Tagesordnungspunkt 6
Erste Beratung
Entwurf eines Gesetzes zur Beteiligung an den Kosten der landesbedeutsamen Fähren des Landes Sachsen-Anhalt (Fährfin-G)
Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/233
Der Gesetzentwurf wird eingebracht vom Abg. Herrn Gallert.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf, der von meiner Fraktion vorgelegt worden ist und der wohl zur geringen Überraschung zumindest der Abgeordneten, die bereits in der vergangenen Legislaturperiode hier saßen, von mir eingebracht wird, verlangt eigentlich zwei unterschiedliche Reden: eine Rede für diejenigen, die in der vergangenen Legislaturperiode schon dabei waren, und eine Rede für diejenigen, die es noch nicht waren.
Ich beginne einmal für die alten Hasen und Häsinnen. Es gab hier schon zwei Gesetzentwürfe das ist jetzt die Wiederholung des zweiten Gesetzentwurfes zur Unterstützung der landesbedeutsamen Fähren in der vergangenen Legislaturperiode. Jetzt fragen sich vielleicht die einen oder anderen, die die dramatische Entwicklung um diesen Gesetzentwurf nicht hundertprozentig verfolgt haben, warum sie das schon wieder vorgelegt bekommen. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Das ist das sogenannte Diskontinuitätsprinzip. Dieses Diskontinuitätsprinzip hat dazu geführt, dass völlig ungerechtfertigterweise dieser hervorragende, gute Gesetzentwurf
(Lachen)
aus der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr beschlossen worden ist, weil wir ihn nicht zu Ende beraten konnten. Warum konnten wir ihn nicht zu Ende beraten? - Dafür gab es im Grunde genommen nur noch ein einziges Kriterium und ein einziges Argument. Dieses Argument ist damals vom Verkehrsministerium vorgebracht worden und es war ein ausgesprochen schwaches Argument, um nicht zu sagen, eine Krücke. Denn das Ministerium hat gesagt: Na ja, in der Sache können wir jetzt eigentlich gegen dieses Anliegen gar nicht mehr so richtig vorgehen, aber wir wissen nicht, ob eventuell EU-Beihilferegelungen die sogenannte De-minimis-Regelung, 500 000 € Schwellenwert uns das vielleicht doch verbieten könnten.
Kurz: Nach dieser Argumentation dürften wir in diesem Land so gut wie kein Förderprogramm haben. Es gab eine entsprechende Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes dieses Hauses, der diesen Einwand des Verkehrsministeriums ausdrücklich in das Reich der Legenden verwiesen hat. Wir könnten es also machen.
Allerdings war dieses Argument ausreichend dafür, dass sich die alte Koalition nicht mehr zu einer entsprechenden Stellungnahme durchringen konnte. Gleichwohl haben wir den betroffenen Gemeinden und Betreibern der landesbedeutsamen Fähren versprochen, in dieser Legislaturperiode erneut darüber zu diskutieren. Denn das einzige zentrale Argument gegen unseren Gesetzentwurf war das Ende der Legislaturperiode. Das kann man nun aushebeln. Jetzt können wir hier wieder beraten. Jetzt können wir die Dinge auch zu Ende führen. Das ist der Grund, warum ich heute vor Ihnen stehe. Das war Redeteil 1.
Jetzt kommt Redeteil 2 für die etwa 40 % neuen Abgeordneten. Worum handelt es sich hier also? - Wir haben in unserem Land mehrere Flüsse und an mehreren Flüssen haben wir Fähren. Es ist eine ganze Reihe.
(Zuruf von der AfD)
Einige dieser Fähren sind aber das ist jetzt das besondere Kriterium in unserem Landesverkehrswegeplan schon seit mehr als 20 Jahren als sogenannte landesbedeutsame Fähren definiert. Diese landesbedeutsamen Fähren sind also für die infrastrukturelle Erschließung unseres Landes nicht nur aus der Perspektive einer Gemeinde oder eines Landkreises, sondern des gesamten Landes wichtig.
Welche landesbedeutsamen Fähren dies sind, finden Sie in unserem Gesetzentwurf, der übersichtlich genug ist, hintereinander aufgelistet.
Jetzt stellt sich die Frage, wie wir mit den Kosten dieser landesbedeutsamen Fähren umgehen, die überwiegend an Landesstraßen liegen. Eine liegt auch an einer Bundesstraße, zwei liegen an Kreisstraßen.
Das Problem besteht nämlich darin, dass mit einer Ausnahme das ist ein privater Betreiber all diese Fähren in der freiwilligen Verantwortung von Gemeinden liegen. Ich nenne nur drei Beispiele. Es gibt z. B. die Gemeinde Werben mit 800 Einwohnern. Sie ist natürlich eine stolze Altmarkstadt, aber da oben hat man auch als stolze Altmarkstadt manchmal nur 800 Einwohner. Sie muss dort den gesamten Betrieb der Werbener Fähre, die zwei Teile einer Landesstraße miteinander verbindet, aufrechterhalten. Und wenn ich mache es jetzt einmal ein bisschen lustig da einmal eine Schraube abfällt, dann ist der Haushalt dieser Gemeinde platt, weil sie natürlich mit den Kosten, die damit verbunden sind, völlig überfordert ist.
Ähnlich ist es in der stolzen Stadt Sandau mit ähnlich vielen Einwohnern. Die Zahl ist nicht ganz genau gleich. Ich glaube, Herr Schulenburg müsste es genauer wissen, aber ich sehe ihn gerade nicht. Diese Gemeinde hat genau dasselbe Problem.
Oder wir haben die Einheitsgemeinde Barby. Die hat gleich drei landesbedeutsame Fähren, eine an der Elbe, zwei an der Saale. Sie sagt uns regelmäßig: Mit den Kosten, die damit verbunden sind, sind wir mit unserem Gemeindehaushalt am Ende.
Jetzt machen diese Gemeinden aber eigentlich etwas, das im Interesse des Landes liegt. Jetzt haben wir eine längere Diskussion darüber, was denn die vernünftigste Lösung wäre. Die erste Variante, die wir vorgeschlagen haben, war: Derjenige, der die Landesstraße hat, also derjenige, der Straßenfeger ist, soll auch für diese Fähre verantwortlich sein. Eigentlich ist das eine logische Argumentation, weil die Landesstraßen nur deswegen Landesstraßen sind, weil dazwischen eine Fähre liegt. Ansonsten wären sie nicht landesbedeutsam. Man braucht keine Landesstraße, um die Angler an die Elbe zu bringen, sondern man braucht eine Landesstraße, um die Leute über die Elbe oder über die Saale zu bringen.
(Zustimmung)
Jetzt haben wir aber die Situation gehabt, dass die Gemeinden, die zum großen Teil Träger waren, gesagt haben: Nein, das wollen wir nicht. - Dann haben wir intensiver nachgefragt und haben die Frage gestellt: Warum wollt ihr denn nicht? - Die Antwort war: Wir trauen dem Frieden nicht. Wer weiß, ob das Land die Fähren einstellt, die Gebühren erhöht, die Zeiten nicht richtig organisiert oder nicht flexibel ist, wenn wir einmal ein besonderes Ereignis, wie z. B. den Havelberger Pferdemarkt, haben, bei dem man einmal länger fahren muss. Wir wollen also die Verantwortung für die Fähren behalten.
Die meisten Gemeinden haben dann aber gesagt: Die Idee, dass das Land uns das bezahlt, finden wir trotzdem gut. - Das kann man so machen, aber das ist natürlich das Prinzip, dass der eine die Rechnung bestellt und der andere die Rechnung bezahlt. Eine solche Rechnung geht im Normalfall nicht auf. Deshalb unser Vorschlag:
Für eine Fähre entstehen sogenannte Revisionskosten. Eine solche Fähre muss alle fünf Jahre ich nenne es einmal den Fähren-TÜV überprüft werden. Das Problem ist nur, dass dabei ganz schnell Kosten von mehreren hunderttausend Euro anfallen können. Diese erschlagen natürlich eine kleine Mitgliedsgemeinde einer Verbandsgemeinde. Das war schon immer so. Das Problem war, dass das Land für landesbedeutsame Fähren mal einen kleineren Anteil übernahm; dann waren es 50 % und inzwischen sind es auf Antrag bis zu 90 %, aber nur eventuell, wenn genug Geld da ist. Das ist in den letzten zwei oder drei Fällen so gewesen, aber die Gemeinden haben darauf kein Rechtsanspruch. Wenn genug Geld da sein sollte, dann können 90 % genehmigt werden. Wenn nicht genug Geld da ist, dann kann sich die Gemeinde nicht darauf verlassen.
Rein theoretisch müsste solch eine Gemeinde also fünf Jahre lang Rückstellungen bilden, um anschließend die Landrevision bezahlen zu können. Wenn sie dann trotzdem vom Land Geld bekommt, dann ist es in Ordnung.
Was wir wollen, ist ein gesetzlicher Anspruch der entsprechenden Betreiber, der Gemeinden und des einen Privaten, dass sie diese Gelder vom Land erstattet bekommen, weil es sich um landesbedeutsame Fähren handelt.
(Zustimmung)
Wir haben noch ein zweites Problem. Das zweite Problem ist, dass die Fähren an Elbe und Saale, um die es an dieser Stelle geht, mit Blick auf die Betriebskosten früher im Wesentlichen kostendeckend gewesen sind. Das ist aber in den letzten Jahren nicht mehr so gewesen, was durch eine ganze Reihe von Ereignissen bedingt ist. Beispielsweise muss der Fährbetrieb bei Niedrigwasser eingestellt werden, der Fährbetrieb muss auch bei Hochwasser eingestellt werden. Zudem haben EU-rechtliche Bestimmungen dafür gesorgt, dass die zu definierenden Sicherheitsstandards ein Stück weit teurer geworden sind.
Ein großes Problem besteht auch darin das will ich auch sagen , dass das Personal, das auf diesen Fähren arbeitet, in absehbar Zeit das sogenannte große Schifffahrtspatent nachweisen muss. Und dafür sind Leute mit einer höheren Qualifikation erforderlich, die deutlich teurer sind, weil wir es immer noch nicht geschafft haben, hierfür eine Ausnahmegenehmigung von der Europäischen Union zu bekommen.
Es ist schon jetzt so, dass die Personalkosten in dem Bereich deutlich gestiegen sind und sich mit den Gebühren nicht unbedingt refinanzieren lassen. All diese Dinge haben zum Beispiel dazu geführt, dass die Fähre Ferchland, eine der landesbedeutsamen Fähren, vor knapp zwei Jahren, glaube ich, stillgelegt worden ist. Jetzt wird sie wieder reaktiviert, weil sich sage und schreibe zwei Gemeinden und zwei Landkreise zu einer gemeinsamen Finanzierung zusammengefunden haben unter der Bedingung, dass das Land im Wesentlichen die Reparatur der Fähre bezahlt.
Aber die Fähre muss ja nicht immer erst absaufen, bevor wir eine Lösung für die nächste Fähre finden. Der Gesetzentwurf, den wir vorlegen, sieht vor, dass die Betriebskostendefizite, die übrigens nicht in jedem Fall anfallen - das ist meist sehr diskontinuierlich und hängt beispielsweise vom Wasserstand ab , zur Hälfte von der Gemeinde bzw. von dem privaten Betreiber getragen werden und zur anderen Hälfte vom Land. Damit tragen die Gemeinden noch immer die Verantwortung und auch die Konsequenz von Misswirtschaft, weil sie die Hälfte des Betriebskostendefizits zahlen müssen. Allerdings werden sie dafür, dass es sich um eine landesbedeutsame Fähre handelt, vom Land zur Hälfte unterstützt.
Ich finde, alles das, was ich Ihnen erzählt habe, ist so logisch, dass alle damit einverstanden sein können, den Gesetzentwurf in den Ausschuss zu überweisen und danach schnell zu beschließen. - Danke.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Gallert. - Der Abg. Herr Gürth hatte eine Zwischenbemerkung signalisiert.
(Detlef Gürth, CDU: Das mache ich in meiner Rede!)
- Das macht er in seiner Rede.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Er hat aufgegeben.