Elrid Pasbrig (SPD):
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Zahlen erschüttern und sie rütteln wach. Wir haben sie heute hier schon mehrfach gehört. Aber wir hatten schon die Statistik von 2022 und die Statistik von 2020. Ich habe hier die Zahlen für das Jahr 2021 aufgeschrieben bekommen. Sie unterscheiden sich nicht großartig, aber es schadet offensichtlich nicht, sie immer wieder zu nennen.
Jede vierte Frau, egal welchen Alters, welcher sozialen Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit, wird einmal in ihrem Leben von ihrem Partner oder Ex-Partner im häuslichen Umfeld körperlich misshandelt. Das ist eine furchtbare Zahl.
(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Im Jahr 2021 sind 113 Frauen aufgrund von Gewalt durch ihre früheren Partner verstorben. Das heißt: An jedem dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder ihres Ex-Partners. Darunter sind viele Frauen, die eben nicht rechtzeitig in eine geschützte Umgebung flüchten konnten.
Im Jahr 2021 gaben mehr als 143 000 Frauen an, Opfer von häuslicher oder partnerschaftlicher Gewalt gewesen zu sein. Im letzten Jahr wurden 7 329 Personen Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt in Partnerschaft oder Familie. Das ist ein besorgniserregender Anstieg um 9,6 % gegenüber dem Vorjahr. 70 % der Betroffenen sind Mädchen und Frauen. Und das, meine Damen und Herren, sind nur die Zahlen, die zur Anzeige gebracht wurden. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
Häusliche Gewalt hat viele Gesichter und beginnt meist mit verbalen Herabsetzungen und Beleidigungen, emotionalen Ausbrüchen, Beschädigung von Eigentum, Bedrohung oder Androhung von körperlicher Gewalt, Kontaktunterbindung, Beeinträchtigung der eigenen Bewegungsfreiheit oder Verboten, das Haus oder die Wohnung zu verlassen, Kontrolle der Kommunikation und der eigenen Angelegenheiten bis zu hin zu körperlichen und sexuellen Übergriffen oder auch Belästigungen und Stalking.
Dass Frauen und oft auch Kinder Gewalt zu Hause erfahren, ist besonders erschütternd; denn die eigene Wohnung oder das eigene Haus sollten ein Ort der Geborgenheit, des Rückzugs und des Schutzes sein. Hinzu kommt, dass Gewalt von einem Menschen ausgeht, der Vertrauen genießt, der geliebt wird und dem man nicht räumlich ausweichen kann. Es sind in der überwiegenden Anzahl männliche Personen, die Gewalt gegen Frauen und Kindern ausüben.
(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Wenn betroffene Frauen es schaffen, sich vom gewalttätigen Partner zu lösen und den schweren Schritt zu gehen, das eigene Zuhause zu verlassen und Schutz zu suchen, finden sie diesen in den Frauenhäusern. Wir haben in Sachsen-Anhalt 19 Frauenhäuser mit 121 Plätzen, die unterschiedlich groß sind. Sie stehen betroffenen Frauen und ihren Kindern rund um die Uhr und das ganze Jahr über zur Verfügung. Die Frauenhäuser sind Schutzhäuser. Sie bieten Frauen und Kindern kurz- oder längerfristig Unterkunft und Schutz vor Gewalt.
In den Häusern arbeiten ausgebildete Sozialpädagoginnen, die unterstützen und beraten. Jede von Gewalt betroffene Frau benötigt in dieser extrem belastenden Situation alle Unterstützung. Die Frauen und Kinder bekommen in den Frauenhäusern eine stabilisierende, sichere und angstfreie Umgehung, um für sich und ihre Kinder einen Weg in ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben zu finden. Jede dieser Frauen hat es verdient, ein gewaltfreies Leben zu führen.
(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Die Koalitionspartner haben Folgendes vereinbart: Wir werden die bestehenden Strukturen als wohnortnahe Unterstützungsangebote stärken, bedarfsgerecht ausbauen und institutionell fördern. Hierzu werden wir die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der inhaltlichen Arbeit in den Frauenhäusern und deren ambulanten Beratungsstellen anpassen.
Das, meine Damen und Herren, wird Schritt für Schritt seit dem Beginn der Legislaturperiode umgesetzt. Bereits im letzten Jahr erfolgten die tarifgerechte Bezahlung der Kolleginnen in den Häusern und die Erhöhung der Mittel für Dolmetscherleistungen. Die ambulanten Beratungsstellen wie Vera - Fachstelle gegen Frauenhandel und Zwangsverheiratung , aber auch die Arbeit der Liko, der Landeskoordinierung der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, wurden gestärkt.
Den nächsten Schritt vollziehen wir mit diesem Antrag, mit dem wir den Frauenhäusern zusätzliche Mittel für die Hauswirtschafterinnen und für das Gebäudemanagement zur Verfügung stellen wollen. Denn bisher haben diese Arbeiten, etwa das Herrichten der Räume, die Reinigung und Pflege des Inventars sowie kleinere Reparaturen etc., die Sozialpädagoginnen quasi nebenbei erledigt. Das war und ist Arbeitszeit, die für Beratung und Unterstützung der betroffenen Frauen fehlt. Das sind Arbeiten, die eigentlich auch nicht ihr Job sind.
Daher soll es zusätzliches Personal für den Hauswirtschaftsbereich geben, damit sich die Sozialarbeiterinnen auf das konzentrieren können, was sie am besten können: beraten, unterstützen und begleiten.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Pasbrig, kommen Sie bitte zum Ende.
Elrid Pasbrig (SPD):
Dieser Vorgriff auf den kommenden Haushalt und die Haushaltsverhandlungen ist dringend notwendig. Ich bitte deswegen um Ihre Zustimmung zum Antrag. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Einen Augenblick, Frau Pasbrig. Es gibt eine Nachfrage, wenn Sie die zulassen, und zwar von Frau von Angern.
Elrid Pasbrig (SPD):
Bitte.
Eva von Angern (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Frau Kollegin Pasbrig, Sie haben jetzt nicht genug Zeit gehabt. Deswegen räume ich sie Ihnen durch meine Nachfrage ein. Wie gehen Sie denn mit unserem Änderungsantrag um? Ich habe ihn begründet und habe deutlich gemacht: Die Zahl der Klientinnen ist von 80 im Monat auf 130 im Monat gestiegen, bei den Personalstellen in der Interventionsstelle für häusliche Gewalt und Stalking in Halle ist es aber bei zwei geblieben. Wie gehen Sie damit um? Wie werden Sie dabei aktiv werden?
Elrid Pasbrig (SPD):
Liebe Frau von Angern, ich bin an dieser Stelle ganz ehrlich: Mein Zitat aus dem Koalitionsvertrag beinhaltete auch die Stärkung der Interventionsstellen. Das steht im Koalitionsvertrag, und ich gehe ganz stark davon aus, dass das so kommt. Unser heutiger Antrag bezieht sich aber, wie Herr Pott schon sagte, auf die Hauswirtschafterinnen und deren Finanzierung. Das ist der nächste Stepp, den wir uns vorgenommen haben. Seit dem Beginn der Legislaturperiode stärken wir die Frauenhäuser schrittweise. Wie gesagt, lassen Sie uns in diesem Schritt die Hauswirtschafterinnen beschließen. Ich bin mir ganz sicher mit Verweis auf den Koalitionsvertrag , dass die Fachpolitikerinnen sich die Interventionsstellen als Nächstes vornehmen werden. - So viel heute dazu.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)