Guido Kosmehl (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Gallert, ich fange einmal bei Ihnen an, weil mich das heute Vormittag schon etwas gewundert hat. Wenn das die Position der Linken ist, dass alle vollziehbar Ausreisepflichtigen nur vergessen haben, ihre Duldung zu verlängern,
(Lachen bei der CDU und bei der AfD)
dann gute Nacht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der AfD)
Ich tue mich immer schwer, der AfD zu erklären, dass es verschiedene Schutzstatus gibt und dass man die in unterschiedlichen Etappen mit Duldung, vollziehbar und nicht vollziehbar - - Wenn ich das jetzt auch noch bei Ihnen machen muss, ganz ehrlich, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Wir haben eine relativ hohe Anzahl an Menschen in Deutschland, aber auch in Sachsen-Anhalt, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, bei denen es keinen Duldungsgrund gibt, wo nach einem rechtsstaatlichen Verfahren kein Bleiberecht in Deutschland festgestellt wurde. Diese Menschen sind aufgefordert, das Land zu verlassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn sie dem nicht nachkommen, dann ist der Staat wegen der Durchsetzung von Recht und Ordnung in der Pflicht, diese Abschiebung durchzusetzen.
(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich nicht, dass die AfD den CDU/CSU-Antrag aus dem Bundestag abgeschrieben hat und nicht - darauf hätte man kommen können - den Antrag, den ihre eigene Fraktion im Bundestag gestellt hat, zur Vorlage zu nehmen, weil Sie unter anderem fordern, dass wir wieder Grenzzäune bauen.
(Oliver Kirchner, AfD: Ja!)
Sie wollen Deutschland wieder mit einem dauerhaften Grenzzaun und Sicherungsanlagen versehen.
(Oliver Kirchner, AfD: Wenn er Menschenleben rettet, ja!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das passt in Ihr antieuropäisches Gehabe, aber das ist sicherlich nicht der Weg, den das vereinte Deutschland in einem vereinten Europa gehen sollte. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bekommen Sie dafür von uns auch keine Unterstützung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Migration ist auf vielen verschiedenen Ebenen zu bearbeiten, aber die Hauptentscheidung treffen die Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Das ist weniger etwas, was der Landtag von Sachsen-Anhalt aus seiner Kompetenz heraus abarbeiten kann. Zu dem, womit wir uns in Sachsen-Anhalt in der Ausführung der Bundesgesetze bspw. beschäftigen müssen, haben Sie nichts gesagt,
(Rüdiger Erben, SPD: Genau!)
weil Sie zwar den Antrag abgeschrieben, aber nicht überlegt haben, ob es eine landespolitische Kompetenz gibt, worüber man hier reden kann.
(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt Dinge, über die wir landespolitisch diskutieren müssen, auch zum Thema Migration.
(Tobias Rausch, AfD: Haben wir doch schon alles!)
Wir können gern einmal darüber diskutieren, wie wir zum Beispiel die Anzahl der Abschiebungen bzw. freiwilligen Ausreisen, die in den letzten Jahren erfreulicherweise gestiegen sind, noch weiter voranbringen können, ob wir da noch Optimierungspotenzial haben. Wir müssen darüber diskutieren, warum es viele Jahre lang - jetzt schaue ich einmal zu den geschätzten Kollegen von CDU und SPD und ihrem ehemaligen Koalitionspartner - nicht gelungen ist, in Sachsen-Anhalt eine Abschiebesicherungsanstalt zu bauen, und zwar für Sachsen-Anhalt.
(Oliver Kirchner, AfD: Haben wir auch schon beantragt!)
Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren Herr Kirchner, Sie kommen doch wieder zu spät!
(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD - Weitere Zurufe von der AfD)
Diese Koalition aus CDU, SPD und FDP - wir haben es auf den Weg gebracht,
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
und sie wird kommen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, sie kommt eigentlich einen Tick zu spät. Das ist der Punkt.
(Zurufe von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, und von Oliver Kirchner, AfD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden über das Stöckchen, das Sie uns hinhalten, nicht springen, sondern wir werden diesen Antrag, weil das Thema Migration ein sehr wichtiges ist, in den zuständigen Ausschuss überweisen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss - ganz kurz, Frau Präsidentin - aus der Sicht der Freien Demokraten noch eines sagen. Ich bedauere ausdrücklich, dass es nicht gelungen ist, weder im Deutschen Bundestag noch hier im Landtag von Sachsen-Anhalt, dass aus der politischen Mitte eine gemeinsame Positionierung zur Migrationspolitik entstanden ist. Ich hoffe, dass wir das als Deutschland-Koalition gemeinsam in den Ausschüssen hinbekommen, weil es dieses Land Sachsen-Anhalt, aber auch die Menschen hier verdient haben, eine klare Antwort zu bekommen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kosmehl, es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert.
Guido Kosmehl (FDP):
Dann bitte.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert, bitte.
Wulf Gallert (Die Linke):
Noch einmal, Herr Kosmehl: Es geht mir um den Punkt 3, in dem die vollziehbar Ausreisepflichtigen, ein Begriff, der übrigens juristisch so nicht definiert ist, sondern es ist ein politischer Begriff, der jetzt mit diesem Antrag und einige Wochen vorher durch Herrn Merz eingeführt wurde, ab sofort sofort in Haft zu nehmen sind. Das steht darin. Darüber dürften wir uns jetzt einig sein. Jetzt geht es darum, um welche Personengruppe es sich dabei handelt. Herr Erben sprach von etwa 1 000 bei uns in Sachsen-Anhalt. Laut Aussage von Statista sind es genau 803 hier in Sachsen-Anhalt. Ausreisepflichtige als solche sind nach Aussagen der Landesregierung 4 704. Die Landesregierung sagt übrigens, sie kann nicht zusammentragen, wie viele vollziehbar Ausreisepflichtige es sind.
(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)
Die Antwort habe ich gestern bekommen. Jetzt frage ich Sie noch einmal: Wir haben gerade diesen Artikel aus dem Harz mit der vietnamesischen Großmutter. Das ist genau das Problem. Sie musste sich monatlich einmal melden. Dann gab es ein Problem mit dem Pass. Deshalb ist sie jetzt abgeschoben worden. Sie durfte sich nicht einmal von ihrer Enkelin verabschieden, obwohl Arbeitsplatz mit allem Drum und Dran. Das ist genau so ein Fall. Nach der Umsetzung des Punktes 3 hätte diese Frau sofort in den Knast gemusst. Das ist das, was beschlossen wurde.
Jetzt sagen Sie mir bitte einmal, was an meiner Argumentation falsch ist und wie Sie als Jurist zu diesem Punkt stehen, dass alle, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, also ohne einen Aufenthaltstitel, weil man unter anderem vergessen hat, seine Duldung zu verlängern, und einmal nicht erschienen ist, ab sofort sofort in Haft zu nehmen sind.
Mich würde Ihre Position, auch Ihre persönliche, dazu interessieren.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kosmehl.
Guido Kosmehl (FDP):
Frau Präsidentin! Verehrter Kollege Gallert, zwei Punkte. Erst einmal haben Sie am Ende Ihrer Frage selbst eingeräumt, dass man unter anderem vergessene Duldungen nachholen muss, weil - -
(Zuruf: Nein! Das stimmt nicht!)
- Ja. Sie haben in der Debatte mehrfach genau das gesagt, alle sozusagen, weil sie vergessen haben, Duldungen zu machen, zu verlängern, das zu machen. Ich sage Ihnen - -
(Unruhe - Zurufe: Nein! - Ach was! - Was für ein Quatsch ist das? - Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)
- Ach, Herr Lange. Ich will das ganz klar sagen: Der Punkt 3 des AfD-Antrags - Klammer auf: abgeschrieben von CDU/CSU-Bundestagsfraktion - ist unscharf. Er ist aus meiner Sicht auch juristisch nicht zu 100 % umsetzbar. Das sind übrigens auch die Worte, wie Sie festgestellt haben, wenn Sie die Plenardebatte im Deutschen Bundestag verfolgt haben, die der Bundesvorsitzende der Freien Demokraten gewählt hat, der gesagt hat, der Antrag sei an einigen Ecken unscharf und auch rechtlich an der Grenze des Machbaren. Bei Zurückweisungen streiten sich Juristen, ob das geht, ob das Asylverfahren vor der Grenze, nach der Grenze erfolgt, usw. Das war aber nicht unser Antrag. Aus meiner Sicht ist er an der Stelle falsch.
Kommen wir zu der Frage der vollziehbar Ausreisepflichtigen.
(Unruhe)
Dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Wenn es keine Abschiebehindernisse gibt und wenn auch rechtlich geklärt ist, dass kein Bleiberecht besteht, dann ist das für mich jemand, der vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ohne Duldung, ohne Abschiebehindernisse haben diese Menschen kein Bleiberecht in Deutschland und müssen Deutschland verlassen.
(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)
Jetzt sage ich Ihnen, weil Sie den Fall angesprochen haben - das ist leider kein Einzelfall; es gibt sehr viele dieser Fälle -, dass es auch gut Integrierte gibt. Genau aus diesem Grund hat die Ampelregierung mit der letzten Novelle des Ausländerrechts die Möglichkeit des Spurwechsels gegeben, weil wir nämlich genau wollten, dass Menschen, die aus Gründen des Asyls oder aus Gründen eines subsidiären Schutzes hierhergekommen sind, wenn sie sich hier integrieren und der Schutzgrund wegfällt, trotzdem hier einen dauerhaften Aufenthaltstitel bekommen. Deshalb wollten wir diesen Spurwechsel nach Prüfung. Das ist auf den Weg gebracht worden.
Dass das im Einzelfall trotzdem nicht funktioniert, ist übrigens keine Neuerung, das ist seit vielen Jahren so. Ich erinnere mich noch daran, dass wir vor 15 Jahren Fälle gehabt haben, wo wir Menschen sagen mussten: Ihr müsst ausreisen, aber ihr könnt wieder einreisen, weil ihr dann hier wieder einen Zugang bekommt. Trotzdem ist es bedauerlich, dass es solche Fälle gibt.
Aber noch einmal: Es gibt sehr, sehr viele, auch in Sachsen-Anhalt, die ohne Bleiberecht, ohne Abschiebungsverbot, ohne Duldungsgrund vollziehbar ausreisepflichtig sind.
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Die müssen Sachsen-Anhalt verlassen.