Tagesordnungspunkt 3
Soziale Garantien gegen Energiepreisexplosion
Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/640
Zunächst hat für die antragstellende Fraktion, die Fraktion DIE LINKE, Frau Eisenreich das Wort. Bitte.
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Oktober und im November 2021 haben wir an dieser Stelle über die Preisexplosion debattiert. Bereits damals war absehbar, dass die Preise für Strom und Heizenergie weiter ansteigen werden. Inzwischen ist die Situation für die Menschen im Land in mehrfacher Hinsicht mehr als prekär.
Ein Beispiel: Eine Familie mit einem Durchschnittsverbrauch von 20 000 kWh Erdgas musste schon im Oktober 2021 etwa 1 402 € im Jahr ausgeben und damit rund 300 € mehr als im Vorjahr. Bei den Stromkosten kamen etwa 100 € mehr dazu. Das waren dann 1 255 € im Jahr. Für viele Familien mit geringem Einkommen ist das überhaupt nicht mehr bezahlbar. Damit wird Energie zum Luxusgut, das sich nur noch Gutverdienende leisten können, während immer mehr Menschen im Kalten sitzen müssen. Das ist absolut nicht akzeptabel.
(Beifall)
Wir fordern hierbei soziale Garantien des Staates. Wo bleibt aber die politische Handlungsfähigkeit in Bund und Land? Sichtbar wird sie nicht. Und die Menschen, insbesondere diejenigen mit geringem bis mittlerem Einkommen, wissen nicht mehr aus noch ein.
Andere Länder hingegen, wie Frankreich, Spanien, Italien und Tschechien, haben bereits seit Oktober 2021 Maßnahmen zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher umgesetzt bzw. angekündigt.
Aber Deutschland kommt weder auf Bundes- noch auf Landesebene so richtig aus dem Knick und lässt die Menschen im Stich.
(Beifall)
Dabei hat doch bereits im Oktober die Europäische Kommission die sogenannte Tool-Box geöffnet und den Regierungen ihrer Mitgliedsländer zahlreiche Maßnahmen in die Hand gegeben. Vorgeschlagen werden unter anderem Steuererleichterungen, Subventionen für kleine Unternehmen oder direkte Zahlungen für einkommensschwache Haushalte.
Dann machen wir für Deutschland doch einmal den Praxistest. Ja, die Bundesbauministerin Klara Geywitz hat angekündigt, dass finanzschwache Haushalte mit einer Einmalzahlung unterstützt werden sollen. Dabei geht es aber eben nur um Haushalte, die Wohngeld beziehen. Das bedeutet, dass alle jene, die zwar keine unterstützenden Sozialleistungen erhalten, aber dennoch wenig verdienen und aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit sind das sind in Sachsen-Anhalt bekanntlich nicht wenige leer ausgehen. Außerdem sind die vorgeschlagenen 135 € für einen Einpersonenhaushalt, die 175 € für einen Zweipersonenhaushalt und die 35 € für jede weitere im Haushalt lebende Person nicht einmal der Tropfen auf den heißen Stein.
(Beifall)
Sozialverbände sowie Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer gehen davon aus, dass in diesem Jahr für einen durchschnittlichen Haushalt weit mehr als 500 € mehr für Energie fällig werden. Dabei reden wir nur über die Kosten für Energie. Wir sehen deshalb eine direkte Zahlung in Höhe von 200 € pro Person in einkommensschwachen Haushalten kurzfristig als notwendiges Minimum an.
(Beifall)
Mittelfristig, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen endlich die Sozialleistungen erhöht werden. Die Erhöhung des Satzes für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II um 3 € ich wiederhole: 3 € hat doch keinerlei entlastenden Effekt.
(Beifall)
Diese Erhöhung ist verantwortungslos.
Seit Jahren werden die Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII eben nicht den realen Bedingungen angepasst, weshalb wir seit Langem die Erhöhung der Zahlungen für Strom fordern. In Anbetracht der derzeitigen immensen Kosten müssen die tatsächlichen Heiz- und Stromkosten vollständig übernommen werden.
Wir sagen: Energieversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge, und jede und jeder muss Zugang zu einer bezahlbaren Versorgung haben. Dies muss der Staat gewährleisten. Deshalb haben wir in unserem Antrag vom November konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Die Haushalte sollten ein kostengünstiges oder gar kostenloses Grundkontingent für Strom und Heizung erhalten. Das ist möglich, wenn dann die Tarife im hohen Verbrauch entsprechend steigen, statt wie bisher Vielverbrauch zu belohnen.
Eine Entlastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher würde auch eine Absenkung der Mehrwertsteuer bringen. Diese hat hinsichtlich des Klimaschutzes überhaupt keine Steuerungswirkung, denn es ist eine reine Verbrauchssteuer.
Schließlich profitiert auch der Staat von den derzeit sehr hohen Preisen über die Steuereinnahmen aus der Mehrwertsteuer, sodass eine Absenkung auch hieraus finanzierbar ist. Das wäre nur sozial und gerecht.
Darüber hinaus - auch das haben wir hier schon mehrfach diskutiert - ist auch die Stromsteuer in der Bundesrepublik endlich auf das von der EU zugelassene Niveau von 0,1 Cent pro Kilowattstunde zu senken.
Ich sagte bereits, dass wir das hier schon mehrfach diskutiert und auch gefordert haben, aber auf Bundesebene ist dazu bisher leider nichts passiert.
Zu den sozialen Garantien des Zugangs zu Energie und Heizung gehört auch, dass Strom- und Gassperren nun endlich gesetzlich verboten werden. Laut Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur für das Jahr 2020 wurden in Sachsen-Anhalt bei 10 688 Anschlussstellen Stromsperrungen vorgenommen. Auch wenn die Zahlen insgesamt in den letzten Jahren etwas rückläufig sind, bleibt das Problem, dass Menschen in einer schwierigen finanziellen Lage in die Situation kommen, ohne Strom und Heizung dazustehen. Das muss endlich gesetzlich unterbunden werden,
(Beifall)
weil gerade besonders schutzbedürftige Personen von solchen Sperrungen betroffen sind.
Wir schätzen an dieser Stelle alle Bemühungen kommunaler Energieversorger hoch ein, Stromsperren durch rechtzeitiges Eingreifen und intensive Beratung und Unterstützung, auch gemeinsam mit den Beratungsstellen, zu vermeiden.
Ein weiteres Werkzeug wäre übrigens auch die Deckelung des Strompreises. Wie gesagt: Andere Länder haben es vorgemacht. Nun werden hier gleich wieder paar ganz verschreckt aufschauen und sagen, dass dies ein Eingriff in den Markt wäre. Ja, ist es, aber der viel gerühmte Markt hat ja genau diese Preisexplosionen bei den fossilen Energieträgern verursacht,
(Zustimmung - Zuruf)
und im Übrigen nicht die Klimaschutzmaßnahmen wie die CO2-Steuer. Ich denke, dass es sich erübrigt, auf weitere Details einzugehen, da wir darüber auch hier schon diskutiert haben.
Interessanterweise ist ja gerade in der Diskussion im Wirtschaftsausschuss bekannt geworden, dass der Verband der Chemischen Industrie Deutschlands ganz klar einen staatlich festgelegten Strompreis fordert. Es ist also kein Teufelswerk, dies auch für die Menschen in der Bundesrepublik umzusetzen.
Insgesamt folgt diese Preisentwicklung der Logik der im Jahr 2007 vorgenommenen Abschaffung der staatlichen Strompreisaufsicht. Diese ist unbedingt wieder einzuführen, um Marktmachtmissbrauch, Manipulationen am Strommarkt und andere leistungslos erzielte und preistreibende Extraprofite sowie willkürliche Preisanstiege zu verhindern.
(Beifall)
Denn wer muss denn aktuell neben den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Orientierung auf Börsenpreise und kurzfristige Geschäfte ausbaden? - Das sind die kommunalen und regionalen Energieversorgungsunternehmen, die zur Grundversorgung all jener verpflichtet sind, deren bisherige Energieversorger sich verzockt haben, nun bei den hohen Einkaufspreisen nicht mehr mithalten können und Insolvenz anmelden.
Und ja, die Tarife für die Grundversorgung liegen höher als für langjährige Kundinnen und Kunden. Das haben die Energieversorger in der Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft, Energie, Klima und Umwelt bestätigt und damit begründet, dass sie über langfristige Vertragslieferungen hinaus nunmehr auch mehr Strom und Gas zu den jetzt sehr hohen Preisen zukaufen müssen.
Trotzdem: Nachvollziehbar sind manche dieser Preisunterschiede, wie in den letzten Tagen auch in den Medien bekannt geworden ist, nicht. Das Grundproblem ist doch, dass jetzt die Konsequenzen der Verwerfungen des Marktes auf die kommunalen Unternehmen abgewälzt werden. Auch hierdurch wurden wieder Gewinne privatisiert, aber die Verluste muss die Gesellschaft bezahlen. Hierbei braucht es, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine grundlegende Veränderung. Die Sicherstellung der Daseinsvorsorge darf nicht den Kräften des Marktes überlassen werden; denn diese garantieren sie nicht.
(Beifall)
Aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE gibt es eine ganze Reihe weiterer kurzfristiger Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Folgen hoher Energiepreise und zur Sicherstellung der gesellschaftlichen Teilhabe der Menschen.
Wir müssen aber auch langfristig denken. Langfristig müssen die erneuerbaren Energien endlich massiv ausgebaut werden, statt auf fossile Energieträger zu setzen. Fossile Subventionen müssen abgebaut werden. Auch eine sozialökologische Steuerreform ist zwingend erforderlich.
Es gibt also eine ganze Reihe an Stellschrauben, um die Menschen finanziell zu entlasten; nur, an diesen muss nun endlich auch mal gedreht werden, und zwar sowohl im Land als auch im Bund. Deshalb sehe ich gespannt auf die heutige Debatte und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)