Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! So sonor wie Herr Prof. Willingmann kann ich zwar nicht sprechen, aber ich bemühe mich sehr, dass es laut und deutlich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Energiepreisentwicklung in den letzten Wochen bleibt ein wichtiges Thema und wird daher zu Recht in der heutigen Aktuellen Debatte thematisiert. Nach den aufgeheizten Entwicklungen an den Energiebörsen in der zweiten Hälfte des letzten Jahres bekommen die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher diese Auswirkungen zum Teil auf dramatische Weise zu spüren. Wir reden hierbei von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Euro an Mehrkosten für einen Musterhaushalt im Jahr.
Die meisten Energieversorger geben dabei die höheren Beschaffungspreise für Erdgas und Strom an ihre Kundinnen und Kunden weiter. Die Höhe dieser Anpassungen wird vor allem durch die Beschaffungsstrategien der Unternehmen bestimmt. Unternehmen, die sich langfristig absichern, sind weniger stark von den kurzfristigen Preisanstiegen betroffen als Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, von kurzfristigen Preisrückgängen am Spotmarkt zu profitieren und somit besonders günstige Tarife anbieten zu können.
Wir alle kennen diese Discountangebote - häufig via Internet - und deren Attraktivität für Tarifwechsel. Vor allem die zweite Kategorie - auch Energiediscounter genannt - bringt die Abläufe der Energieversorgung und deren Bezahlbarkeit in große Turbulenzen. Ein Großteil dieser Unternehmen konnte den Preisanstieg der letzten Monate nicht kompensieren und hat daraufhin entweder Insolvenz angemeldet oder Kunden in großem Umfang gekündigt.
Es gibt entsprechende Hinweise, dass sich einige dieser Unternehmen auch rechtsmissbräuchlich verhalten haben und auf Kosten der privaten Verbraucherinnen und Verbraucher Kasse gemacht haben. Derartiges Verhalten darf nicht toleriert werden.
Es ist daher zu begrüßen, dass die Bundesnetzagentur entsprechende Verdachtsfälle genauer prüft und auch, dass die Verbraucherschutzverbände ihre Stimme erheben und eingreifen.
Besonders problematisch ist in der Folge, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in großer Zahl - mittlerweile sprechen wir über rund eine Million Strom- und Gaskundinnen und -kunden bundesweit - sehr kurzfristig in die Grund- und Ersatzversorgung fallen und die entsprechenden Unternehmen wiederum gezwungen sind, kurzfristig Energie zu beschaffen. Mit Blick auf die Energiepreise an den Spotmärkten zeigt sich, dass dies nicht ohne deutliche Mehrkosten möglich ist.
Ob es nun fairer ist, alle Bestandskunden mit einem Preisaufschlag zu versehen oder Neukundentarife einzuführen, kann man sicherlich diskutieren. Aber aus der Sicht der Grundversorger, also der lokal verankerten Stadtwerke, muss es auch darum gehen, die eigene Wirtschaftlichkeit abzusichern. Das Letzte, was wir in der derzeitigen Situation brauchen, sind Grundversorger, die nun auch noch in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen; denn damit kommen auch die Kommunen in Bedrängnis, die häufig die größten Anteilseigner der Stadtwerke sind. Aus meiner Sicht sollte der Bund den betroffenen Akteuren hierbei deutlich stärker unter die Arme greifen.
Die Entwicklung zeigt uns in jedem Fall auf, dass die Regulierung des Energiemarktes an einigen Stellen nachgeschärft werden muss, um die Kundinnen und Kunden zu schützen und auch die Grund- und Ersatzversorger nicht in eine missliche Lage zu bringen. Entsprechend sind die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums von Anfang dieser Woche zu begrüßen, nach denen die Regulierung von Energieversorgern durch längerfristige Selbstverpflichtungen verschärft wird und weitere Regelungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher verändert werden sollen. Diese müssen nun schnell und im Dialog mit den Branchenvertretern umgesetzt werden.
Darüber hinaus gilt es alle weiteren Haushalte, insbesondere vulnerable Verbraucher zu unterstützen, die von den Preissteigerungen im Energiebereich besonders betroffen sind. Energiearmut darf selbstverständlich im Deutschland des Jahres 2022 kein Problem mehr sein.
Neben den bereits in der letzten Debatte zum Thema diskutierten mittel- und langfristig wirksamen Maßnahmen, zum Beispiel zur Reduzierung von Stromsperren, bedarf es jetzt auch einer schnellen und umfassenden Reaktion vonseiten des Staates auf die akute Energiepreiskrise. Die neue Bundesregierung hat das erkannt und den richtigen Kurs bereits eingeschlagen: Die EEG-Umlage wird abgeschafft - ein wichtiger, längst überfälliger Schritt, der in der alten Bundesregierung bedauerlicherweise lange nicht mehrheitsfähig war.
Darüber hinaus - Sie haben es schon angesprochen - wird es einen Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher geben: 135 € für einen Single-Haushalt, 175 € für einen Zweipersonenhaushalt sowie 35 € zusätzlich für jeden weiteren Mitbewohner. Ich gehe stark davon aus, dass wir gemeinsam mit dem Bund auch noch über die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß oder eine zeitweise Absenkung der Energiesteuer oder der Mehrwertsteuer auf Strom bzw. Erdgas sprechen werden. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir zu Lösungen kommen, die zu passgenauen Entlastungen, insbesondere bei Haushalten mit geringem Einkommen, führen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Anstieg der Energiepreise zeigt uns zugleich auf, was wir abseits regulatorischer Eingriffe in den Energiemarkt langfristig erreichen müssen, nämlich eine größere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, die sehr anfällig für Preisschwankungen sind. Deshalb begrüße ich es ganz ausdrücklich, dass die neue Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen will.
Sachsen-Anhalt zählt in diesem Bereich zwar zu den Vorreitern. Aber auch wir sind gut beraten, hierbei noch eine Schippe draufzulegen, auch im Sinne einer bezahlbaren Energieversorgung in der Zukunft. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung)