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Plenarsitzung

Transkript

Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Liebe Frau Präsidentin, ich habe gerade gefragt, ob ich länger als zehn Minuten reden darf, weil ich jetzt so viele Vorlagen bekommen habe, aber ich versuche, es in zehn Minuten hinzubekommen. - Ich bin auch ganz froh, dass ich nicht zum Thema Sport sprechen muss. Wenn man zehn Jahre lang verheiratet ist, dann hat Sport scheinbar nicht mehr so die Priorität.

(Lachen)

Ich rede lieber zum Thema Ernährung. Jetzt konzentrieren wir uns aber wieder auf die Themen.

Ich bin den GRÜNEN sehr dankbar für diese Debatte.

(Zustimmung)

Sie kommt aus verschiedenen Gründen zum richtigen Zeitpunkt, vielleicht auch ein bisschen zufällig. Sie haben es schon angedeutet: Es gab am Mittwoch dieser Woche aus Brüssel entsprechende Verlautbarungen und es gab gestern eine Schaltkonferenz dazu mit dem Bundesministerium, an der auch wir teilgenommen haben. Ich werde Ihnen am Ende meiner Rede meine Bewertung zu diesen Informationen sagen, die wir aus Berlin bekommen haben. Aber ich muss Ihnen schon jetzt sagen, dass das nicht deckungsgleich mit dem ist, wie Sie das einschätzen.

Ich möchte eines sagen, das gehört in diese Debatte hinein und das kann man nicht oft genug sagen: Das, was wir gerade in der Ukraine sehen, ist unter verschiedenen Gesichtspunkten von sehr großer Dramatik. Das sind schlimme Bilder. Wir reden heute über das Thema Ernährungssicherheit. Es gibt dort Menschen, die im Moment nichts mehr zu essen haben. Es gibt dort Menschen, die hungern. Es gibt dort Menschen, die sterben. Kleine Kinder, Erwachsene, Alte, Junge, egal welcher Bevölkerungsteil - sie haben dort im Moment nicht nur mit Blick auf das Thema Ernährung, sondern auch bei vielen anderen Themen   aber wir reden heute über Ernährung   ein wirklich großes Problem. Dieser Krieg, der dort herrscht, ist für uns in ganz Europa eine riesengroße Katastrophe und absolut zu verurteilen.

Wir haben aber   das gehört für uns dazu; deswegen auch diese Debatte   über die Auswirkungen für Sachsen-Anhalt zu reden, meinetwegen auch für Deutschland und für Europa. Aber wir sind im Landtag von Sachsen-Anhalt, und deswegen ist es wichtig, dass man auf die Themen, die für Sachsen-Anhalt wichtig sind, eingeht.

(Zustimmung)

Es gibt Unternehmen, auch in der Landwirtschaft   ich habe vor Kurzem mit Markus Kurze ein Unternehmen im Jerichower Land besucht  , die im Moment sämtliche Geschäftsgrundlagen mit der Ukraine und mit Russland verlieren. Das ist für uns eine riesengroße Herausforderung. Die Auswirkungen auf die Agrarmärkte können wir jetzt nur erahnen. Wir sehen hinsichtlich der Preise bereits ein wenig davon. Aber die Auswirkungen werden dramatisch sein.

Es kann doch niemand daran glauben, dass in diesem Jahr irgendwo in der Ukraine und in Teilen Russlands eine Ernte zustande kommt, die dann zu uns nach Europa oder   darauf werde ich noch eingehen, das ist viel wichtiger   Richtung Afrika weitergeleitet werden kann. Das ist das Problem, das wir im Moment haben.

(Zustimmung)

Die Höchstpreise, die wir im Moment an den Märkten sehen, können im Zweifelsfall die niedrigen Preise von morgen sein. Niemand weiß, wie sich die Preise entwickeln werden. Natürlich kann man sagen, das wird man in Deutschland schon irgendwie hinbekommen. Aber es gibt sehr viele andere Länder außerhalb Deutschlands, die damit große Probleme haben werden. Deswegen ist es wichtig, dass man alle Möglichkeiten nutzt. Die Europäische Union hat Entsprechendes eingeleitet.

Sie haben es richtig gesagt, Frau Frederking   an der Stelle muss ich Ihnen zustimmen; das ist bei Zahlen aber auch nicht so problematisch  , dass 30 % des Welthandelsvolumens von Weizen und 20 % von Mais aus der Ukraine bzw. aus Russland, wenn man es zusammenaddiert, kommen. Und   das ist das Wichtige   vieles davon geht nach Afrika, nämlich zu den Menschen, die zukünftig nichts mehr haben werden. Deshalb sind die Forderungen, die auch ich aufgestellt habe, nämlich sich damit zu beschäftigen und zu prüfen, wie wir reagieren können, richtig.

Deshalb ist es richtig, darüber zu diskutieren, ob wir es uns zukünftig leisten können, 4 % der besten Böden Deutschlands einfach nicht zu bewirtschaften. Das ist einfach eine Debatte, die wir führen müssen.

(Beifall)

Ich sage Ihnen: Ich bin der EU an der Stelle   ich bin immer ein Verteidiger der Europäischen Union; wenn man dort gearbeitet hat, hat man vielleicht einen anderen Einblick   sehr dankbar dafür, dass sie in dieser Woche gesagt hat, dass es möglich sein muss, die Flächen, die zur Verfügung stehen, nicht nur für Futtermittel, sondern auch für die Landwirtschaft in Gänze einzusetzen.

(Beifall)

Die vorübergehende Zulassung von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf Brachflächen muss definitiv nicht nur diskutiert werden, sondern aus meiner Sicht   deswegen habe ich „vorübergehend“ gesagt: ein Jahr, zwei Jahre, vielleicht drei Jahre; dieser eingeleitete Prozess steht ja nicht infrage   vorübergehend möglich gemacht werden. Deswegen bin ich der europäischen Ebene sehr dankbar.

Der eine oder andere weiß nicht, wie viel 4 % der Fläche in Sachsen-Anhalt ausmachen würden. Es sind 39 000 ha der besten Ackerflächen in Deutschland.

(Zustimmung)

Ich bekomme gleichzeitig aus den Reihen der GRÜNEN   das ist nicht ganz falsch   zu hören, dass im Zusammenhang mit Intel aktuell über 490 ha gesprochen wird, die der Landwirtschaft somit verloren gehen. Aber hierbei reden wir über beinahe 40 000 ha, also ein Vielfaches davon, die wir jetzt gut gebrauchen könnten. Es ist wichtig, diese entsprechend einzusetzen.

Deswegen verwundert und ärgert mich die Rückmeldung aus dem entsprechenden Bundesministerium, also von Ihrem Bundesminister bzw. von der zuständigen Staatssekretärin, am gestrigen Tag. Sie hat gesagt: Das, was in Brüssel beschlossen wurde, wollen wir nicht eins zu eins umsetzen; vielmehr sollen dort maximal Futtermittelpflanzen erlaubt sein. Das halte ich für falsch.

Sie haben es gerade aus Ihrer Sicht dargestellt: weniger Fleisch und mehr andere Nahrungsmittel. Dementsprechend wäre es doch gut, wenn wir mehr Nahrungsmittel anbauen könnten und weniger Futtermittel. Ich werde mich dafür einsetzen.

Ich habe nach dieser Aussage von gestern   das haben die Bauern auch mitbekommen   unzählige Nachrichten erhalten. Ich lese Ihnen einen Satz von einem Bauern vor. Hierbei hat es sich nicht um den Kollegen, der hier sitzt, und auch nicht um Kurt-Henning Klamroth und wie sie alle heißen, gehandelt. Es war ein Bauer, der mir Folgendes schrieb: Lieber Sven, wir Landwirte können und wollen einen Beitrag zur aktuell drohenden Nahrungsmittelkrise leisten, wenn man uns lässt.

Das bringt es auf den Punkt. Wir müssen die Bauern entsprechend lassen. Es ist wichtig, dass wir das umsetzen.

(Beifall)

Wie gesagt, mir geht es darum, dass es für eine gewisse Zeit     Ich habe mich in Brüssel dafür eingesetzt. Wir hatten vor Kurzem gemeinsam mit Frau Otte-Kinast   das ist meine Kollegin aus dem Bundesland Niedersachsen   mit Brüssel ein Gespräch auf höchster Ebene, zu dem wir eingeladen haben, und in dem wir darauf hingewiesen haben. Jetzt kommen die ersten Ergebnisse.

Ich sage den Bauern von hier aus: Ich werde mich dafür einsetzen, dass man zumindest aus Brüssel relativ schnell Klarheit bekommt, wie es ab dem Jahr 2023 weitergeht, weil wir die Rückmeldungen selbstverständlich nicht erst Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres brauchen, sondern wir müssen bereits im Sommer wissen, was für das Jahr 2023 geplant ist.

Eine Anmerkung sei mir noch gestattet. Das ist wichtig; darauf haben mich viele Bauern angesprochen, die konventionell arbeiten. Die BVVG hat im Moment die Anweisung, keine Flächen mehr an Bauern zu verpachten oder zu verkaufen, die konventionell arbeiten. Ich halte das für einen Fehler, weil damit auch diesen Bauern Flächen verloren gehen.

Das steht in dem Koalitionsvertrag, der in Berlin vereinbart wurde. Die BVVG muss das umsetzen. Dies trägt ebenfalls nicht dazu bei, dass wir am Ende des Tages genug Nahrungsmittel produzieren. Das ist eine riesengroße Aufgabe, vor der wir stehen und die wir angehen müssen.

Ich kann Ihnen eines sagen: Ich werde an der Stelle weiterhin auf der Seite der Bauern stehen

(Beifall)

und damit auch auf der Seite derer, die mittelfristig unsere Hilfe brauchen, nämlich die ärmsten der armen Menschen auf dieser Welt. Sie gehören mit Ihrer Partei zu Recht   das finde ich gut   zu jenen, die auf diese Probleme immer hinweisen. Wenn wir unzählige Millionen Menschen zukünftig zusätzlich in die Situation bringen, nicht genug zu essen zu haben   die Welternährungsorganisation der UN sagt, allein durch den Ukrainekrieg rechnet man neben den 161 Millionen Menschen, die bereits jetzt von Hunger bedroht sind, mit zusätzlich bis zu 13 Millionen Menschen  , dann müssen wir darauf reagieren. Ein reiches Deutschland kann es sich an dieser Stelle nicht leisten, zu sagen: Wir legen weitere Flächen still, sollen die doch irgendwo anders produzieren.

(Beifall)

Das ist nicht unsere Aufgabe. Das ist der Punkt.

Nachdem Sie meine Partei, deren Parteivorsitzender ich bin, so stark angegriffen haben, habe ich, so glaube ich, sehr fachlich fundiert reagiert. - Frau Präsidentin, ich habe sogar 40 Sekunden gespart. - Vielen Dank.

(Beifall)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Minister Schulze. Es gibt zwei Fragen und eine Intervention. - Zunächst Herr Gallert, bitte, dann Frau Frederking.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Schulze, Sie sind in Ihrer Doppelfunktion als Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister die personifizierte Flächenkonkurrenz. Sie müssen sozusagen sowohl das eine als auch das andere im Blick haben. Sie sprachen die ganze Zeit über die Flächenkonkurrenz mit Naturschutzflächen bzw. Stilllegungsflächen.

(Zuruf)

- Herr Meister, ich bin kein Fachmann, deswegen sind die Begriffe nicht so     Halten Sie sich bitte zurück.

(Zuruf: Ja, ja!)

Das Problem, das wir allerdings langfristig haben, ist, dass wir diese Konkurrenz relativ schnell wieder korrigieren könnten. Flächen, die wir versiegeln, sind aber über Generationen hinweg versiegelt. Wir wissen alle, es geht am Ende bei Intel nicht um 450 ha, sondern um 1 000 ha Bördeboden. Das ist sozusagen eine schwere Last, die wir uns und unseren nächsten Generationen auferlegen.

Das Problem besteht aber darüber hinaus darin, dass alles, was jetzt infrastrukturell zusätzlich gemacht wird, diese Situation radikal verschärfen könnte. Ich zitiere den Kollegen Meister, wenn er zuhört, aus dem Ausschuss. Er hat gesagt: Wenn wir nicht aufpassen, dann pflastern wir jetzt die Börde bis Oschersleben mit Einfamilienhäusern zu; das kann wohl nicht unser Ziel sein.

Jetzt frage ich: Inwiefern gibt es z. B. in dieser Frage Überlegungen der Landesregierung, uns auf industrielle Brachflächen innerhalb der Stadt Magdeburg, die existieren, zu konzentrieren, um in diesem Kontext nicht noch mehr landwirtschaftliche Nutzflächen zu versiegeln? - Das scheint mir extrem wichtig zu sein.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Minister Schulze, bitte.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Das ist eine gute Frage, die bereits von verschiedener Seite beantwortet worden ist, unter anderem vom Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg, der klar gesagt: Natürlich ist jetzt die Konzentration weiter     Es gibt wirklich viele Flächen, die wir nutzen können und die auch genutzt werden.

(Zuruf: Auch in den Dörfern!)

- In den Dörfern natürlich auch, aber es gibt in Magdeburg einige größere Flächen von großen Betrieben, die heute so nicht mehr existieren, die dann genutzt werden sollen, wenn es möglich ist und passt.

Ich will Ihnen zu dem Konkurrenzverhalten, das Sie richtigerweise angesprochen haben, etwas sagen. Ich habe dieses Verhältnis, also 39 000 ha bzw. knapp 40 000 ha ins Verhältnis zu den 490°ha setzen wollen, über die wir gerade reden. Bei den 4 % der Fläche rede ich über eine Fläche, die für die Landwirtschaft zur Verfügung steht. Ich habe gesagt: Lasst uns diese zumindest in den Jahren 2022 und 2023 nutzen, um diesen im Moment zu erwartenden Preisanstieg zu reduzieren. Ich glaube, in Deutschland wird es nicht zu einer Nahrungsmittelknappheit kommen; vielmehr werden sich die Nahrungsmittel verteuern. Man soll aber keine Panik verbreiten. Aber wir werden in vielen anderen Ländern die Situation bekommen, dass sich die Menschen diese teuren Nahrungsmittel nicht mehr leisten können. Das ist der Punkt, über den wir reden müssen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank. - Es folgt Frau Frederking mit einer Frage.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Herr Schulze, uns eint die Aufgabe, Lebensmittel für alle zu produzieren und so zu verteilen, dass alle Zugang dazu haben.

(Zuruf: Frage!)

Dazu gehört eine Bilanzierung, was wie viel bringt. Deshalb habe ich bewusst ein paar Zahlen genannt und habe den Rückblick auf das dramatische Jahr 2018 geworfen, in dem mindestens 30 % Ernteeinbußen zur verzeichnen gewesen sind. Das ist dramatisch.

Sie kennen das Sprichwort von dem Ast, auf dem man sitzt, und den man nicht absägen sollte. Unser Ansinnen ist, dass wir eine nachhaltige Landwirtschaft brauchen, damit sie noch möglich wird und bspw. Bäume Wasser halten usw. Das ist unser Ansinnen und das wollen wir nicht aufgegeben.

Meine erste Frage. Sie sprachen von einem Anteil von 4 % bester Böden. Mir ist bekannt, dass der Anteil 2 % beträgt, weil viele Strukturelemente vorhanden sind und diese Böden oft ertragsschwach sind.

Die zweite Frage habe ich vergessen.

(Lachen)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Schulze, dann bitte zur ersten Frage.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Dann war die zweite Frage nicht ganz so wichtig.

In den entsprechenden Vereinbarungen ab dem Jahr 2023 ist ein Anteil in Höhe von 4 % festgelegt. Wenn ich von besten Böden   das ist eine Definition   spreche, dann spreche ich über die Böden bei uns in Sachsen-Anhalt, weil ich Minister in Sachsen-Anhalt bin und nicht über andere Bundesländer spreche, und diese sind qualitativ besser als in manch anderem Bundesland. Wenn wir davon für eine gewisse Zeit 4 % stilllegen müssen, dann sind das aus meiner Sicht schon sehr gute Böden.

Wenn Bauern aus anderen Bundesländern die Böden, die wir hier zum Teil stilllegen müssen   nicht alle, aber viele davon  , bewirtschaften könnten, dann würden sie sich darüber freuen. Das ist der eine Punkt.

Jetzt kann man   das fände ich auch nicht verkehrt; Sie sind Mitglied einer Partei, die unserer Partei nicht in jedem Punkt nahesteht   sagen: Das, was Minister Sven Schulze sagt, ist aus meiner Sicht nicht richtig. Aber wenn die Europäische Kommission, die ich kennengelernt habe und die auf diesem Weg extrem unterwegs ist, z. B bei dem Thema Green Deal usw., schon sagt „Leute, wir müssen etwas machen und wir bitten die Mitgliedstaaten das entsprechend umzusetzen, damit man im Jahr 2022 und vielleicht dann auch im Jahr 2023 diese Flächen nutzen kann“, dann kommt das nicht nur von mir, sondern auch von denen.

Ich habe kurz vor dieser Rede eine Nachricht bekommen, diese aber noch nicht geprüft. Darin steht, dass selbst die GRÜNEN im Landtag von Bayern diese Forderung für das Jahr 2022 aufgemacht haben. Ich werde das recherchieren.

Ich bin nicht ganz allein und kann auch nicht ganz falsch liegen, weil ich aus verschiedenen Richtungen in den letzten Tagen entsprechende Rückmeldungen erhalten habe, die mich darin bestärken, dass über diesen Weg zumindest diskutiert werden muss.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Ich habe gesagt, dass wir das diskutieren!)

- Lassen Sie mich bitte ausreden. - Mein Wunsch ist: Lasst uns das, was aus Brüssel kommt, an der Stelle eins zu eins umsetzen und nicht immer wieder einen draufsetzen, wie es Deutschland sehr häufig macht.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Aber man muss es bilanzieren! - Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Schulze. - Jetzt möchte Frau Dr. Richter-Airijoki eine Bemerkung dazu machen.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Vielen Dank. - Herr Minister, ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie die Situation der Ärmsten der Armen im Blick haben und über den Tellerrand hinaus sehen; gerade als jemand, der selbst lange in der Entwicklungszusammenarbeit tätig war, auch in Afrika und in den armen Ländern, die Sie angesprochen haben.

Ich möchte dazu noch ergänzen, dass es wichtig ist, die mittel- und längerfristige Perspektive von der kurzfristigen zu unterscheiden.

(Zustimmung)

Es stimmt, dass Hunger natürlich ein Problem ist, wenn Nahrungsmittellieferungen ausbleiben. Es ist richtig, das mitzubedenken. Danke dafür. Ich möchte aber gleichzeitig sagen: Es ist mir sehr wichtig, obwohl die Zuständigkeit für Entwicklungszusammenarbeit natürlich auf der Bundesebene liegt, dass wir nicht vergessen, dass die afrikanischen Märkte seit Jahren, Jahrzehnten mit Nahrungsmittelüberschüssen aus Industrieländern überschwemmt werden.

Ich glaube, jetzt ist die richtige Zeit, um davon wegzukommen, dass das auf längere Zeit so bleiben soll. Diese Länder haben durchaus die Möglichkeiten, sich selber zu versorgen, wenn sich die Strukturen entsprechend ändern und wenn die Entwicklungszusammenarbeit und unter anderem die Handelsbedingungen in diese Richtung gehen. Das wollte ich noch ergänzen. - Danke schön.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Schulze, wollen Sie antworten?


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Wenn es erlaubt ist? - Sie haben natürlich nicht ganz unrecht. Wir sind dabei auch nicht weit voneinander entfernt. Aber wenn ich einem Land   ich kann verschiedene aus Nordafrika, aus Afrika generell nehmen  , das gewohnt ist, 50 % bis 70 % des Getreides aus Russland und der Ukraine zu bekommen, sage „Sorry, im nächsten Jahr null Prozent“, dann hat dieses kurzfristig ein massives Problem. Das kann ich nicht lösen, indem ich ihnen sage: Also, mittel- und langfristig haben wir Ideen für euch, aber im nächsten Jahr seht mal zu, woher das Essen kommt. Das ist das Problem, welches ich habe, und darauf habe ich hingewiesen. Deswegen auch die Bitte, mich richtig zu verstehen.

Ich rede hierbei nicht darüber, dass wir in den nächsten zehn, 15 oder 20 Jahren überhaupt keine Wege mehr weitergehen sollen, die wir hier   übrigens gemeinsam   eingeschlagen haben, sondern mir geht es um die kurzfristige Situation. Es geht darum: Wir reagieren auf die Ukrainesituation und wir müssen richtig reagieren. Deswegen bleibe ich dabei   das sage ich, auch wenn ich weiß, dass ich damit nicht jeden erreichen kann und mir nicht jeder beipflichtet  : Es ist der richtige Weg, jetzt für ein, idealerweise zwei Jahre die Flächen, die wir haben, zu nutzen, damit die Preise auf dem Level bleiben, auf dem sich die Menschen, die sich das dann nicht mehr leisten können, Nahrungsmittel leisten können. Deshalb werde ich das weiter unterstützen. Auch wenn das in Richtung Bundesrat geht, werden wir in der Koalition mit Sicherheit darüber reden müssen, wie wir uns damit befassen.

(Zustimmung - Zuruf)