Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lage ist ernst, sie ist tatsächlich sehr ernst. Wir haben eine Energiekrise, wie wir sie wahrscheinlich noch nie hatten, zumindest diejenigen, die hier im Raum sitzen. Das ist etwas, das man nicht beschönigen kann. Doch vor allem sollte das nicht für eigene politische Interessen instrumentalisiert werden.
Es ist eine Zeit, in der auch Parteien zusammenrücken müssen, in der die Öffentlichkeit zusammenrücken muss und in der wir als Politik gefragt sind, gemeinsam Lösungen zu finden. Bei den Wortbeiträgen stelle ich fest, dass Selbiges eben nicht passiert. Man versucht, die Dinge ideologisch auszuschlachten, und dafür haben wir keine Zeit.
Es ist tatsächlich so, dass wir eine Situation haben, in der die Menschen Angst haben, ob es Rentner sind, die Mittelschicht oder Studierende, das ist egal. Alle treiben Sorgen um. Da sind die Häuslebauer, die keinen Kredit mehr bekommen bzw. Angst haben, einen Kredit aufzunehmen. All das sind Fragen, die mittelbar oder unmittelbar mit dieser Energiekrise zu tun haben. Wir haben eine Inflation, die steigt. Wir haben eine Gesamtsituation, die tatsächlich schwierig ist.
Zusammenrücken bedeutet auch, dass es nicht von links oder von rechts heißt, wir müssen jetzt Untergangsszenarien beschreiben, sondern unsere Aufgabe und unsere politische Verantwortung besteht darin, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das unterscheidet uns wahrscheinlich von denjenigen, die schreien: Armageddon! Der Tag des Untergangs naht!
Wer das tut, der vergeht sich an den Menschen in diesem Land, meine Damen und Herren. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Das, was an berechtigten Ängsten vorhanden ist, erfährt eine Dynamisierung. Das heißt, wenn man das, was als berechtigte Angst vorhanden ist, als Politiker noch multipliziert, dann ist das für die Menschen kaum noch erträglich. Insofern ist es verständlich, dass sie sich öffentlich zur Wehr setzen, dass sie fragen: Was passiert mit uns? Sie wollen Klarheit.
Die einzig richtige Antwort in diesen Momenten, in denen die Gesellschaft tatsächlich an der Grenze steht, ist es, verantwortungsvolle Politik zu betreiben und den Menschen Antworten auf diese Fragen der Krisen zu geben. Das ist das, was die Menschen auf der Straße, in den Läden, in den Unternehmen, in den Schulen von uns erwarten und erwarten dürfen. Deshalb darin gebe ich dem Kollegen Gallert recht ist es wichtig, dass dieses Haus diese Verantwortung wahrnimmt und diese Debatte nicht ausschlachtet, um einen politischen Vorteil zu gewinnen.
(Ulrich Siegmund, AfD: Was ist denn Ihre Antwort?)
- Das kommt gleich. - Deshalb ist es gerade an der Bundesregierung, zu schauen, was sie tun kann. Die Versorgungssicherheit der Menschen im Land steht im Vordergrund. Darüber machen sie sich Sorgen. Deshalb gibt es jetzt das Entlastungspaket III. Dazu sage ich ganz klar: Das ist ein guter Start; gerade die kalte Progression, über die wir seit vielen Jahren sprechen, ist dabei. Das heißt, wir haben verschiedene Entlastungen. Aber das reicht noch nicht.
Gerade in Bezug auf die Frage der Energiesicherheit gibt es aus meiner Sicht nur die klare Ansage: Es muss alles raus, was geht. Deshalb sagen wir als Liberale: Wir brauchen eine Situation, in der wir klar sagen: Wir stehen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, auch wenn sie sich nicht in Sachsen-Anhalt befinden. Wir wollen die Kraftstoffreserve im Bereich der Braunkohle. Wir müssen alles, was im Land Sachsen-Anhalt und in Deutschland energiepolitisch möglich ist, herausholen. Denn, meine Damen und Herren, das gibt den Menschen auf der Straße das Gefühl, dass sie gehört werden. Es zeigt ihnen, dass energiepolitisch und ideologiefrei alles getan wird, um ihre Sorgen und Nöte tatsächlich in den Griff zu bekommen.
Wir sind verantwortlich. Dazu muss ich das sei mir an dieser Stelle gestattet sagen: Wenn ein Bundeswirtschaftsminister an einem Sonntag sagt, Atomkraft ist mit uns nur eingeschränkt oder gar nicht möglich, dann ist es marktpolitisch völlig logisch, dass der Strompreis am Montag durch die Decke geht, meine Damen und Herren.
(Zuruf)
Insofern ist es wichtig, dass wir den Menschen Märkte sind Gefühle von morgen, d. h. das, was sich entwickeln wird. Deshalb ist es unsere Verantwortung, genau dort nachzuschärfen und zu schauen, wo wir tatsächlich helfen können. Es bringt uns nichts, wenn wir die Menschen allein lassen. Deshalb werden wir als FDP im Land, aber auch im Bund alles daran setzen, den Menschen tatsächlich Sicherheit zu geben. Das können und werden sie erwarten dürfen, meine Damen und Herren. Deshalb ist dieses Thema der Versorgungssicherheit eine ganz wesentliche Grundlage.
Jetzt kommen wir wenn wir dies tun und uns liegt jetzt dieser Antrag der AfD vor zu der Frage: Ist es denn richtig, dass eine Entlastung dadurch erreicht werden könnte, dass wir Nord Stream 2 öffnen, dass wir die Sanktionen zurückfahren und die Verhandlungen beginnen? Dazu möchte ich Folgendes sagen: Es ist tatsächlich so, dass Gas kommen könnte, aber es wird nicht geliefert. Dem könnte man entgegenhalten: Das ist eine einfache Reaktion. Aber es ist einfach ein Erpressungsmittel, das von Russland eingesetzt wird. Das können wir einfach nicht hinnehmen.
(Zustimmung bei der FDP - Daniel Rausch, AfD: Wir schicken doch Waffen hin!)
Ich möchte eines ganz klar sagen damit möchte ich an den Minister anschließen :
(Daniel Rausch, AfD: Wir haben doch damit angefangen!)
Am 30. August 2022 ist jemand gestorben, der für dieses Land, für Sachsen-Anhalt, für Deutschland eine ganz wesentliche Bedeutung hatte, nämlich Michail Gorbatschow.
(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Guido Heuer, CDU)
Das ist jemand, der initiiert hat, dass wir alle in diesem Rahmen sitzen können. Auch diesem Mann und seinem Vermächtnis gegenüber tragen wir eine Verantwortung.
(Zuruf von der AfD: Das hat man nicht gesehen!)
Das, was sein Tun und sein Handeln in jener Zeit beinhaltete, ist Teil unseres eigenen Wertekanons, meine Damen und Herren. Wir leben in einem Wertekanon. Wenn Sie eine Abwägung dessen vornehmen, was wichtig ist, dann können Sie das nicht unter den Tisch fallen lassen. Das geht einfach nicht.
Herr Dr. Moldenhauer, eines muss ich Ihnen sagen: Sie können nicht einfach punktuell Dinge herausgreifen, sondern Sie müssen die Dinge in der Gesamtheit betrachten. Dabei muss man auch schauen, wie das Verhältnis zu Russland, zur Ukraine ist, welches Verhältnis wir zu ihnen haben und welche Verantwortung wir aus der Geschichte heraus haben. Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie immer zur falschen Antwort kommen, meine Damen und Herren.
(Daniel Rausch, AfD: Ja, Panzer in die Ukraine, das ist eure Lehre! Schämt euch!)
Deshalb müssen wir bei der Frage der Abwägung der Interessen schauen, dass wir den Druck auf Putin so groß wie möglich halten. Denn eines wollen wir doch alle: dass der Krieg aufhört. Den Krieg hat Russland begonnen, und wir können nicht so tun, als wenn es ihn nicht geben würde. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir im Rahmen dieses Wertekanons, dem wir verpflichtet sind, den Spagat zwischen der Verpflichtung gegenüber dem Vermächtnis Gorbatschows, dem, was er für uns getan hat, und den drängenden Problemen der Menschen bei uns im Lande, die natürlich Versorgungssicherheit brauchen, hinbekommen.
Insofern ist mein Appell an alle: Wir sollten alles dafür tun, energieseitig das herauszuhauen, was geht. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, den Menschen die Sicherheit zu geben, dass die Dinge bezahlbar sind. Wenn wir feststellen, dass die Zahl der Insolvenzen im Augenblick aus bestimmten Gründen hochgeht, dass die Bäckermeister sagen: „Ich kann nicht mehr zahlen, ich fahre herunter“, oder dass das SKW sagt: „Wir können nicht mehr produzieren“, dann muss die Politik Antworten finden, meine Damen und Herren.
(Daniel Roi, AfD: Sie sind doch überall in der Regierung!)
Aber das bedeutet nicht, dass wir reflexartig einen Kniefall vor Putin machen. Das wird nicht funktionieren.
(Zurufe von der AfD)
Das wird nicht funktionieren und das werden wir nicht tun. Jedenfalls mit uns wird das nicht stattfinden, da können Sie sich so viel aufregen, wie Sie wollen. Ich, meine Damen und Herren, habe einen inneren Wertekanon und den werde ich definitiv nicht aufgeben. - Vielen Dank.
(Daniel Roi, AfD: Wir warten auf ihre Lösungsvorschläge!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Silbersack. Es gibt zwei Nachfragen, zum einen von Herrn Lieschke und zum anderen von Herrn Rausch. Lassen Sie sie zu, Herr Silbersack?
Andreas Silbersack (FDP):
Ja, klar.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Lieschke, bitte.
Matthias Lieschke (AfD):
Werter Herr Silbersack, Sie sagten jetzt gerade mehrfach, auch wenn Nord Stream 2 geöffnet werden würde, würde kein Gas kommen. So habe ich Sie verstanden.
(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja! - Zuruf: So ist es! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das Gas wird abgefackelt!)
Erst heute hat Russland angeboten, Nord Stream 2 zu öffnen. Wovor haben Sie so grundlegende Angst? Warum trauen Sie sich nicht zu fragen, ob Russland Gas liefern würde? Haben Sie Angst davor, dass Russland sagt: Ja, wir liefern Gas?
Ich verstehe diesen Ausdruck „er erpresst uns“ nicht. Warum machen Sie das Angebot nicht? Wenn dann nichts kommt, schüttle ich Ihnen gern die Hand und sage: Ja, Herr Silbersack, Sie hatten recht, es kommt kein Gas. Aber solange wir als Land nicht fragen, ist das einfach eine Mutmaßung, die in den Raum gestellt wird, die nicht bewiesen ist. Fragen Sie doch einfach! Wovor haben Sie Angst?
(Unruhe)
Andreas Silbersack (FDP):
Herr Lieschke, ich habe keine Angst. Ich glaube auch nicht, dass ich den Eindruck vermittle. Ich habe eine gewisse Verantwortung gegenüber den Menschen hier im Land.
(Zurufe von der AfD: Eben! - Genau darum!)
Bei der derzeitigen Russlandpolitik, die unter Gorbatschow niemals denkbar gewesen wäre, bin ich mir sicher, dass das einfach Machtpoker ist. Die Frage ist, ob man sich auf einen solchen Machtpoker einlässt oder nicht. Deshalb tut man gut daran, in dieser Situation ein gerades Kreuz zu behalten. Und genau das macht die Bundesrepublik Deutschland.
(Zurufe von der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Das war die Antwort auf die Frage. - Jetzt hat sich Herr Rausch gemeldet. Lassen Sie auch seine Frage zu, Herr Silbersack? - Bitte Herr Rausch. - Sie verzichten zugunsten einer Kurzintervention von Herrn Dr. Moldenhauer? - Herr Dr. Moldenhauer, bitte.
Dr. Jan Moldenhauer (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Silbersack, Sie haben gerade von Lehren aus der Geschichte gesprochen und davon, dass man die Geschichte natürlich immer mit im Blick haben muss. Bis zum Ausbruch dieses Konflikts, dieses Krieges wie immer Sie es nennen wollen
(Zuruf von den GRÜNEN: Angriff!)
war es Konsens in der Bundesrepublik Deutschland, dass nie wieder deutsche Waffen gegen Russen gerichtet werden sollen. Mit dieser Lehre aus der Geschichte haben wir gebrochen. Darauf wollte ich, weil Sie diese Lehren erwähnt haben, noch einmal hinweisen.
Dann sei mir an dieser Stelle auch folgende Anmerkung erlaubt: Politik lebt von der Zuspitzung, auch in Debatten. Wenn ich mir anschaue, wie Herr Melnyk in den Debatten teilweise geholzt hat und welche Sprache auch Herr Selenskyj an den Tag legt, wenn er sagt, wem er so sagte er es ja in die Fresse hauen will, dann muss ich sagen: Das ist eine Rhetorik, die man, wenn man gutmütig ist, zum Teil vielleicht noch aus der Situation heraus erklären kann. Aber ich sage einmal: Wer austeilt, der muss auch einstecken können.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Silbersack, bitte.
Andreas Silbersack (FDP):
Zu Letzterem. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie man sich fühlt, wenn man Präsident eines Landes ist, welches überfallen wurde, in dem Tausende und Abertausende Menschen sterben. Dass man dann eine andere Gangart an den Tag legt und durch Emotionalität zum Ausdruck bringt, dass man sich in einer Grenzsituation befindet, ist nachvollziehbar. Insofern finde ich diese Wortwahl im Einzelnen nicht schön, aber ich glaube, Sie müssen das vor dem Hintergrund eines überfallenen Landes betrachten. Dann wird es klar.
Was die Frage zu Russland betrifft, bin ich, weil ich ein ganzheitliches Europa sehe das ist nicht teilbar , ehrlicherweise der Hoffnung, dass die Dinge auch in der Zukunft gemeinsam mit Russland gemacht werden müssen.
(Zuruf von der AfD: Ja!)
Aber das schaffen wir eben nur gemeinsam. Wenn ich mich an die Bilder von diesem langen Tisch im Kreml erinnere und daran, wie sich ein europäisches Staatsoberhaupt nach dem anderen, ob es Macron war, ob es Scholz war, an das 10 m entfernte andere Tischende gesetzt hat, dann muss ich feststellen: Der Herr Putin hat sie im Grunde alle ins Leere laufen lassen.
Deshalb sage ich: Die Grundaussage, dass Deutschland aufgrund der Geschichte eine besondere Verantwortung gegenüber Russland hat, ist völlig klar. Ich bin auch überhaupt kein Freund davon, dass man sich tatsächlich mit deutschen Waffen gegen Russland zur Wehr setzt.
(Zuruf von der AfD: Das will doch keiner!)
Aber ich will auch sagen: Bei einer Abwägung von zwei Möglichkeiten der Ukraine die Möglichkeit zur Selbstverteidigung zu nehmen oder sie in dem Kampf mit einem Ausgleich zu unterstützen müssen wir die beiden Interessen bzw. Güter schon zueinander ins Verhältnis setzen.