Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Kopf-, Bauch- oder Zahnschmerzen einfach - so einfach wie es bei dem regionalen Ärztemangel eben geht - zu Haus-, Kinder- oder Zahnärzten zu gehen,
(Unruhe auf der Regierungsbank - Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: Auf der Regierungsbank bitte Ruhe!)
als Schwangere selbstverständlich zu Vorsorgeuntersuchungen in die gynäkologische Praxis, mit dem komisch aussehenden Leberfleck ins MVZ zur Dermatologie oder mit dem eingewachsenen Zehennagel nach drei Wochen in die Notaufnahme: So selbstverständlich wie die meisten Menschen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben und ihn nutzen, ist es für schätzungsweise 61 000 Menschen in Deutschland, viele davon auch in Sachsen-Anhalt, nicht.
Sie sind aus den unterschiedlichsten Gründen ohne Versicherungsschutz und fallen deshalb durchs Raster. Für einen Sozialstaat, der seinen Namen verdient, für eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, für eine Gesellschaft, die die Menschenrechte als Wertefundament begreift, ist das ein Armutszeugnis.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dabei verpflichtet uns der UN-Sozialpakt, dem wir als Bundesrepublik verbindlich beigetreten sind, einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Menschen im Staatsgebiet, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, sicherzustellen. Da wir als Staat an dieser Stelle unseren menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen, sind zivilgesellschaftliche Projekte wie das MediNetz Halle und das MediNetz Magdeburg nötig. An dieser Stelle auch von uns ein großer Dank für die wichtige Arbeit, die dort geleistet wird.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das nimmt uns als Politik aber nicht aus der Pflicht, endlich für zwei Dinge Verantwortung zu übernehmen: den Zugang aller Menschen zum Gesundheitssystem zu ermöglichen und in den Fällen, in denen das nicht gelingt, die Behandlungskosten zu übernehmen. Dabei halte ich insbesondere die Funktion der Clearingstelle, die Menschen bei der Identifizierung und der Durchsetzung von Leistungsansprüchen zur regulären Teilhabe im Gesundheitssystem unterstützt, für zentral in dem von der LINKEN geforderten Modellvorhaben. Solche Clearingstellen gibt es - das wurde erwähnt - bereits in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Berlin, Bremen und in Frankfurt am Main.
In Thüringen, München und Leipzig gibt es darüber hinaus auch die Möglichkeit des anonymen Kranken- und Behandlungsscheins. Diese Möglichkeit des anonymen Behandlungsscheins ist dann nötig, wenn Personen nicht versichert sind und die medizinische Versorgung benötigt wird, damit eben nicht die gutmeinenden Ärztinnen oder die Notaufnahme des Krankenhauses auf den Behandlungskosten sitzen bleiben.
Für uns GRÜNE hieß es bereits im Wahlprogramm zur Landtagswahl 2021: Wir wollen ein Beratungs- und Unterstützungssystem für alle Menschen, damit die akute Versorgung gesichert wird und der Eintritt in die Krankenversicherung gelingt. Wir werden dem Antrag also zustimmen. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)