Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war schon eine Überraschung, dass nach eingehender Diskussion über die verschiedenen Vorhaben der Fraktionen zu einer möglichen Parlamentsreform, bei der wir in der entsprechenden Arbeitsgruppe von Herrn Rausch aus der AfD jedenfalls kein einziges Vorhaben, keinen Vorschlag, keine Idee oder sonstige eigenen Gedanken gehört haben, heute von Ihnen mit salbungsvollen Worten einen Gesetzentwurf zur Aufnahme eines neuen Staatsziels in der Landesverfassung präsentiert wird. Diesem Gesetzentwurf fehlt es an Substanz. Sie haben keinerlei Anstrengungen unternommen, ihn mehrheitsfähig zu machen. Sie betreiben Populismus.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Meine Fraktion hat sich in der Debatte um die Parlamentsreform für die Absenkung des aktiven Wahlalters auf 14 Jahre und die Ausweitung des Wahlrechts auf alle Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes starkgemacht.
(Oliver Kirchner, AfD: Auch illegale, Herr Striegel?! - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
Wir haben die Einführung von Bürgerräten gefordert, um unsere repräsentative und stark vom Wahlturnus geprägte Demokratie durch neue Beteiligungsmöglichkeiten zu bereichern.
(Unruhe)
Wir haben uns in den Verhandlungen für ein Paket an Maßnahmen starkgemacht, das mehr Transparenz und Kontrolle der Politik ermöglicht hätte. So wollten wir gern die Prüfrechte des Landesrechnungshofs stärken. Auch das ist offensichtlich etwas, was notwendig ist.
Die Koalition aus CDU, SPD und FDP hat allen diesen Vorhaben und überhaupt der Verhandlung eines echten Pakets für eine Parlamentsreform eine Absage erteilt und wollte einseitig Maßnahmen beschließen, die mehr Geld in die Taschen der Abgeordneten gespült hätten.
(Guido Kosmehl, FDP: Das stimmt doch überhaupt nicht!)
Diese Pläne wurden gestoppt. Gut so; denn sie passten nicht in die Zeit.
(Unruhe)
Als GRÜNE werden wir uns dafür starkmachen, dass die AG Parlamentsreform erneut zusammenkommt, um über Vorhaben zur Stärkung der Demokratie zu beraten.
(Guido Kosmehl, FDP: Das ist doch verabredet!)
Das betrifft ausdrücklich auch die Ebene der Landesverfassung, und selbstredend kann dann und im Verbund mit anderen Themen - da müssen Sie sich nicht so aufregen, Herr Kosmehl - auch über ein neues Staatsziel zur Stärkung des Ehrenamtes gesprochen werden.
Ich denke, es ist über die Fraktionsgrenzen hinweg Konsens, dass die Bedingungen für das Ehrenamt weiter verbessert werden sollten. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mit der Erarbeitung einer Engagementstrategie begonnen, die vorgestellt wurde. Sie umfasst wichtige Neuerungen und Vergünstigungen, zum Beispiel von Eintrittstickets für Kultureinrichtungen und kostenlose ÖPNV-Tickets.
Vieles bleibt zur Stärkung des Ehrenamtes zu tun. Lassen Sie uns im Rahmen einer Parlamentsreform beraten, ob ehrenamtliches Engagement noch stärker auch in der Verfassung gewürdigt werden sollte. - Vielen herzlichen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Kirchner.
Oliver Kirchner (AfD):
Sehr geehrter Herr Striegel, ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie das Wahlrecht für alle Menschen ändern wollen, die hier leben. Meine Frage ist: Gilt das auch für die Menschen, die als Asylbewerber abgelehnt wurden und die die Aufnahmegesellschaft belogen und betrogen haben? Wollen Sie die auch wählen lassen?
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Kirchner, ich empfehle Ihnen den Blick in das Gutachten, das wir - jetzt muss ich überlegen - vor sechs oder sieben Jahren zu der Frage haben anfertigen lassen, ob Menschen, die von Herrschaft betroffen sind, über das mitentscheiden sollten, was in diesem Land passiert. Für uns ist klar: Wer hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat und damit von Herrschaft betroffen ist, der soll auch wählen dürfen. - Vielen herzlichen Dank.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Es gibt eine Intervention von Herrn Gebhardt.
Stefan Gebhardt (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Striegel, Sie haben in Ihrer Aufzählung, was die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in die Parlamentsreform alles eingebracht hat, einen Punkt vergessen. Sie haben in der letzten Parlamentsreform namens Ihrer Fraktion dafür geworben, dass die Wahlkreismitarbeiterinnen und Wahlkreismitarbeiter deutlich höher eingestuft werden. Im Gespräch waren bei Ihnen eine E 12 und eine E 13.
(Lebhafter Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl!)
Wenn Sie hier kritisieren, dass es ein Paket gegeben hat, bei dem man nur daran gedacht habe, in die eigene Tasche zu wirtschaften, gehört zur Vollständigkeit halber dazu, dass von Ihnen ein Vorschlag gekommen ist, der das Parlament noch einer Millionen Euro mehr gekostet hätte.
(Ulrich Siegmund, AfD: Aha, Herr Striegel! - Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Aha! - Oh!)
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Gebhardt, ich will Ihren Vortrag hier ausdrücklich zurückweisen, weil sie versuchen, zwei Dinge miteinander zu vermengen, nämlich die Parlamentsreform der letzten Legislaturperiode und die aktuellen Ereignisse. Wir sehen in dieser Situation,
(Holger Hövelmann, SPD: Ich wusste gar nicht, dass es zwei Einzelfälle geben kann!)
in der sich die Ukraine einem russischen Angriffskrieg ausgesetzt sieht, in der wir weltweite Verwerfungen haben,
(Zuruf von Holger Hövelmann, SPD)
dass es nicht adäquat ist, jetzt mehr Geld in den Parlamentsbetrieb zu pumpen. Das haben wir als GRÜNE gesagt.
(Unruhe - Holger Hövelmann, SPD: Ja, ja! - Zuruf: Das stimmt doch gar nicht! - Tobias Rausch, AfD: Ja, ja, mehr Geld für Mitarbeiter habt Ihr gefordert!)
Dazu haben wir als GRÜNE sozusagen gesagt, dass es an dieser Stelle nicht passieren darf.
(Zurufe von Holger Hövelmann, SPD, und von der AfD)
Insofern haben wir in dieser Parlamentsreform - Herr Hövelmann, Sie können herumschreien, soviel Sie wollen - von Anfang an sehr deutlich gemacht, dass mit uns eine solche Erhöhung nicht machbar ist. Und da mögen Sie sich drüber aufregen. Ich halte es für richtig, dass die SPD auf den letzten Metern, auf den allerletzten Metern noch die Stoppbremse gedrückt hat. - Vielen herzlichen Dank.
(Tobias Rausch, AfD: Das stimmt gar nicht, mehr Geld habt Ihr gefordert! - Weitere Zurufe von der AfD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ganz sachlich und langsam. Wenn Herr Hövelmann geschrien hätte, dann hätte ich schon eingegriffen.
(Tobias Rausch, AfD: E 13, das war bei der Parlamentsreform! Ich war dabei!)
- Herr Hövelmann, war das eine Zwischenintervention oder eine Frage? - Das habe ich nicht ganz erkannt.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: In der Situation?)
Holger Hövelmann (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte nur richtigstellen, dass der Vorhalt, der von Herrn Striegel gegenüber der Koalition gemacht worden ist, nicht darin bestand, zu einem falschen Zeitpunkt entschieden zu haben. Sondern der Vorwurf bestand darin, in Form einer Selbstbedienungsmentalität zu den eigenen Vorteilen entschieden zu haben. Und dies ist nicht nur unkollegial, es ist unanständig und es ist falsch.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zurufe: Richtig!)