Andreas Henke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Der Kollege Bernstein hat es korrekterweise klargestellt: Nach dem Grundgesetz sind die Länder verpflichtet, die Gemeinden zur Wahrnahme ihrer Aufgaben angemessen an den Landeseinnahmen zu beteiligen, und zwar so, dass die Leistungsfähigkeit finanzschwacher Gemeinden durch das Vorhalten der erforderlichen Mittel abgesichert wird.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Das erfolgt im Wesentlichen durch die Schlüsselzuweisungen zur Aufstockung der gemeindlichen Deckungsmittel der Erträge der Gemeinden, natürlich mit Ausnahme der besonders steuerstarken, abundanten Gemeinden. Dabei sind - auch das wissen Sie - die Steuermesszahl und die Bedarfsmesszahl die wesentlichen Kenngrößen mit Einfluss auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen.
Allerdings gibt es in unserer Landesverfassung und auch im Finanzausgleichsgesetz keine verbindliche, rechtsgültige Definition dazu, was „angemessen“ und „auskömmlich“ heißt. Auch das dem Gesetzentwurf vorausgegangene Gutachten zur Beantwortung der Frage, ob wir überhaupt eine gerechte Verteilung der Finanzmittel vornehmen, definiert nicht, was angemessen und was auskömmlich ist, sondern orientiert sich lediglich an der Wirksamkeit von fiskalischen Kriterien sowie den Haupt- und Nebenansätzen zur Ermittlung des Finanzbedarfs und zur Festsetzung der Höhe von Zuweisungen.
Der Landesrechnungshof hat im Herbst dieses Jahres mit seinem Bericht zur Lage der Kommunen ein eindrucksvolles und auch sehr differenziertes Bild gezeichnet. Dem war insgesamt zu entnehmen, dass die Erträge der Kommunen in dem zugrunde gelegten Zeitraum zwar deutlich angestiegen sind, auf der anderen Seite gab es aber auch stark erhöhte Ausgaben. Insbesondere der letzte Aspekt hat in den beiden vergangenen Jahren, 2022 und 2023, noch einmal für eine zusätzliche Anspannung der kommunalen Kassenlage gesorgt. Bei vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen waren zur Sicherung der Liquidität Kassenkredite mit natürlich neuen Belastungen aus der Finanzierungslast notwendig geworden. Für nicht wenige Gemeinden und Landkreise ist die Haushaltskonsolidierung ein chronischer Dauerzustand. Der Kollege Dr. Schmidt hat das gestern in der Debatte zur Schuldenbremse bildhaft dargestellt.
Die Pro-Kopf-Verschuldung der Kernhaushalte ist in Sachsen-Anhalt seit Ende des Jahres 2022 um 72 € auf 1 338 € gestiegen. Die Zahl der Gemeinden in schwieriger, teils sehr prekärer Haushaltslage ist leider nicht kleiner geworden. Das hat mittlerweile fatale Auswirkungen.
Die Pflicht zur Haushaltskonsolidierung - Sie alle kennen das aus Ihren kommunalen Gremien - ist ein bestimmendes Dauerthema geworden. Pflichtaufgaben, Gefahrenabwehr und vertragliche Bindungen können noch erfüllt werden - mehr geht nicht. Längst überfällige, dringend notwendige Sanierungen von technischer Infrastruktur, Straßenverkehrsinfrastruktur oder Bildungsinfrastruktur werden Jahr für Jahr hinausgeschoben. Ich kenne Gemeinden in meinem Wahlkreis, die zwar noch einen Brandschutzbedarfsplan aufstellen und sagen, welche Technik substituiert werden muss, aber schon gar keine Jahreszahlen mehr dazuschreiben, weil sie wissen, dass sie das Geld dafür gar nicht haben.
Die soziale Daseinsvorsorge wird reduziert oder die Leistungen werden zumindest verteuert. In den vergangenen Wochen war immer wieder von Kommunen zu lesen, die Parkgebühren, Hundesteuer oder Gebühren für Kita-Betreuung, Hortbetreuung oder auch Kreismusikschulen anheben. So hat es am vergangenen Montag der Kreistag Wittenberg entschieden. Umso mehr ist es unsere Aufgabe, mit dem Finanzausgleichsgesetz auch eine verlässliche fiskalische Struktur für unsere drei kreisfreien Oberzentren, für die elf Landkreise und für die 215 kreisangehörigen Gemeinden zu schaffen,
(Zustimmung bei der LINKEN)
wohl wissend - das sage ich an dieser Stelle immer wieder, ohne müde zu werden : Wir als Land sind nicht der großzügige Gönner oder Geber; wir verteilen das Geld, welches zuvor von den Menschen im Land erwirtschaftet wurde. Damit ist das Land immer nur so stark und so resilient, wie unsere Kommunen es sind. In diesem Zusammenhang erkennt meine Fraktion natürlich an, dass die Finanzausgleichsmasse zum dritten Mal in Folge angestiegen ist.
Zwei Dritteln der Gemeinden wird es mit der Umsetzung dieses Gesetzes besser geben. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass ein Drittel davon nicht profitieren wird. Der Minister hat es deutlich gemacht: Dafür gibt es zumindest teilweise den Ausgleich aus dem Ausgleichsstock. Die Besserstellung betrifft insbesondere kleinere Gemeinden, die genauso die Erwartungen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner erfüllen wollen - an gleichwertige Lebensverhältnisse oder an die Bereitstellung öffentlicher Leistungen in einem angemessenen Maß, oder sie wollen einfach nur eine gut befahrbare Dorfstraße in ihrem Ort haben.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Wir alle wissen, dass die grundhafte Sanierung, der grundhafte Ausbau einer Straße von 500 m Länge in der Ortslage nicht preiswerter ist, weil der Ort 1 500 Einwohner hat. Das ist genauso teuer wie in einem Ort mit 15 000 oder 150 000 Einwohnern.
Abschließend noch eine kritische, in die Zukunft gerichtete Bemerkung mit Blick auf das angestrebte Gutachten zum vertikalen Ausgleich. Ich denke, es ist vielleicht angebracht - das sage ich auch aus meiner vorangegangenen Zeit
Vizepräsident Wulf Gallert:
Vor allen Dingen schnell, Herr Henke. Sie liegen deutlich über Ihrer Redezeit. Sie müssen es sehr schnell sagen.
Andreas Henke (DIE LINKE):
Danke sehr.
(Rüdiger Erben, SPD, und Olaf Meister, GRÜNE, lachen)
Lassen Sie uns gemeinsam noch einmal darüber nachdenken - damit nehme ich die Forderungen des Deutschen Städtetages auf , Zweckzuweisungen und auch viele Förderprogramme auf ein gesundes, minimales Maß zu reduzieren, das frei werdende Geld dann in die allgemeinen Zuweisungen zu geben und damit auch die Eigenverantwortung der Kommunen zu stärken. - Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)