Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten gestern bei der Befragung der Landesregierung die Frage: Was lernt man denn eigentlich bei einer Reise in die USA? Eines, was man daraus lernt, ist, dass dann, wenn mal was extrem gut läuft, das auch mit breiter Brust erwähnen sollte.
Als ich jetzt gerade die Rede des Abg. Ulrich Thomas gehört habe und in einzelne Gesichter hier im Landtag geschaut habe, habe ich gesehen, dass es manchen doch gut tut, einmal zu hören, wie die Realität ist. Ich denke, auch wenn man sich vielleicht in der Opposition ärgert, dass Dinge gut laufen in einer Regierung, und im Übrigen nicht nur in der aktuellen, sondern auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten, geführt von Prof. Böhmer und von Reiner Haseloff und besetzt mit verschiedenen Wirtschaftsministern, kann man das hier einmal klar darstellen.
(Zustimmung bei der CDU)
Ich will ganz vorweg - denen gilt wirklich unser Dank - den Tausenden und Abertausenden kleinen und mittelständischen Unternehmen in Sachsen-Anhalt danken.
(Zuruf von der AfD: Die gibt es bald nicht mehr!)
Diese sind dafür verantwortlich, dass wir wirtschaftlich so gut dastehen. Ohne diese Unternehmen und vor allen Dingen ohne diese Unternehmerinnen und Unternehmer würde es in unserem Land nicht so gut laufen. Ich werde das gleich anhand von ein paar Zahlen noch darstellen.
Wir haben, sehr geehrte Damen und Herren, vor einigen Wochen zum Bruttoinlandsprodukt entsprechende Statistiken für das Jahr 2022 bekommen. Ich denke, das sollte man durchaus einmal erwähnen; denn beim BIP stehen wir in Sachsen-Anhalt weit besser da. Preisbereinigt war nämlich im Vergleich zum übrigen Teil Deutschlands und auch zu Ostdeutschland ein Anstieg um 2,6 % zu verzeichnen. Wir sind eines der besten Länder in ganz Deutschland.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Die Wachstumsrate liegt bei uns um 0,8 % höher als in Gesamtdeutschland und um 0,3 % höher als in Ostdeutschland. Das ist preisbereinigt der höchste Anstieg seit mehr als zehn Jahren. Das ist eine Aussage, die man sich einmal wirklich genau anschauen sollte.
Das ist eine extrem gute Aussage; denn wir haben im letzten Jahr im Landtag von Sachsen-Anhalt viele Debatten geführt, auch im Wirtschaftsausschuss. Das war im Sommer des letzten Jahres, als wir nicht wussten, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird, als wir aus verschiedenen Gründen befürchten mussten, dass es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen ein extrem schwieriges Jahr wird und dass auch die nächsten Jahre nicht einfach werden. Ich will auch nicht verhehlen, dass große Herausforderungen vor uns stehen. Ich werde gleich darauf eingehen.
Aber eines muss man sagen: dass unsere Wirtschaft die Herausforderungen der letzten eineinhalb bis zwei Jahre gut weggesteckt ist. Das ist, denke ich, auch einen Dank des Hohen Hauses wert.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Ich will zwei bis drei Bereiche benennen. Das verarbeitende Gewerbe ist in Sachsen-Anhalt um 2,4 % gewachsen, in ganz Deutschland hingegen nur um 0,2 %. Die Bereiche Handel, Verkehr, Gastgewerbe sowie Information und Kommunikation um 8,2 % gewachsen, in ganz Deutschland hingegen nur um 3,8 %.
Das sind Aussagen und Zahlen, die sich doch sehr deutlich von dem unterscheiden, was wir in ganz Deutschland gesehen haben. Deshalb ist es gut, dass wir hier über diese Themen im letzten Jahr diskutiert haben und dass wir als gesamte Landesregierung, bestehend aus den Parteien CDU, SPD und FDP, den Unternehmen Rückhalt gegeben haben.
Ich kann, ich an viele Diskussionen erinnern. Es war nicht einfach - das sage ich Ihnen ganz ehrlich , zu Beginn meiner Amtszeit bei den Betreibern von Gaststätten und Restaurants zu sein. Ich weiß noch sehr genau, dass die gesagt haben, Mensch, Hochachtung, dass Sie kommen, aber wir werden Ihnen jetzt einiges um die Ohren hauen, als ich hier in Magdeburg mit denen zusammengesessen habe.
Ich habe das regelmäßig gemacht. Ich habe auch jetzt, also in einer Zeit, in der es bei denen wieder besser läuft, weiterhin meine Termine, weil wir gemeinsam darüber diskutieren, was wir machen können, und weil wir gemeinsam auch Dinge auf den Weg gebracht haben, die geholfen haben. Das ging über das hinaus, was die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Wir haben also hier in Sachsen-Anhalt das eine oder andere noch zusätzlich gemacht.
Ich bin verantwortlich für den Tourismus im Land. Der Tourismus ist bei uns einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Man kann sagen, dass wir in den Sommermonaten des letzten Jahres schon wieder auf dem gleichen Niveau wie vor Corona waren und über das Jahr hinweg fast auf demselben Niveau waren. Das ist gut, weil wir fast zehn Jahre lang vor Corona in jedem Jahr steigende Zahlen bei den Übernachtungen oder bei den Gästeankünften insgesamt hatten.
Das freut mich nicht nur als jemand, der im Harz groß geworden ist, sondern es freut mich auch für Wittenberg, das freut mich für den Burgenlandkreis, das freut mich für die Altmark. Das freut mich für das gesamte Land. Deshalb ist es wichtig, dass wir das zur Kenntnis nehmen. Aber es genauso wichtig, dass wir da entsprechend weiter unterstützen.
Ich will auch sagen, wie wir das machen. Ein ganz wichtiges Instrument in miesem Haus sind die GRW-Mittel. Wir haben bei uns im Jahr 2022 Investitionen in die Wirtschaft dieses Landes von mehr als einer halben Milliarde Euro gehabt. Es wurde mehr als eine halbe Milliarde Euro in einem Jahr investiert. Wir als Land haben das mit etwas mehr als 100 Millionen € kofinanziert. Das sind oft ganz wichtige Investitionen.
Da bin ich Ihnen als Haushaltsgesetzgeber auch sehr dankbar dafür, dass Sie in diesem Bereich die Anmeldungen, die wir gemacht haben - ich wünsche mir das auch für den nächsten Haushalt, für 2024 , immer entsprechend unterstützt haben, weil wir mit jedem Euro, den wir ausgeben, also mit jedem Euro, die wir hier investieren, die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt unterstützen.
Wir haben - das ist auch eine, denke ich, sehr gute Zahl - ca. 2 Milliarden € an Investitionen vor uns. Das sind Investitionen, die gerade umgesetzt werden oder in den nächsten Jahren umgesetzt werden müssen. Investitionen in Höhe von 2 Milliarden € das ist eine riesige Summe. Ich will einmal einige Projekte nennen, die gerade laufen bzw. in den nächsten Monaten anlaufen und weitergehen. Beispielsweise erhält die Firma Nocera in Möckern mehr als 200 Millionen €. Die Firma Avnet in Bernburg erhält mehr als 200 Millionen €. Das Unternehmen Daimler Trucks in Halberstadt erhält mehr als 500 Millionen €. Die Firma Meyer Burger in Bitterfeld-Wolfen wird mit mehr als 200 Millionen € gefördert. Das sind Hunderte Millionen Euro, die in dieses Land gesteckt werden. Es sind Hunderte Millionen Euro, die dieses Land auch zukunftsfest machen.
Noch nicht erwähnt habe ich Intel hier in Magdeburg. Intel in Magdeburg ist die größte Einzelinvestition in ganz Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir werden Intel selbst direkt nicht unterstützen. Das habe ich hier schon mehrfach erläutert. Wir werden aber den High-Tech-Park unterstützen. Und wir werden die Kommunen bei der Qualifikation des High-Tech-Parkes, den sie brauchen, unterstützen. Es ist uns aber gelungen, mit der Intel-Investition fast 7 Milliarden € aus Berlin hierher nach Magdeburg zu bekommen. Es kommen 7 Milliarden € zusätzlich in den nächsten Jahren in dieses Land. Das ist, denke ich, extrem wichtig.
Zu den Herausforderungen. In den letzten Minuten meiner Rede möchte ich darauf auch eingehen. Das Thema Fachkräfte ist genannt worden. Das ist für mich erst einmal eine positive Aussage. Wer wie ich in der Zeit der Wende Kind war, hier groß geworden ist, wie ich im Jahr 1998 Abitur gemacht hat, der hat nur gehört, wenn ihr arbeiten wollt, dann müsst ihr erst einmal weggehen aus Sachsen-Anhalt, wenn ihr eine Zukunft haben wollt, müsst ihr weggehen. Heute suchen wir Fachkräfte. Das heißt, jeder, der hier arbeitswillig ist und der hier arbeiten möchte, hat eine gute Zukunft in diesem Bundesland.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Das ist doch eine ganz andere Aussage und eine viel bessere Aussage als das, was wir über viele Jahre hinweg hatten.
Den demografischen Trend kennen wir. Wir werden definitiv viele Menschen, die noch auf dem Arbeitsmarkt sind, verlieren, weil sie in ihre wohlverdiente Rente und in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen. Deswegen ist es so wichtig, dass dass wir hier einige Dinge auf den Weg bringen. Mit Petra Grimm-Benne bin ich sehr intensiv in Abstimmungen. Sie als Haushaltsgesetzgeber haben mir auch Möglichkeiten gegeben, um im Bereich Fachkräfte aus der Sicht der Unternehmen mehr zu machen. Das werde ich zusammen mit der IMG machen.
Eines möchte ich auch sagen: Es hat mir sehr weh getan, als ich vor einigen Wochen eine Aussage eines Professors aus Sachsen-Anhalt hörte. Der sagte: Niemand steht Schlange, um in Sachsen-Anhalt zu arbeiten.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Da hat er recht!)
In Sachsen-Anhalt arbeiten aktuell fast eine Million Menschen. Jeden Tag gehen hier eine Million Menschen zur Arbeit.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Das sollte man doch einmal honorieren und hofieren und nicht sagen, niemand steht hier Schlage, so nach dem Motto: Niemand arbeitet gern in Sachsen-Anhalt. Das stimmt nicht mit dem überein, was wir hier erleben. Wir brauchen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Wir werden die Arbeitskräfte nicht alle hier aus Sachsen-Anhalt bekommen. Ich sage aber: Wir brauchen eine gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt, direkt in den Arbeitsmarkt.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Wir müssen dafür sorgen, dass wir hier zu einer Kanalisierung und nicht zu einer Kannibalisierung unter den Unternehmen kommen. Das ist gerade das, über das ich mit den Unternehmen, die wie Intel hier in Größenordnungen investieren, immer wieder diskutiere. Da verstehe ich auch selbstverständlich, dass viele mittelständische Unternehmen zu mir kommen und fragen: Nehmen die uns jetzt die Arbeitskräfte weg? - Das darf nicht passieren. Das ist eine Herausforderung. Aber ich denke, dass wir die entsprechend auch gut angehen werden.
Deshalb ist auch ein zweites Thema wichtig. Das ist das Thema Energie. Das ist eines der Hauptthemen. Ohne Energie funktioniert nichts im Leben und auch nichts in der Wirtschaft. Wir brauchen - das sage ich noch einmal ganz bewusst auch in dieser Debatte heute - in den nächsten Monaten verlässliche Aussagen aus Berlin zu den Energiepreisen.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Das Thema Industriestrompreis ist ein ganz wichtiges Thema. Dazu saßen am Montag dieser Woche noch einmal alle Wirtschaftsminister mit dem Bundeswirtschaftsministerium zusammen. Es gibt weiterhin keine Aussage zu der Frage, in welchem Zeitraum, also in den nächsten Wochen, Monaten oder vielleicht sogar Jahren, was ich nicht hoffen will, wir hierbei zu verlässlichen Aussagen kommen. Das erwartet die Wirtschaft aber.
Es ist so: Wir brauchen Planungssicherheit; denn die Produkte, die in Sachsen-Anhalt produziert werden, müssen am Ende weltmarktfähig sein. Und weltmarktfähig sind sie nur, wenn sie zu vernünftigen Rahmenbedingungen produziert werden können. Dazu gehört auch das Thema Energie. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. - Herr Präsident, ich denke, ich habe meine Redezeit entsprechend eingehalten.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Sehr gut, vorbildlich, wie sich das für einen Wirtschaftsminister gehört. Das war ein Beispiel für Zeiteffizienz. Aber es gibt noch drei Fragen, und die gehen wir jetzt durch. Als erster Fragesteller spricht Herr Roi - Bitte.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben jetzt wieder viel über Intel und über Zukunft gesprochen. Die Frage ist: Wie ist die Situation jetzt? Wenn wir über Energiepreise reden, fällt mir ein, dass wir in Leuna immer noch die Aussage des Chefs von Infraleuna haben, dass 50 % der Unternehmen ihre Produktion gedrosselt haben. Sie sind nicht wettbewerbsfähig.
Das führt mich automatisch zu meiner Frage. Diese betrifft den Strompreis. Sie als Wirtschaftsminister oder Sie allgemein als Regierung reden überhaupt nicht mehr über die Belastung unserer Bevölkerung in Sachsen-Anhalt, also, des einfachen Bürgers, durch den hohen Strompreis. Ich habe jetzt einmal für Sie die Strompreise der Hauptstädte aller 16 Bundesländer, also auch die Preise der drei Stadtstaaten, herausgesucht. Wenn Sie in der letzten Woche einen Tarif - das ist übrigens etwas, was man die GRÜNEN nicht zu fragen braucht, weil die das völlig ignorieren - abschließen wollten, sind Sie in Sachsen-Anhalt hinter Mecklenburg-Vorpommern an zweiter Stelle mit mehr als 53 ct für eine Kilowattstunde Strom. In Nordrhein-Westfalen sind Sie bei 33 ct.
Das ist der aktuelle Status quo. Alle haben mit der gleichen weltpolitischen Lage zu tun. Aber wir müssen einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Energiepolitik mit den erneuerbaren Energien, die wir insbesondere in Sachsen-Anhalt gemacht haben, zu extrem hohen Strompreisen geführt hat.
Das müssen wir den Leuten auch sagen.
Vor allem müssen wir den Leuten eines sagen: Wie wollen wir von diesen extrem hohen Strompreisen wieder herunterkommen? Denn wir können nicht immer nur über Intel reden, denen wir vielleicht Sonderkonditionen einräumen und noch mehr Fördermittel besorgen, damit sie dort für 10 ct produzieren können. Wir müssen auch einmal an unsere Bürger denken.
Ich frage Sie: Was ist denn Ihre Erklärung für die Strompreisunterschiede in Deutschland? Wie wollen Sie es ändern, damit unsere Bürger wieder bezahlbaren Strom haben?
(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Herr Abg. Roi, es ist natürlich ein spannender Versuch, hier zu sagen, ich rede nicht über die Bürger. Das mache ich regelmäßig. In der Debatte heute - schauen Sie sich den Titel der Debatte an - geht es aber um das Thema Wirtschaft, in dieser Debatte, die wahrscheinlich in etwa eine Stunde dauern wird.
Wir haben uns so oft genau zu dem Thema Bürger geäußert. Gestern hat der Energieminister dazu eine Aussage getroffen. Heute steht dazu sogar etwas in der Zeitung. Selbstverständlich müssen auch die Bürger in Sachsen-Anhalt entlastet werden. Wir haben oft genug über das Thema Netzentgelte gesprochen. Sie können speziell in meiner Fraktion klare Aussagen wahrnehmen, aber ich denke, auch in den Koalitionsfraktionen.
Es ist falsch, hier zu sagen, wir dürfen nicht über die Wirtschaft sprechen, sondern ausschließlich über die Bürger. Denn irgendwo müssen die Menschen ja arbeiten. Eine Million Menschen arbeiten in Sachsen-Anhalt, viele davon in mittelständischen Unternehmen. Deshalb müssen beide Themen bedacht und bearbeitet werden.
Selbstverständlich muss das erwarte ich auch von der Bundesregierung eine klare Aussage getroffen werden, wie sich die Preisentwicklung für die Menschen in Sachsen-Anhalt, für die Bürger in Deutschland darstellt. In einer Debatte, in der wir über das Thema Wirtschaft sprechen, rede ich auch in erster Linie über das Thema Wirtschaft.
Wenn Sie sagen, ich spreche wieder nur über Intel, dann sage ich Ihnen, ich habe vielleicht 10 % meiner Rede auf das Thema Intel verwandt.
(Zustimmung bei der CDU - Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)
Ich habe als Allererstes denen gedankt, die dieses Land am Laufen halten, nämlich den Mittelständlern, den KMU. Deshalb sollte man das hier auch entsprechend honorieren.
(Zustimmung bei der CDU)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Es gibt eine Nachfrage.
Daniel Roi (AfD):
Ich habe nicht differenziert zwischen Bürger und Wirtschaft. Beide brauchen den gleichen Strom. Ich habe nur gesagt, dass Intel gesagt hat, wir kommen hierher, wenn wir einen Preis von weniger als 10 ct haben. Ich glaube, in der „Volksstimme“ stand sogar ein Preis von 6 ct.
Ich bringe die Frage auf einen konkreten Punkt: Was ist denn Ihre Erklärung dafür? Es geht nicht nur Netzentgelte. Die Grundgebühren sind in Sachsen-Anhalt auch mit am höchsten. Was ist denn Ihre Erklärung dafür, dass wir aktuell 20 ct mehr zahlen für die Kilowattstunde als die Menschen in Nordrhein-Westfalen? Ich verstehe es nicht. Sagen Sie es mir bitte.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Also, noch einmal, ich fange wieder beim Thema Intel an. Ich habe nicht gesagt, dass wir einen Industriestrompreis für Intel brauchen, sondern ich habe gesagt, wir brauchen einen Industriestrompreis für alle Unternehmen. Bitte hören Sie auf damit, hier immer so zu tun, als würden wir als Landesregierung ausschließlich ein Unternehmen präferieren.
(Daniel Roi, AfD: Doch!)
Uns geht es um jedes Unternehmen, und zwar gleichrangig.
(Zustimmung bei der CDU)
Die Herausforderungen bei den Energiekosten nicht nur beim Strom, sondern es ist bei Gas, Öl, Pellets, überall ist es das Gleiche sind doch bekannt. Wir kennen die Themen. Wir wissen, an welcher Stelle wir Einfluss nehmen können und an welcher Stelle wir es nicht machen können. Ich empfehle Ihnen und den Kollegen der AfD, die es immer wieder kritisieren, bewerben Sie sich für ein Mandat im Europäischen Parlament oder im Deutschen Bundestag.
(Zuruf von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD)
Dort können Sie diese Themen, die Sie oft genug versuchen, im Landtag von Sachsen-Anhalt zu thematisieren, weit besser lösen als hier vor Ort.
(Frank Otto Lizureck, AfD: Wer hat denn die Windenergie ausgebaut? Das wart ihr doch! - Weitere Zurufe)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Frau Dr. Pähle, bitte.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, Sie haben über die großen Erfolge und Ansiedlungen in Sachsen-Anhalt gesprochen. Ja, das ist auch das, was uns alle positiv in die Zukunft blicken lässt.
(Zustimmung von Chris Schulenburg, CDU)
Wenn ich es ist schon ein paar Wochen her gesehen habe, wie Ihre öffentliche Kommentierung des chinesischen Autogipfels gewesen ist, und insbesondere die Feststellung, dass mittlerweile deutsche Vorzeigeunternehmen wie BMW, Audi und VW ins Hintertreffen geraten sind, weil die Einschätzung ist, sie hätten den Zug bei E-Mobilität verpasst,
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Nein, weil E-Mobilität Schwachsinn ist! Deshalb!)
dann gebe ich zu, gerade in einem Bundesland, das so viele Automobilzulieferer hat wir wissen, es steht ein Wandel vor der Tür, einfach weil E-Autos aus weniger Teilen gebaut werden , habe ich mir die Frage gestellt, ob es tatsächlich auch für unsere Wirtschaftsstruktur ein Risiko gibt
(Tobias Rausch, AfD: Klar gibt es das!)
und was wir tun müssen, um für unsere Wirtschaft in Sachsen-Anhalt übrigens auch in anderen Bereichen; ich erinnere nur an die Salzgitter AG in Ilsenburg das Signal zu setzen, jetzt ist der richtige Moment, um z. B. auf veränderte Produktionsprozesse und veränderte Produkte umzuschwenken. Sehen Sie das genauso wie ich?
(Tobias Rausch, AfD: So ein Schwachsinn! Wenn das kommt, dann gibt es Firmen wie Trimet in Harzgerode nicht mehr!)
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Also, in Sachsen-Anhalt sind aktuell ca. 25 000 Menschen in der Automobilzulieferindustrie beschäftigt. Wir haben, wenn ich einmal Daimler Truck ein bisschen herausnehme, kein OEM bei uns in Sachsen-Anhalt. Das ist bekannt. Das heißt, wir sind extrem stark abhängig als Zulieferer.
Es ist, glaube ich, vorauszusagen, dass nicht alle diese Arbeitsplätze in der Form in den nächsten zehn Jahren oder 15 Jahren noch existieren werden. Mit „in der Form“ meine ich, dass wir einen Transformationsprozess haben. Zum einen müssen sich die Unternehmen, die das können das kann leider nicht jedes Unternehmen , darauf einstellen, dass sie zumindest dann, wenn sie weiterhin in Deutschland und Europa Automobilzulieferer sein wollen, sehr stark unter anderem auf das Thema Elektromobilität setzen müssen.
Zum anderen ist es Aufgabe der Politik, dafür zu werben, dass wir andere Wirtschaftszweige hierher bekommen. Es ist schön, dass wir in dem Fall den Semiconductor-Sektor, also die Chipindustrie, nicht nur mit Intel, mit AVnet usw. hier haben. Das sind auch entsprechend positive Signale für die Menschen für die Zukunft.
Was die Automobilindustrie in Gänze angeht, haben Sie mit mir natürlich jemanden, der zehn Jahre lang in diesem Bereich als Ingenieur gearbeitet hat. Ich sehe es unterschiedlich. Ich habe darüber gerade in den USA diskutiert und bin auch noch sehr stark in die Thematik Asien involviert. Wir werden in den Bereichen mit Sicherheit einen Technologiemix haben. Wir werden also nicht einseitig auf Elektromobilität setzen, sondern es wird noch viele Bereiche auf dieser Welt geben, in denen der Verbrennungsmotor noch Jahre und Jahrzehnte im Einsatz sein wird.
(Zustimmung von Markus Kurze, CDU, von Ulrich Thomas, CDU, bei der AfD und bei der FDP)
Das wird natürlich eine gewisse Herausforderung sein, weil die Produktionsstätten dann oft natürlich nicht mehr in Europa sein werden, sondern in anderen Regionen dieser Welt. Es bietet aber trotzdem Möglichkeiten für unsere heimische Industrie ich selbst habe für einen Mittelständler gearbeitet, der in China und an anderer Stelle aktiv war , dort weiter aktiv zu sein.
(Zustimmung bei der CDU)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, es gibt eine weitere Nachfrage von Herrn Kosmehl.
Guido Kosmehl (FDP):
Vielen Dank. - Herr Minister Schulze, Sie haben, ähnlich wie der Kollege Thomas betont, dass wir Fachkräftezuwanderung auch für Sachsen-Anhalt brauchen. Kann ich daraus schließen, dass Sie sich als Landesvorsitzender der CDU und als Wirtschaftsminister auch in die Diskussion um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, dessen Entwurf in dieser Woche in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde, einbringen und es positiv begleiten werden, um Zuwanderung von Fachkräften auch nach Sachsen-Anhalt zu ermöglichen?
(Ulrich Thomas, CDU: Wir helfen, wo wir können!)
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Zunächst einmal, lieber Kollege Kosmehl, konzentriere ich mich natürlich auf das schöne Land Sachsen-Anhalt, weil ich hier meine Hauptaufgabe sehe. Nichtsdestotrotz ist es so es ist ja bekannt , dass ich in Berlin und Brüssel viel unterwegs bin und viele Gespräche führe.
Ich denke, von niemandem innerhalb der CDU, weder in meinem Bundesland Sachsen-Anhalt noch in der CDU Deutschlands, ist bisher bestritten worden, dass wir eine Herausforderung bei Fachkräften haben. Wenn man sich den demografischen Wandel anschaut, dann wird deutlich, dass wir in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2035 ca. 300 000 Menschen auf dem Arbeitsmarkt verlieren werden.
Das werden wir bei der momentanen Geburtenzahl von 14 000 bis 15 000 pro Jahr im Jahr 1990 waren es meines Wissens um die 30 000 Geburten; also round about die Hälfte nicht ausschließlich mit den Menschen in Sachsen-Anhalt hinbekommen. Das ist natürlich unsere Präferenz, das ist unser aller Präferenz, dass in erster Linie die Menschen, die hier leben, in Arbeit kommen, und dass wir die Menschen, die noch nicht arbeiten wollen, dafür qualifizieren und ihnen auch sagen, dass es ganz gut ist, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.
Fakt ist aber auch das ist auf Ihre Frage gemünzt , natürlich setze ich mich auch in Berlin dafür ein, dass wir realistisch realistisch! Einwanderung in den Arbeitsmarkt hinbekommen. Zur Realität gehört es auch festzustellen, dass die Einwanderung, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, nicht dazu geführt, dass wir eine Einwanderung in den Arbeitsmarkt bekommen haben.
(Christian Hecht, AfD: Ach nee! Echt nicht?)
Das ist das, was wir ändern wollen, was wir ändern müssen. Dazu gehört auch das Thema Einwanderung von Fachkräften. Dazu werde ich mich natürlich auch in Berlin entsprechend zu Wort melden.
(Zustimmung von Markus Kurze, CDU, und von Ulrich Thomas, CDU)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Es gibt noch eine Frage. - Herr Rausch, bitte.
Tobias Rausch (AfD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Wirtschaftsminister Schulze, Sie hatten ausgeführt, wie wichtig die Zulieferindustrie in Sachsen-Anhalt ist. Das ist alles korrekt. Frau Pähle hat aber darauf hingewiesen, dass im Zuge der E-Mobilität natürlich viele Firmen, die hier ansässig sind ich denke an Trimet in Harzgerode oder auch an die Firma Nemak in Wernigerode , betroffen sind.
Wenn wir das Aus für Verbrenner beschließen, dann frage ich Sie, was sollen diese Firmen noch produzieren? Sie produzieren natürlich Motorblöcke und Gehäuse. Das sind genau diese Firmen, bei denen Hunderte Menschen arbeiten, die topp bezahlt werden,
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
die dann ins Ausland abwandern, so, wie es BMW und Audi gesagt haben. Sie verlagern einfach die Produktionsstrecken ins osteuropäische oder chinesische Ausland. Dann stellt sich doch die Frage, wie können Sie das politisch wollen. Das verstehe ich nicht.
(Olaf Meister, GRÜNE: Mit Ihnen hätten wir noch die Dampfmaschine! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Das Pferdefuhrwerk!)
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Also, es ist nicht so, Herr Kollege Rausch, das Unternehmen auch im mittelständischen Bereich nicht jetzt schon Produktionsstätten im Ausland hätten. Es ist z. B. so ich weiß nicht, wie weit Sie im Thema stecken; ich habe es viele Jahre lang vor meiner Zeit in der Politik selbst gemacht , wenn man in China aktiv sein will, dann ist die Voraussetzung dafür oft, dass man dort Partnerschaften mit regionalen Unternehmen eingehen muss,
(Tobias Rausch, AfD: Das weiß ich!)
bis dahin, dass man dort Produktionsstätten haben muss. Das ist übrigens das, worüber wir auf europäischer und deutscher Ebene immer wieder diskutieren, dass wir das, was die Chinesen von uns erwarten, gleichermaßen von den Chinesen hier erwarten, d. h., dass sie diese Offenheit, die wir geben, auch geben müssen, damit Unternehmen wie bspw. Trimet und andere, wenn sie es machen wollen, diese Partnerschaften in China nicht eingehen müssen, sondern dort selber investieren können.
Fakt ist das habe ich auch erwähnt , es ist auch für solche Unternehmen eine riesengroße Herausforderung. Ich habe es eben ganz bewusst gesagt und, ich denke, es hat mich auch jeder verstanden, nicht jedes Unternehmen wird in der Lage sein, diesen Transformationsprozess hinzubekommen.
Es ist aber auch so das gehört auch zur Wahrheit , wenn wir uns bspw. den großen VW-Konzern anschauen, dann sehen wir, dass sie von sich aus, intern entschieden haben, sehr stark auf Elektromobilität zu setzen. Es gibt andere Unternehmen, die schauen eher auf E-Fuels und
(Tobias Rausch, AfD: Woran liegt denn das? - Weil das Land Niedersachsen Hauptanteilseigner ist!)
- Wie bitte?
(Tobias Rausch, AfD: Das liegt doch daran, dass das Land Niedersachsen große Anteile daran hat! Das ist doch der politische Grund!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Keine Dispute, bitte!
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Ja, es ist schon so, dass man solche Entscheidungen respektieren muss. Ob sie am Ende gut sind oder nicht, sei dahingestellt. Es ist eine unternehmerische Entscheidung. Das muss man auch wissen.
Deshalb ist es so, wenn man Automobilzulieferer ist, dann muss man sich auch daran orientieren, welche Produkte die Endkunden von einem erwarten. Es gibt Unternehmen diese gibt es auch in Sachsen-Anhalt, übrigens auch gefördert mit GRW-Mitteln aus dem Bundesministerium , die in diesen Transformationsprozess eingestiegen sind. Es gibt Unternehmen, die das noch nicht gemacht haben.
Wir brauchen, um am Ende vielleicht auf die Arbeitnehmer zurückzukommen, für jeden Menschen, der in Sachsen-Anhalt lebt, eine vernünftige Perspektive, um hier arbeiten zu können. Das haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschafft. Deshalb, denke ich, dass wir auch hoffnungsvoll in die Zukunft im Bereich Wirtschaft schauen können. Ich werde dazu meinen Beitrag leisten. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU)