Tagesordnungspunkt 3
Maßnahmen gegen Preistreiberei im Energie- und Kraftstoffsektor
Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1033
Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1059
Einbringen wird den Antrag Frau Eisenreich. - Bitte, Frau Eisenreich.
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Jahr 2021 mit der konjunkturellen Wiederbelebung der Wirtschaft nach mehr als einem Jahr Pandemie begannen die dramatischen Preisexplosionen für Energie und Treibstoffe. In der Folge stiegen auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten, insbesondere die Preise für Lebensmittel.
In den Monaten von September bis Dezember 2021, also lange vor dem Krieg in der Ukraine, kam es nach Angaben des Deutschen Mieterbundes zu Preissteigerungen bei Öl und Gas von 50 bis 99 %. Die drastischen Strompreiserhöhungen führten reihenweise zu Insolvenzen von Energieunternehmen, die jahrelang mit Billigangeboten lockten. Die Grundversorger, die dann die betroffenen Kunden auffangen mussten, erhöhten die Preise für die Grundversorgung erheblich: bei Strom im Durchschnitt um 60 %, das sind etwa 985 € mehr pro Jahr, und bei Gas um 76 %, also 1 147 € pro Jahr.
Die allgemeine Teuerungsrate - auch darüber haben wir in diesem Hohen Haus schon mehrfach debattiert - war schon im Dezember auf 6 % gestiegen. Seit Beginn des aufs Schärfste zu verurteilenden völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine laufen die Kosten weiter aus dem Ruder. Die Menschen blicken mit großer Sorge auf die Anzeigen an den Tankstellen und fragen sich, wie das alles weitergehen soll. Die Leidtragenden sind Familien, Rentnerinnen und Rentner, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Mieter und Mieterinnen und Gewerbetreibende. Sie kämpfen derzeit tagtäglich darum, irgendwie über die Runden zu kommen.
Der Krieg bzw. die Sanktionspolitik haben die bereits vorhanden Preisentwicklungen weiter verschärft. Gleichzeitig füllen sich jedoch die Eigentümer von Aldi, Lidl und Co. die Taschen, und auch die Mineralölkonzerne fahren seit Kriegsbeginn t ä g l i c h Extragewinne von etwa 107 Millionen € ein. Schaut man sich die Liste der Abzocker an, dann wird diese, wie aus einer Analyse von Greenpeace hervorgeht, von deutschen Unternehmen mit etwa 38,2 Millionen € angeführt. Auch der ADAC-Präsident Hillebrand kommt zu dem Schluss, dass die hohen Kraftstoffpreise nicht nur auf eine veränderte Marktnachfrage zurückzuführen seien, sondern die Kraftstoffpreise künstlich hochgehalten würden.
Damit wird deutlich, dass alle bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Preisexplosionen bei den Menschen nicht ankommen.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Sie laufen nicht nur ins Leere, sondern sie subventionieren im Gegenteil diese Preistreibereien. Anstatt die Konzerne ordnungs- und wettbewerbsrechtlich an die Leine zu legen, bereichert sich die Ölindustrie laut Greenpeace munter weiter auf Kosten des Klimas und zieht uns inmitten eines furchtbaren Krieges schamlos über den Tisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Das muss aber nicht so sein. Denn während Vertreter und Vertreterinnen der Bundesregierung meinen, dass Wohlstandsverluste unvermeidlich wären, ist es doch eine Frage der Prioritätensetzung. Für wen macht man Politik? Für die Verbraucher und Verbraucherinnen oder für die Konzerne? Lässt die Regierung zu, dass Konzerne wie Trittbrettfahrer auf dieser Welle reiten und zusätzliche Gewinne abschöpfen, um ihre Rendite zu erhöhen, oder nutzt die Regierung ihre Möglichkeiten, um die Verbraucher und Verbraucherinnen davor zu schützen oder die Gewinne an sie zurückzuführen?
Insofern ist es doch absolut legitim und im Interesse des Allgemeinwohls, diese illegitim erzielten Gewinne abzuschöpfen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Leider hat Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Rückzieher bei der Anfang März angekündigten Besteuerung von sogenannten Kriegsgewinnen gemacht, obwohl auch die EU-Kommission am 8. März eine Besteuerung sogenannter übermäßiger Erlöse empfohlen hatte. Ganz offensichtlich schreckt die Bundesregierung davor zurück, genau diese Gewinne anzutasten. Das ist angesichts der eindeutigen Faktenlage, wie sich die Unternehmen gerade bewusst und gezielt auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, völlig unverständlich.
Diesem Treiben muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dazu braucht es wirksame Maßnahmen - andere als die im Alternativantrag formulierten , da alle bisherigen von der Bundesregierung ergriffen Maßnahmen dafür nicht ausreichend sind. Dieses Problem wird sich auch nicht von selbst oder allein über marktwirtschaftliche Mechanismen lindern, geschweige denn lösen lassen.
Die Linksfraktion fordert mit dem vorliegenden Antrag mehrere Maßnahmen, die auf der Bundesebene umzusetzen sind und daher ein entsprechendes Handeln der Landesregierung erfordern.
Die bislang aufgelaufenen Gewinne sollen abgeschöpft und damit der Allgemeinheit zugeführt werden.
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
Dazu schlagen wir eine Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer, wie in Artikel 106 des Grundgesetzes aufgeführt, vor.
(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von Guido Heuer, CDU, und von Ulrich Thomas, CDU)
Wir fordern zudem, dass das Bundeskartellamt dringend die erforderlichen Befugnisse erhält, die Preisbildung in der Strom-, Gas- und Mineralölwirtschaft und allen Wertschöpfungsketten wirksam zu überprüfen. Dies ist bisher nicht der Fall. Dies schließt damit auch Raffinerien und Tankstellen ein. Ergibt sich aus dieser Überprüfung, dass die Preise unangemessen höher liegen als die eigentlichen Kosten, müssen diese überhöhten Entgelte an die Kundinnen und Kunden zurückgezahlt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Davon sollen auch kommunale Energieversorgungsunternehmen profitieren, die diese überhöhten Preise an ihre Kunden und Kundinnen weitergeben mussten. Dazu ist ein entsprechender Mechanismus für die Erstattung erforderlich. Komisch ist nur, dass genau das die EU vorschlägt; denn diese ist weit davon entfernt, kommunistisch zu sein.
Doch Preiskontrollen und Überwachung allein werden nicht ausreichen, um der Abzocke Einhalt zu gebieten. Hierzu sind wirksame Sanktionen gegen die Unternehmen notwendig. Deshalb muss das Energiesicherungsgesetz dringend novelliert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Auf dieser Grundlage müssen per Rechtsverordnungen die Einführung von Höchstpreisen, aber auch die Unterbindung von Dumpingpreisen für Energieträger durchgesetzt werden. Das ist doch überhaupt kein Hexenwerk, meine sehr geehrten Damen und Herren. Andere Länder in der Europäischen Union haben längst die Energiepreise gedeckelt.
Beispielsweise hat Frankreich dies bereits im Herbst des vergangenen Jahres beschlossen. Spanien und Portugal wollen über einen Gaspreisdeckel in die Bildung des Strompreises eingreifen,
(Frank Bommersbach, CDU: Und wir sollen sparen!)
da dieser an den Gaspreis gekoppelt ist.
(Zuruf von der CDU: Ungarn fehlt auch nicht! - Ulrich Thomas, CDU: Ungarn!)
- Ich kann auch Ungarn, Rumänien, Bulgarien und viele weitere nennen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da fehlen mir die Beispiele nicht.
Damit aber auch der lebenswichtige Bedarf an Energie für die Bürgerinnen effektiv gesichert wird, muss das Energiesicherungsgesetz endlich auch die Energiesicherheit für Menschen mit geringem Einkommen sicherstellen. Deshalb fordern wir, dass endlich ein Verbot von Strom- und Heizsperren ergänzt und gesetzlich festgeschrieben wird.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Diese soziale Komponente im Gesetz ist längt überfällig und wird auch hier im Landtag von meiner Fraktion seit mehreren Legislaturperioden gefordert. Wie lange sollen denn die Menschen darauf noch warten?
Im Übrigen könnte der im Energiesicherungsgesetz definierte lebenswichtige Bedarf auch erweitert werden. Das heißt, dass neben der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und internationaler Verpflichtungen auch die Sicherung des Industriestandortes Deutschland und seiner Lieferketten mit aufgenommen wird.
(Andreas Silbersack, FDP: Das Gegenteil werden Sie erreichen!)
Ein weiterer Eingriff, um Missbrauch und Gesetzesverstößen entgegenzuwirken und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist aus unserer Sicht die treuhänderische Verwaltung von Unternehmen im Bereich der Energieträger und Energieerzeugung, wenn sie die Energieversorgung gefährden oder stören bzw. wenn die Gefährdung oder Störung mit marktgerechten Maßnahmen nicht oder eben auch nicht rechtzeitig zu beheben ist bzw. unverhältnismäßige Mittel erforderlich wären.
Zur Umsetzung einer treuhänderischen Verwaltung sind ergänzende gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen. Sie sind noch nicht da. Und Überraschung: Vor drei Tagen hat die Bundesregierung eine Novelle zum Energiesicherungsgesetz mit weitreichenden Handlungsmöglichen für Bund und Behörden zur Krisenbewältigung beschlossen. Dazu gehört es, dass Unternehmen, die kritische Energieinfrastrukturen betreiben, eben bei Bedarf treuhänderisch verwaltet werden können. Das heißt, das ist dann der Fall, wenn sie ihre Aufgaben nicht mehr hinreichend erfüllen und die Versorgungssicherheit bedroht ist. - Na immerhin.
Im Übrigen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erst kürzlich die Bundesnetzagentur als Treuhänderin für das deutsche Tochterunternehmen des russischen Staatskonzern Gazprom eingesetzt. Hier geschah das allerdings auf der Grundlage des Außenwirtschaftsrechts.
(Andreas Silbersack, FDP: Das ist etwas völlig anderes!)
Im Gesetzentwurf ist sogar ein noch weitergehender Schritt als Ultima Ratio vorgesehen worden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Nun werden Sie gleich wieder mit Kommunismus kommen. Wenn die Energieversorgung nicht anders gewährleistet werden kann, ist unter klar benannten und engen Bedingungen auch eine Enteignung möglich.
(Andreas Silbersack, FDP: Ach!)
Man möchte sich schon verwundert die Augen reiben. Aber offenbar ist man auf der Bundesebene endlich zu der Einsicht gelangt, dass der Markt in Krisensituationen die Versorgungssicherheit eben nicht immer garantiert. Ich wünsche mir, diese Erkenntnis möge auch weiter um sich greifen, insbesondere dann, wenn es um die Daseinsvorsorge geht.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Es bleibt also abzuwarten, wie der vollständige Gesetzentwurf schließlich aussieht und wie er dann hoffentlich beherzt umgesetzt wird; denn gerade angesichts dieser Empfehlungen ist unser heutiger Antrag also aktueller denn je.
Letztendlich müssen sich die Regierungen bei Bund und Länder fragen lassen: Vertreten sie eigentlich mit ihrer Politik tatsächlich die Interessen der Menschen oder doch die der Konzerne? Haben sie den Mut, mit scharfen Regeln und allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln endlich gegen die Profitgier vorzugehen und die Verbraucherinnen zu entlasten sowie die Versorgungssicherheit zu garantieren? Oder knickt man vor den Interessen einzelner Konzerne wieder ein und trägt weiter das Mantra vor sich her, dass der Markt dies alles von selbst reguliere?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Fragen müssen auch wir uns stellen. Entsprechend liegen die Vorschläge unserer Fraktion vor. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von AfD: Nein!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Eisenreich. Lassen Sie eine Frage des Abg. Heuer zu?
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Heuer, bitte schön.
Guido Heuer (CDU):
Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin Eisenreich, in der letzten Wahlperiode haben Sie, glaube ich, vorgeschlagen, dass wir die Autos verbieten
(Unruhe und Zustimmung bei der AfD - Zurufe: Den Verbrennungsmotor!)
- ja, den Verbrennungsmotor, bis zum Jahr 2027, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Ganz ehrlich:
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Haben Sie nicht.
Guido Heuer (CDU):
Wer ist eigentlich der größte Nutznießer hoher Energiepreise? Wer ist das?
(Tobias Rausch, AfD: DIE LINKE!)
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Wieso?
Guido Heuer (CDU):
Wer ist das? - Der Vater Staat ist es. Wenn man die Bürger entlasten will, wäre der schnellste Weg, dass wir an der Steuerschraube drehen, und zwar nach unten.
Und wer soll eigentlich bezahlen, wenn jemand seine Stromrechnung nicht bezahlt und Sie sagen, Stromsperren verbieten? Wer bezahlt das dann?
(Ulrich Siegmund, AfD: Ja!)
- Die Allgemeinheit.
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Hm.
Guido Heuer (CDU):
Ja, genau so. Und das ist wieder typisch DIE LINKE.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Da sage ich Ihnen mal ganz ehrlich: Erstens liegen Sie falsch und Sie sind auch hier ganz schön den doch verschwurbelten Aussagen der AfD immer wieder aufgesessen, dass ich die Autos
(Lachen und Unruhe bei der AfD - Zurufe von der AfD: Nein! - Guido Heuer, CDU: Jetzt wird aber richtig lustig!)
verbieten wolle. Davon war nie die Rede. Lesen Sie mal nach.
(Unruhe bei der CDU)
Lesen Sie bitte mal im Protokoll nach. Das können Sie, das traue ich Ihnen zu.
(Guido Heuer, CDU: Also!)
Und wir sagen:
(Zuruf: Ruhe!)
Auch wir haben durchaus gewisse Steuererleichterungen und Steuerveränderungen vorgeschlagen. Das ist ja auch nicht neu. Aber es ist am Ende das Gießkannenprinzip. Die Menschen, die es am allerdringendsten benötigen, haben nichts oder nur wenig davon.
Genau so ist es jetzt bei dem neuen Paket: Es werden Steuerzahlende entlastet - das ist völlig richtig - und es wird vergessen, was mit denen ist, die gar nicht so viel verdienen, dass sie so viel Steuern zahlen, um eine Entlastung zu kriegen. Die gehen uns gerade alle in die Knie, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich will noch einmal sagen: Auch diese Menschen sind Leistungsträger in dieser Gesellschaft. Das wird hier immer anders dargestellt. Aber dagegen verwahre ich mich. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der LINKEN)