Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer wieder überrascht, welches Bild Sie von den Lehrerinnen und Lehrern in unserem Land zeichnen. Als Ministerin für Bildung unseres Landes kann ich Ihnen versichern, wir haben viele motivierte und auch sehr engagierte Lehrkräfte.
(Zustimmung bei der CDU)
Bei allen Problemen, in und um Schule, die ich nicht negieren will, sage ich: Sie werden oft und kritisch bei zahlreichen Schulbesuchen angesprochen und nicht zuletzt bei Schulbesuchen auf Einladung Ihrer Fraktion. Aber diese Gespräche - das betone ich ausdrücklich - laufen immer sachorientiert, motiviert und lösungsorientiert. Das schätze ich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, an den Lehrkräften in unserem Land.
Verehrte Anwesende! Die Vorgriffstunde abzuschaffen bedeutet den Verlust eines Arbeitsvermögens von ca. 500 VZÄ, im Ergebnis also etwa eine Verschlechterung der Unterrichtsversorgung um 3,5 %.
Die Möglichkeit, diesen Verlust durch andere kurzfristig greifende Maßnahmen auszugleichen, besteht derzeit nicht. Sie haben bisher auch keine Lösung vorgelegt.
(Guido Kosmehl, FDP: Hat er noch nie!)
Insbesondere besteht aufgrund des bundesweit akuten Lehrermangels keine Aussicht darauf, zusätzliche Lehrkräfte für uns in Sachsen-Anhalt zu binden. Vielmehr gelingt es durch die zahlreichen Flexibilisierungen und erheblichen Anstrengungen zur Lehrkräftegewinnung lediglich die aus dem Schuldienst ausscheidenden Lehrkräfte zu ersetzen - es sind mittlerweile ein paar mehr, das ist positiv.
Zusätzliche Kapazitäten in dem Maße wie sie zumindest mit Blick auf die derzeit stetig ansteige Anzahl der Schüler zu schaffen wären, aufzubauen, bleibt weiterhin bei uns im Land ein Problem. Ich erinnere nur daran, dass wir mittlerweile mehr als 6 000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine im Schulsystem unterrichten, darüber hinaus natürlich noch zahlreiche Migrantinnen und Migranten.
(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)
Verehrte Kollegen! Die Vorgriffstundenverpflichtung ist eine flächendeckend schnell wirksame Maßnahme, um über einen mittelfristigen Zeitraum zusätzliche Unterrichtskapazitäten zu gewinnen und die Belastungen dabei gleichmäßig auf möglichst viele Schultern zu verteilen.
Eine wesentliche Grundannahme des vorliegenden Antrags ist allerdings falsch. Es war und es ist sichergestellt, dass alle als zusätzliches Deputat angeordneten Vorgriffstunden auch eingeplant sowie erteilt werden. Wenn Sie dazu andere Informationen haben, dann bitte ich Sie darum, mir diese zuzuleiten. Ich werde sie zeitnah überprüfen.
(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Das werden wir sehen!)
Die Startschwierigkeiten im vergangenen Schuljahr sind mit der Vorbereitung des neuen Schuljahres weitestgehend behoben worden. Bisher war im Rahmen des flexiblen Unterrichtseinsatzes eine Einsatzplanung mit einer zusätzlichen Stunde über längere Zeiträume hinweg möglich.
Die im Antrag deutlich überbetonte zusätzliche Belastung kann sich vor diesem Hintergrund nur aus überjähriger Perspektive ergeben. Diese Perspektive relativiert die Maßnahme weiter, wenn man schuljährlich - hören Sie bitte zu, Herr Lippmann! - 40 zusätzliche Stunde pro Lehrkraft bei einem Schuljahresregeldeputat in Höhe von ca. 1 000 Stunden betrachtet; es geht um 40 Stunden mehr bei regulär 1 000 gehaltenen Stunden.
Vor dem Hintergrund, dass eine zusätzliche Unterrichtsstunde pro Unterrichtswoche bisher auch im Rahmen zulässiger Einsatzplanung lag, wird deutlich, dass eine Verweigerung zur Umsetzung dieser konkreten Einsatzplanung mit den üblichen Mechanismen disziplinarisch oder arbeitsrechtlich sanktioniert werden kann und auch muss.
Insofern kann die wiederholte und abgemahnte Verweigerung, eine bestimmte Stunde im Stundenplan zu übernehmen, disziplinarrechtlich geahndet und arbeitsrechtlich auch zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung führen. Eine eingeleitete Normenkontrolle setzt die Verpflichtung zur Leistung dieser Stunde allerdings nicht aus.
Verehrte Anwesende! Zu den unbestreitbaren Problemen bei der monatlichen Auszahlung ist folgendes Einzuordnendes zu sagen: Dieses Auszahlungsverfahren ist bundesweit einmalig und stellt die etablierten sowie erforderlichen Meldestrukturen zwischen Schulleitungen, Landesschulamt und Bezügestelle vor ganz erhebliche Herausforderungen.
Diese Herausforderungen waren zwar absehbar - Lösungsmöglichkeiten wurden vielleicht zunächst etwas zu optimistisch eingeschätzt; das gestehe ich ein , aber es gilt auch hierbei, die Kirche im Dorf zu lassen. Der Grundsatz des Vorgriffmodells ist der spätere Freizeitausgleich; das sagt die Arbeitszeitverordnung aus.
Nur aus der Erwägung, entsprechenden Wünschen der Lehrkräfte entgegenzukommen und damit eine breite Akzeptanz bei den Lehrkräften zu erzeugen, wurde eine Auszahlungsmöglichkeit auf Antrag vorgesehen.
Die Auszahlungsmöglichkeit stellt auch der Höhe nach ein besonderes, bundesweit einmaliges Entgegenkommen dar, indem nämlich auf die sonst üblichen und deutlich ungünstigeren Bedingungen der Mehrarbeitsvergütung verzichtet wurde. Die Lehrkräfte bekommen genauso viel ausgezahlt wie für eine normal gehaltene Unterrichtsstunde; was in allen anderen Bundesländern sonst so nicht üblich ist.
(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die Vorgriffstundenverpflichtung zu einer Demotivation der Kolleginnen und Kollegen beitragen könnte.
Diese Landesregierung verfolgt weiterhin das Ziel, eine monatliche Auszahlung des Vorgriffstundendeputats auf Antrag so schnell wie möglich umzusetzen. Es gehen keine Ansprüche verloren. Allerdings entstehen wegen der Auszahlungsbewilligungen auf Antrag keine Zinsansprüche.
An der monatlichen Auszahlbarkeit arbeiten alle beteiligten Stellen unter Hochdruck. Das Landesschulamt hat informiert. Wir haben in Rücksprache mit dem Landesschulamt eine Lösung gefunden, damit es etwas schneller geht. Wir werden ab dem kommenden Jahr eine monatliche Auszahlung gewährleisten können. Ich hoffe, dass dann insoweit die technische Lösung steht; davon gehe ich derzeit aus.
Die ersten Zahlungen werden jetzt vollzogen und weitere werden sukzessive folgen. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Feußner, obwohl Sie Ihre Redezeit ganz erheblich überzogen haben, sind scheinbar dennoch nicht alle Fragen beantwortet worden. Denn es gibt eine Frage von Herrn Lippmann.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Oh, nee! - Zuruf von der AfD: Oh, nee, Herr Lippmann! - Oh! bei der AfD)
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Ich habe zwei kurze Fragen, Frau Ministerin. Sie haben soeben noch einmal betont - ich habe das an anderer Stelle schon gelesen , dass die Auszahlungsmöglichkeit für die Vorgriffstunde ein zusätzliches Entgegenkommen ist.
Erstens. Sie sind also ernsthaft der Meinung, dass Sie die verpflichtende Vorgriffstunde zwingend auf Arbeitszeitausgleichskonten verbuchen können, die Sie selbst immer wieder als freiwillige Arbeitszeitkonten bezeichnet haben und über die Sie mit niemandem irgendeine vertragliche Regelung haben - weder mit der Tarifvertragspartei noch individuell mit den Beschäftigten? Sie denken sich einseitig die Regelungen aus, erlassen eine verpflichtende Unterrichtsstunde und sagen, dass sie auf dem Konto liegt.
Zweitens. Würden Sie mir zugestehen
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Lippmann, aber bitte konzentriert. Wir wollen an der Stelle nicht Das ist eigentlich eine Dreiminutendebatte.
(Unruhe)
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Alles gut.
(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Nee!)
Würden Sie mir zugestehen, dass es für eine Teilzeitbeschäftigte eine Zumutung ist,
(Zuruf von Sven Rosomkiewicz, CDU)
wenn ihr angeboten wird, durch eine Reduzierung des Teilzeitumfanges den Ausgleich ihrer Arbeitsverpflichtung wieder zu erreichen, dass sie dann auf der einen Seite sofort auf die Bezahlung dieser einen teilzeitreduzierten Stunde verzichten muss und auf der anderen Seite Monate, vielleicht mehr als ein Jahr darauf warten muss, bis sie die Vorgriffstunde bezahlt bekommt; und dass das ein Problem darstellt?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Ministerin Feußner.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Ich beginne mit der letzten Frage: Dass bestimmte Personen einen Teilzeitantrag stellen, kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Die Person benötigt entweder für Pflege, für Kinderbetreuung oder für was auch immer Zeit; wenn das der Fall ist, dann geht man familiär bedingt das Risiko ein, am Ende weniger Geld im Portemonnaie zu haben - wenn ich das einmal so salopp sagen darf.
Auf der einen Seite wird die Vorgriffstunde bezahlt und geht nicht verloren. Wir sind dabei, das so schnell wie möglich zu realisieren. Auf der anderen Seite ist es so: Wenn die Stunde zu einer zusätzlichen Belastung führt, dann hätte die teilzeiteingehende Person einen neuen Teilzeitantrag stellen können. Das ist möglich.
Zu dem Ersten, was Sie gesagt haben. Wir haben das in der Arbeitszeitverordnung geregelt. Das Grundprinzip ist sozusagen, ein Konto zu schaffen mit einem Ausgleich. Dabei haben wir lediglich die Option auf Wunsch der Lehrkräfte mit aufgenommen. Und diesen Wunsch werden wir auch erfüllen.
Ich habe eben die Dimension genannt. Es geht um 40 zusätzliche Stunden bei zurzeit 1 000 regulär gehaltenen Stunden. Also das Problem, dass sich jetzt einem dadurch bestimmten Dinge finanziell nicht leisten kann, ist aus meiner Sicht - sorry - relativ gering, bzw. wenn wir jetzt zeitnah zu den Auszahlungen kommen, dann hat sich das aus meiner Sicht auch erübrigt.