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Plenarsitzung

Transkript

Kerstin Godenrath (CDU): 

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der 9. Oktober 2019 hat die Stadt Halle verändert, und er hat unser Land verändert. Ich selbst kann mich noch sehr gut an diesen Tag erinnern. Das ist einer jener Tage, die sich wahrscheinlich für immer ins Gedächtnis gebrannt haben. 

Was dieser Tag offensichtlich noch nicht geschafft hat, ist - wenn ich an einige Eingangsstatements denke - die Debattenkultur in diesem Haus zu beeinflussen. Ich wünsche mir einfach, dass wir bei diesem Thema sachlich und respektvoll miteinander umgehen und bedenken, was Angehörige und Betroffene empfinden, wenn sie solche Diskussionen im Plenum verfolgen. 

(Beifall bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ich muss ohne jede Einschränkung sagen, dass für mich und für die regierungstragenden Fraktion das Entsetzen über die Ereignisse in Halle und in Wiedersdorf nach fünf Jahren nach wie vor unverändert ist, dass wir mit den Familien und Freunden um Jana L. und Kevin S. trauern und an all diejenigen Menschen denken, den dieser Tag nur Furchtbares gebracht hat, an jene, die von dem Attentäter während seines Fluchtversuchs in Wiedersdorf verletzt wurden, an jene, die über Stunden in der Synagoge in Halle ausgeharrt haben und nicht wussten, ob sie diesen Tag überleben - und dies nur, weil sie Juden sind.

Wir nehmen mit Bestürzung und auch mit Wut zur Kenntnis, dass antisemitische Äußerungen und Taten in diesem Land wieder stark zunehmen. Insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 sehen wir offenen Antisemitismus auf den Straßen in Deutschland. Wir müssen erleben, dass öffentlich das Existenzrecht Israels in Zweifel gezogen wird und unsere jüdischen Mitbürger massiven Anfeindungen ausgesetzt sind. Wir müssen erleben, dass Gedenktafeln, Stolpersteine, die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, aus dem Boden gerissen und gestohlen werden. Meine Damen und Herren, das das ist eine Schande.

(Beifall bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir müssen auch erleben, dass auf öffentlichen Straßen und Plätzen antisemitische Demonstrationen stattfinden und dass auch Menschen, die vorgeben, bei uns Schutz zu suchen, öffentlich gegen jüdisches Leben skandieren. Das können und dürfen wir nicht tolerieren; denn das ist es keine Meinungsfreiheit mehr, das ist blanker Hass.

(Beifall bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dass das mitten in Deutschland passiert, mitten in unserem Land, ist unfassbar; denn wie unser Bundespräsident vor wenigen Tagen feststellte: Deutschland sollte nach dem Nationalsozialismus jeden Tag dankbar dafür sein, dass jüdische Gemeinde auch hier wieder ihre Feiertage begehen. Viele unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger fühlen sich nicht mehr ausreichend geschützt, nicht mehr sicher in Deutschland. Ihre Alltagserfahrungen machen sie unsicher und sie fragen sich, ob die seit Jahren und Jahrzehnten wiederholten Versprechen an die jüdische Bevölkerung auch morgen und übermorgen noch gelten werden oder ob der Staat und die Zivilgesellschaft dabei zusehen, wie judenfeindliche Äußerungen in der Öffentlichkeit sagbar werden, wie Hasskriminalität und antisemitische Straftaten zunehmen. 

Für die CDU-Landtagsfraktion muss ich mit aller Vehemenz festhalten: Genau das darf niemals passieren. Unser Land hat eine besondere Schutzverantwortung für jüdische Menschen und damit auch wir als Landtagsabgeordneter, als die Vertreter des ganzen Volkes mit einem Mandat zur Gestaltung des öffentlichen Lebens.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Jüdinnen und Juden um ihre Sicherheit fürchten müssen. 

(Beifall bei der CDU)

So sollten wir alles tun, um die Zugehörigkeit des jüdischen Lebens und unser aller Solidarität noch sichtbarer zu machen, um Schutz und Sicherheit zu gewährleisten und um verlorenes Vertrauen so gut es eben geht wiederherzustellen. 

Durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 herrscht größere Unsicherheit als jemals zuvor. Das ist umso schmerzlicher, weil es nämlich die Anstrengungen und Bemühungen der vergangenen Jahre versucht in den Schatten zu stellen. Denn mit großer Unterstützung des Landtags hat die Landesregierung unter unserem Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt bestärkt und gefördert. 

Ich will an dieser Stelle einige wenige Beispiele nennen, um zu zeigen, wie wichtig es uns ist und war, jüdischem Leben einen sichtbaren Platz in unserem Land zu geben. Im Jahr 2019 beauftragte der Landtag die Landesregierung, eine Gesamtstrategie zur Stärkung des jüdischen Lebens vorzulegen. Damit war Sachsen-Anhalt das erste Bundesland in Deutschland, das diese Gesamtstrategie im Jahr 2020 vorgelegt hat. 

Im Jahr 2023 wurden zwei neue Synagogen, und zwar in Magdeburg und in Dessau, eingeweiht. Auch hier ist die jüdische Gemeinschaft ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Im Jahr 2021 wurden die jüdischen Kulturtage von der Staatskanzlei und dem Kultusministerium unter der Trägerschaft des Leopold-Zunz-Vereins in Halle ausgerichtet. 

Seit dem Jahr 2020 wurden für die Sicherung jüdischer Einrichtungen vom Land Mittel in Höhe von fast 9 Millionen € zur Verfügung gestellt. Wir haben mittlerweile einen Antisemitismusbeauftragten, der seine Aufgabe sehr ernst nimmt. Wir haben eine Beratungsstelle, deren Projekt Community basierte Interventionen mittlerweile fester Bestandteil des Beratungsnetzwerkes in Sachsen-Anhalt ist. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, welche Kraftanstrengungen das Land bis zum heutigen Tage unternommen hat. Diese Aufzählung war nicht abschließend. Wir sind heute besser aufgestellt als vor fünf Jahren. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Hasskriminalität schadet unserem Land, schadet unseren Bürgern. Wir müssen alles tun, um uns dagegen zu wehren. Wir müssen uns dem entgegenstellen. Wir werden das nicht dulden. Wir werden das konsequent bekämpfen. 

Ich bin unseren Sicherheitskräften für ihre stete Wacht, ihren kontinuierlichen Dienst für die Sicherheit unserer jüdischen Mitbürger und auch für die gute Kommunikation mit den jüdischen Gemeinden sehr, sehr dankbar. 

(Zustimmung von Alexander Räuscher, CDU, und von Angela Gorr, CDU)

Ich bitte Sie: Lassen Sie uns gemeinsam als alles tun, um für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus einzutreten - entschlossene und handlungsbereite Gesellschaft, die ganz deutlich sagt: Wer jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt angreift, der greift uns alle an. Dem stellen wir uns entschieden entgegen. - Vielen Dank.