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Plenarsitzung

Transkript

Olaf Meister (GRÜNE): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! KI ist eine faszinierende Technologie mit noch immer kaum absehbaren Möglichkeiten, Konsequenzen, aber auch Gefahren. In vielen Bereichen ist KI wirklich disruptiv.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Kaum ein Bereich unseres Alltags und unserer Wirtschaft wird von den Auswirkungen unberührt bleiben. Es wird oftmals kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Arbeitsweisen in so unterschiedlichen Bereichen wie Verwaltung, Medizin, Kreativwirtschaft oder Bauplanung, um willkürlich einige Branchen zu nennen, werden in Kürze nur noch wenig mit der Arbeit von vor einigen Jahren zu tun haben. Vergleichbar ist der sich bereits vollziehende Umbruch vielleicht am ehesten mit der Einführung der Elektrizität in unserer Gesellschaft.

Auch Bereiche, in denen man sich vor Kurzem noch sicher war, dass es aus technischen Gründen keine maschinellen Lösungen geben kann, stehen plötzlich vor ungeahnten Umbrüchen. Das geht uns Juristen so. Ich dachte immer, wir sind davon völlig frei; niemand wird etwas programmieren, das eine Klageschrift erstellt. Wenn man sich heute eine KI anguckt, dann kann man sich gut vorstellen, dass sie sehr gute Klageschriften erstellen kann, weil sie Zugriff auf die gesamte Rechtsprechung und auf Gesetzestexte hat, weil sie weiß, welches Gericht zuständig ist und wie dieses geurteilt hat. Das ist verrückt. Das hätte man sich vor einiger Zeit noch nicht vorstellen können.

Es ist auch zu erwarten, dass die wissenschaftliche Forschung, die Vermehrung des Wissens radikal an Geschwindigkeit zulegt mit kaum abzuschätzenden Ergebnissen.

Anwendungen künstlicher Intelligenz stecken mittlerweile in vielen Alltagsanwendungen wie Kartendiensten, ohne dass wir es wissen. Tätigkeiten werden sich mittelfristig von der tatsächlichen Ausübung bestimmter Arbeitsvorgänge auf die Beaufsichtigung der neuen Technologien bei der Arbeitsausführung verlagern.

Was ich sagen will: Wenn „DeepSeek“ im „MZ“-Test aussagt, Reiner Haseloff wäre ein deutscher Schauspieler und Sänger, dann darf man durchaus noch Skepsis haben

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und sollte vielleicht, wenn man das als Journalist irgendwo schreiben möchte, noch einmal nachschauen.

Die Implikationen der neuen Technik werden so umfassend sein, dass an deren Ende KI normal und im Alltag so integriert sein wird, dass sie nicht mehr wegzudenken sein wird. Ich hatte neulich eine Geschichte aus dem Kindergarten gehört. Ein zweijähriges Kind kommt in den Raum und sagt: Alexa, mach das Licht an. - Völlig normal. Der Racker wächst so auf, das ist eine normale Geschichte. Das wird das Leben der nächsten Generation ganz normal prägen.

KI wirkt nicht nur auf unsere Arbeitswelt, sie wirkt auch auf die Gesellschaft an sich, auf die Art, wie wir kommunizieren, wie wir uns informieren, wie wir Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit führen. Oder, um es negativ zu formulieren, es gibt völlig neue Möglichkeiten der Manipulation, der Erzeugung von Falschnachrichten, der Gefahr einseitiger Sichtweisen, aber auch der Überwachung, und das durch staatliche Akteure, aber auch durch private. Das Missbrauchspotenzial ist enorm.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ist schon ziemlich gruselig, die Machtkonzentration in der Hand nicht gewählter Personen wie eines Elon Musk zu sehen, entstehend aus der Kombination von bizarrem Reichtum, enormer hieraus resultierender medialer Macht und sich daraus ableitendem auch administrativen Einfluss. Reichtum in Kombination mit KI in den Händen solcher Leute, wohin steuern wir?

Wenn man die demokratische Gesellschaft vor dem Hintergrund dieses Missbrauchspotenzials schützen will, dann muss man ihre ethischen Grundlagen schützen. Für eine Technologie, die das Potenzial hat, so tief in unser Zusammenleben einzugreifen, brauchen wir auch vereinbarte Regeln. Schon von daher ist es richtig, die künstliche Intelligenz mit intelligenter Regulatorik zu begleiten. Entsprechend dem Charakter der Technologie sollte sie international sein. Europa ging jetzt voran.

In der Begründung der Aktuellen Debatte stutzte ich bei den Worten „unnötige Regulation“. Was mag das heißen?

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Natürlich sollte man unnötige Regulation vermeiden. Völlig klar, sie behindert und bremst. Aber was ist in diesem Sinne unnötig? Ich wäre mit der Antwort vorsichtig. Sie wird sich auch je nach Situation verändern. Die Annahme, eine Regulatorik wäre an sich hinderlich, wäre einerseits eine gewisse Selbstaufgabe des eigenen politischen Anspruchs und andererseits auch wirtschaftspolitisch zu kurz gedacht.

Mit der EU-Verordnung werden rechtliche Grenzen rund um KI gesetzt. Als verbindliches KI-Gesetz der EU wurden damit für alle Branchen und für den Staat Regeln geschaffen, soweit heute möglich. Sie müssen aber ständig hinterfragt und an die neue Situation angepasst werden.

In den USA existiert derzeit kein umfassendes Bundesgesetz, das die Entwicklung von KI reguliert oder deren Einsatz konkret regelt. Mit unserem einheitlichen Rahmen sind wir besser aufgestellt, statt schlechter. Wir setzen auf KI „Made in Europe“, die europäische Werte schon bei ihrer Entwicklung berücksichtigt und Wertschöpfung hier hält. Das ermöglicht es uns, transparente KI-Systeme zu etablieren, die ethischen und rechtlichen Grundlagen folgen.

Noch internationalere, ja, weltweite Regelungen wären natürlich besser. Dass wir aber z. B. mit China, das die Technologie begeistert nutzt, um seine eigenen Bürger hautnah zu kontrollieren, auf gemeinsame Punkte kommen, erscheint mir angesichts gänzlich anderer Werte unwahrscheinlich. Der Weg der USA ist noch schwer abzuschätzen. Ein Abschied aus unserer Wertegemeinschaft deutet sich aber aktuell leider an.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es geht nicht nur um die Anbietenden von KI-Anwendungen, sondern auch um die Mittelständler, die mit ihren Daten KI-Anwendungen nutzen wollen. Sie werden ihre Daten nur unter einem klaren Rechtsrahmen aus der Hand geben wollen. Wirtschaft und Industrie brauchen KI, aber die KI braucht auch die Daten der Industrie, um in konkreten Fach- und Detailbereichen arbeitsfähig zu sein. Oftmals ist dieses Detailwissen Teil des Geschäftserfolgs und Geschäftsgeheimnis. Ein leichtfertiger Umgang damit schließt sich aus. - So viel zum verantwortungsvollen Risikomanagement.

Richtig ist es, die Chancen ebenso im Blick zu behalten und auch ambitioniert zu nutzen. Ministerpräsident Wüst hat beim NRW-KI-Gipfel in der vergangenen Woche von seinen Gesprächen mit Microsoft über Investitionen in Höhe von 3,2 Milliarden € in die KI-Infrastruktur und in Cloud-Kapazitäten im Rheinischen Revier berichtet. Welchen Strom möchte Microsoft für den Betrieb beziehen? - Grünen Strom wollen sie nutzen. Das hätte gerade Sachsen-Anhalt zu bieten. Das große Telekom-Rechenzentrum in Biere und dessen Zwilling in Magdeburg werden übrigens zu 100 % mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir werden diese saubere Energie brauchen - KI statt Kohle. Wir haben Potenzial, am besten gleich hier im Land, da wir auch netztechnisch mit dem Anschluss der energiehungrigen Rechenzentren nicht schlecht aufgestellt sind.

Was können und müssen wir sonst auf Landesebene tun, um die Disruptivität als Chance für unsere Wirtschaft zu nutzen? Die Antwort ist durchaus ähnlich der, die wir auf Fragen nach anderen Technologien geben oder geben sollten: Förderung der Forschung, Ausbau der Digitalisierung, Förderung von Existenzgründungen, d. h. z. B. auch staatliches wie privates Wagniskapital. Gerade beim Wagniskapital sieht man, dass wir in Europa schlechter aufgestellt sind als andere Märkte, die USA oder China.

Vor allem braucht es auch gute Rahmenbedingungen, Offenheit für Menschen, egal, woher sie kommen, mit neuen Ideen, denen wir offen gegenüberstehen. Beides ist leider nicht selbstverständlich. Wir hatten gestern eine Diskussion, in der das ethisch Reine gefordert wurde. Das passt nicht in so eine Zeit.

Einiges ist schon auf dem Weg. Dazu gehören auch unsere Hochschulen. Der Bachelorstudiengang und auch das Profilstudium „Künstliche Intelligenz“ hier in Magdeburg weisen den Weg. Lehre und Forschung an unseren Hochschulen und Universitäten müssen aber auch darüber hinaus mit dem sich sehr schnell wandelnden Wissensstand mithalten. Das ist nicht einfach und kostet schlicht auch Geld.

Die neue Technik wird nur so gut sein, wie sie aktiv gestaltet wird. Dafür braucht es zum Glück auch weiter interessierte Menschen, aber auch Politik und kritische Auseinandersetzung damit. KI-Systeme sind kein Selbstzweck.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

KI birgt auch die Chance auf Nachhaltigkeit. Im ausgereiften Stadium der Technologie sollte sie dazu beitragen, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen auskommen und nicht die Ressourcen künftiger Generationen verbrauchen.

Um Erfolg zu haben, müssen wir im Kern offen sein für Menschen, für Ideen. Wie schwer das vielen fällt, erleben wir hier bei jeder zweiten Debatte. Wenn ich gestern die Debatte zum preußischen Klassizismus erlebt habe, dann ist das ein Widerspruch zu dem, was tatsächlich in der Zeit anliegt.

(Unruhe bei der AfD)

Wir müssen diese Gedanken überwinden und tatsächlich nach vorne schauen. Dazu rufe ich auf. - Vielen Dank für die Aktuelle Debatte. Danke.