Tagesordnungspunkt 11
Flächenfaktor einführen - Jugendarbeit auf dem Land stärken!
Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1710
Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1757
Einbringer ist Herr Pott. - Während Herr Pott einbringt, wechseln wir in der Sitzungsleitung. - Bitte.
Konstantin Pott (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der eigentliche Anlass des heute vorliegenden Antrags liegt noch vor der aktuellen Legislaturperiode. Seine Ursachen reichen sogar noch deutlich weiter zurück. Zwar wurde 2018/2019 mit der neuen Richtlinie zur Jugendarbeit die Arbeit der Jugendverbände verbessert, da somit die Förderung der landesweit tätigen Jugendbildungsreferenten gestärkt wurde. Seitdem ist leider nicht mehr viel in diesem Bereich passiert.
Im September 2019 wurde im Landtag eine Petition durch den Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt mit mehr als 6 000 Unterschriften übergeben, um auf die komplizierte finanzielle Situation in der Jugendarbeit des Landes aufmerksam zu machen.
Bereits um die Jahrtausendwende wurde hier eine Schere zwischen den Aufgaben der Jugendarbeit und den finanziellen Möglichkeiten festgestellt, wodurch sich die Rahmenbedingungen, die Qualität und Quantität von Betreuern, Pädagogen und Material verschlechtern.
Fünf Monate danach wurde im Petitionsausschuss am 20. Februar 2020 eine öffentliche Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. - So weit, so folgenlos.
Die Probleme in der Jugendarbeit sind zum einen eine Unterfinanzierung, die - wie ich bereits erwähnte - seit Ende des letzten Jahrtausends zu beobachten ist. Zum anderen bestehen große Unterschiede in Sachsen-Anhalt zwischen den ländlichen Regionen und den urbanen Zentren. Das Angebot an Jugendklubs und Vereinen ist in den kreisfreien Städten, z. B. in Halle oder in Magdeburg, gut und reichlich vorhanden und wird entsprechend genutzt.
Ziel der Koalitionsfraktionen ist es, mit diesem Antrag die Jugendarbeit zu stärken. Ich möchte mich an der Stelle auch bei den Koalitionspartnern für die gute und konstruktive Zusammenarbeit bei der Erstellung dieses Antrags bedanken.
(Beifall bei der FDP)
Der Verteilungsschlüssel der Landesförderung sollte nicht ausschließlich pro Kopf erfolgen, sondern es sollten verschiedene Faktoren, die die spezifische regionale Situation abbilden, ergänzend berücksichtigt werden.
Der einzuführende Flächenfaktor wirkt dabei als ein Ausgleichsmechanismus, um das große Gefälle zwischen Kommunen auf dem Land und den kreisfreien Städten etwas abzuflachen. So soll ein gewisser Prozentsatz der Mittel aus dem Haushaltsposten des Kinder- und Jugendhilfsgesetzes nach der Fläche vergeben werden.
Ich freue mich sehr, dass das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung diese Überlegungen bereits bei der Überarbeitung des KJHG LSA mit einfließen lässt. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit den Verbänden eine gute Lösung in der Umsetzung finden werden. Damit stellen wir sicher, dass die Finanzierung gerechter verteilt wird und dass wir den ländlichen Regionen wieder mehr Möglichkeiten für Jugendarbeit eröffnen.
(Beifall bei der FDP)
Wir alle wissen, wie wichtig der ländliche Raum für die Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt ist.
Uns allen ist, denke ich, auch bewusst, dass wir dabei die Jugend mitdenken müssen. Ländliche Regionen haben andere Anforderungen an die Jugendarbeit, als das häufig in Städten der Fall ist. Ganz häufig sind das generell die Unterschiede, die es zum städtischen Raum gibt. Gerade die längeren Wege dürfen wir nicht außer Acht lassen. Wenn ein 14- oder 15-Jähriger von einem Ort in den anderen möchte, dann gibt es dafür nur wenige Möglichkeiten: ÖPNV, die Eltern, die ihn fahren, oder vielleicht auch das Fahrrad. Aber all diese Möglichkeiten stehen eben nicht immer zur Verfügung.
Durch all diese Faktoren wird der ländliche Raum aktuell doppelt geschwächt. Zum einen gibt es weniger junge Menschen, wodurch weniger Geld zur Verfügung steht, zum anderen muss mit diesen begrenzten Mitteln dann auch noch eine größere Fläche abgedeckt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Zustand ist aus meiner Sicht nicht hinnehmbar. Wenn wir über ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt sprechen wollen, dann dürfen wir die Jugend und die Jugendarbeit auf dem Land nicht vergessen.
(Zustimmung bei der FDP und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Doch warum sollte die Jugendarbeit überhaupt gestärkt werden? - Jugendarbeit bietet einen wichtigen Lern- und Erfahrungsraum außerhalb von Schule und Familie. Dort, wo der schulische Raum oft strengere Vorgaben macht und weniger Möglichkeiten lässt, sich seinen Interessen zu widmen oder diese selbst auszuleben, bieten Jugendeinrichtungen vielfältige Möglichkeiten. Es ist nicht zu unterschätzen, dass sie ein weiterer Ort für soziale Kontakte und eventuelle neue Freundschaften sind. Insbesondere in den Phasen des Lockdowns und der sozialen Isolation wurde deutlich, wie wichtig diese Möglichkeiten für die Entwicklung junger Menschen sind.
Die Klubs und Vereine sind Begegnungsorte, um mit Gleichaltrigen in Kontakt zu kommen, Orte, an denen man sich selbst ausprobieren, Grenzen, Leidenschaften und Begabungen entdecken kann. Kommunale Jugendarbeitsstrukturen wie die Ortsgruppe der Jugendfeuerwehr oder der Jugendklub um die Ecke bilden die Basis einer guten Jugendpolitik.
(Zustimmung von Tim Teßmann, CDU)
Sie bieten als Orte, die junge Menschen freiwillig besuchen und aktiv mitgestalten, einen wichtigen Ansatzpunkt für die Selbstpositionierung und Verselbständigung junger Menschen. Sie ermöglichen eine aktive Beteiligung junger Menschen vor Ort, aber auch an landesweiten Projekten.
Zudem ist die Jugendarbeit Teil eines präventiven Netzes. Junge Menschen sich selbst zu überlassen, am besten noch beschäftigungs- und im schlimmsten Fall perspektivlos, darf keine Option für uns sein. So kann einer möglichen Straffälligkeit oder Suchtentwicklung bereits in jungen Jahren vorbeugend entgegengewirkt werden. Damit kann außerdem ein Beitrag dazu geleistet werden, Jugendliche und junge Menschen in den ländlichen Regionen zu halten, ihnen eine Bleibeperspektive zu eröffnen und die Landflucht nicht weiter zu befeuern.
Wenn perspektivisch Angebote für spätere eigene Kinder bestehen, eigene Freunde und Bekannte vermehrt ihren Heimatort nicht verlassen und junge Menschen einfach das Gefühl haben, dass es ihnen in der eigenen Kindheit und Jugend nicht an Möglichkeiten der Partizipation und Freizeitgestaltung gefehlt hat, bleiben diese Menschen in den Regionen oder kommen später einmal zurück.
(Zustimmung bei der FDP, bei der SPD und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Davon kann gerade der ländliche Raum in Sachsen-Anhalt profitieren.
Uns ist bewusst, dass dieser Antrag nicht das Ende der Fahnenstange sein darf, sondern nur im Verbund komplett wirken kann. Das generelle Mobilitätsangebot muss ausgebaut werden; denn nicht jeder hat, wie bereits gesagt, die Möglichkeit, auf das eigene Auto zurückzugreifen. Im Winter im Dunkeln Fahrrad zu fahren ist dann auch gefährlich. Und so kommen junge Menschen häufig nicht von A nach B.
Natürlich spielt auch die finanzielle Ausstattung der Jugendarbeit insgesamt eine Rolle. Darüber werden wir perspektivisch mit Sicherheit sprechen. Aber - auch in Bezug auf den Alternativantrag der LINKEN solche Forderungen, wie Sie sie hier aufstellen, ohne Gegenfinanzierung, halte ich für nicht zielführend und nicht seriös.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Schon mehrfach habe ich an diesem Rednerpult gesagt, Kinder und Jugendliche seien unsere Zukunft. Damit dies keine allgemeine Phrase bleibt, müssen diesen Worten natürlich auch Taten folgen. Wir lassen den Worten des Koalitionsvertrages Taten folgen. Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen zum Flächenfaktor ist nur einer der Bausteine für eine solide Jugendarbeit, aber er geht in diese Richtung. Daher bitte ich um Zustimmung dazu. - Vielen Dank.