farle konnte noch Latein. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Sie sind jetzt besonders schlau oder was!)

An der Stelle kann ich nur eines sagen. Sie haben offensichtlich keine Ahnung von innerstädtischer Mobilität und kein Gefühl dafür, wie es ist, in diesen Räumen unterwegs zu sein.

(Guido Heuer, CDU: Sie haben keine Ahnung vom ländlichen Raum!)

Wenn Sie das hätten, wüssten Sie, dass mit einem S-Pedelec im innerstädtischen Bereich sehr wohl in die Nachverfolgung von Kfz gehen können. Das ist überhaupt kein Problem; Sie kommen heran. 

Es geht eben nicht darum, Herr Roi, flächendeckend in Sachsen-Anhalt Polizistinnen und Polizisten nur noch auf Fahrrädern unterwegs zu haben, sondern es geht darum, ein zusätzliches Einsatz- und Führungsmittel in die Polizeiarbeit in Sachsen-Anhalt einzubringen, das sowohl einen taktischen als auch operativen Vorteil für die Polizeiarbeit bietet. 

Ich lade Sie ein: Schauen Sie sich international und national um, wo entsprechende Fahrradstaffeln im Einsatz sind. Wenn Sie Polizei stärken wollen     Ich habe die AfD jedenfalls bei ihrer Selbstbeschreibung - das ist nicht die Realität - immer so erlebt, als wollten Sie die Partei der inneren Sicherheit sein. 

(Zuruf von der AfD: Oh!)

Wenn Sie das wirklich sein wollten, dann müssten Sie auf Fahrradstaffeln setzen; denn sie sind ein ergänzendes Einsatz- und Führungsmittel, das Sachsen-Anhalt sicherer macht. 

(Guido Kosmehl, FDP: Reiterstaffel! - Frank Bommersbach, CDU: Wenn, dann brauchen wir eine Reiterstaffel!)