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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 9

Erste Beratung

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/2672


In Bezug auf die Einbringung hätte ich eine Idee. Ich würde sagen, diese übernimmt Frau Hüskens. - Bitte.


Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So euphorisch bin ich, glaube ich, noch nie begrüßt worden. Herzlichen Dank dafür.

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Bauordnung. Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen mit dem heute vorliegenden Entwurf im Prinzip Änderungen in drei Themenkomplexen vor. Zwei dieser Änderungen beziehen sich auf die Unterstützung des Ausbaus erneuerbarer Energien und eine Änderung bezieht sich auf die Bauvorlageberechtigung.

Im Rahmen des im Bauordnungsrecht Möglichen sollen der Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützt werden und Verfahrenserleichterungen eingeführt sowie Hemmnisse abgebaut werden. Das ist Ziel unserer Regierungskoalition und natürlich auch der Landesregierung.

Regelungen sowohl zu den Baulasteinträgen für Windenergieanlagen als auch für die Abstandsflächen für Fotovoltaik sollen angepasst werden. Für Windenergieanlagen soll die Regelung für den Baulasteintrag von 1 H auf das allgemeine Maß der Musterbauordnung von 0,4 H herabgesenkt werden. Wir schlagen also vor, die Bauordnung Sachsen-Anhalts an die Musterbauordnung anzupassen - nicht mehr und nicht weniger.

Dafür entfällt die bisherige Sonderregelung in § 6 Abs. 8 der Bauordnung. Damit werden eventuell bestehende Hürden aufgrund einzutragender Baulasten und Verhandlungen mit Grundstückseigentümern reduziert. Die aufgrund anderer Vorschriften, vor allen Dingen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, einzuhaltenden Abstandsregelungen für größere Windkraftanlagen zur Wohnbebauung von 1 km sind davon nicht berührt. Das sage ich ganz explizit.

Der zweite Punkt bezieht sich auf die Abstände für technische Anlagenteile auf Dächern, also Solaranlagen, Fotovoltaikanlagen oder Solarthermieanlagen. Diese sollen in § 31 neu geregelt werden. Das heißt, ein geringer Abstand zu Brandwänden soll die Zulassung erleichtern und natürlich auch den Ertrag erhöhen, und zwar auch auf privaten Dächern.

Komplettiert werden die Änderungen für die erneuerbaren Energien durch eine beabsichtigte Verfahrensfreiheit von frei stehenden Fotovoltaikanlagen mit einer Höhe von bis zu 3 m und einer Gesamtlänge von bis zu 9 m. Hierfür soll der § 60 Abs. 1 ergänzt werden, in dem verfahrensfreie Bauvorhaben zusammengefasst werden.

Auf einen anderen Rechtsbereich bezieht sich die dritte Regelung, nämlich die Regelung zu den Bauvorlageberechtigten. An dieser Stelle ist der Hintergrund ein komplett anderer. Es ist so, dass die Europäische Kommission die Bundesrepublik Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren überzogen hat. Die Europäische Kommission hat gerügt, dass es Bauvorlageberechtigungsregelungen gibt, exemplarisch im Bundesland Nordrhein-Westfalen, die eben nicht der Anerkennung von Berufsqualifikationen der Europäischen Union folgen und ihnen Rechnung trägt. Das heißt, die Umsetzung der Richtlinie 2005/36 der Europäischen Gemeinschaft ist an dieser Stelle nicht sachgerecht erfolgt.

Wir haben in Sachsen-Anhalt wie in vielen anderen Bundesländern genau diese Regelungen gehabt und sind dementsprechend von dem entsprechenden Urteil betroffen und müssen dies jetzt nachvollziehen.

Im Bereich der Bauordnung ist es in der Regel so, dass die Bundesländer mit dem Bund in die Verhandlungen gehen und zunächst einmal die Musterbauordnung anpassen. Das ist mit den §§ 65 ff. erfolgt. Das Land hat die entsprechenden Mindeststandards jetzt zwingend im Landesrecht umzusetzen.

Vorgesehen ist, dass die §§ 64 bis 64 d sowie der § 87 und die Anlage 1 vollständig neu geregelt werden. Einzig die bereits vorher bestehende kleine Bauvorlageberechtigung unter anderem für Handwerksmeister und staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtung Bautechnik mit dem Schwerpunkt Hochbau bleiben bestehen. Sie finden sich nunmehr systematisch in § 64 Abs. 5 wieder. - Das kurz zu den materiellen Änderungswünschen, die mit dem Entwurf vorgelegt werden.

Die Vorschläge sind nach der Befassung im Kabinett den Kammern und Verbänden zur Anhörung übermittelt worden. Wir haben insgesamt 22 Verbänden und Kammern die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Davon haben 14 Institutionen inhaltlich zum Gesetzentwurf Stellung genommen. Acht Institutionen haben keine Einwände erhoben oder ihre Zustimmung signalisiert.

Wir haben den Gesetzentwurf nach der ersten Beratung im Kabinett für sechs Wochen in das Landesportal Sachsen-Anhalt eingestellt. Dies war zur Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich, weil dies die Richtlinie der Europäischen Union 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen erfordert. Dazu ist eine Stellungnahme eingegangen, die ebenso wie alle anderen Stellungnahmen ausgewertet worden ist.

Ganz kurz zu den Einschätzungen, die wir aus den entsprechenden Stellungnahmen herauskristallisiert haben. Bei den meisten Punkten halten sich Zustimmung und Kritik die Waage. Das will ich nicht verhehlen. Es gibt durchaus kritische Stimmen zu dem einen oder anderen Bereich.

Es gibt z. B. im Bereich Windenergie und Baulasteintragung den einen oder anderen, der vorträgt, dass dies eine super Idee sei, dass sie hervorragend geeignet sei, um mehr Windkraftanlagen auf eine entsprechende Fläche zu bringen. Wir haben aber auch den einen oder anderen, der Sorgen hat, dass der nachbarliche Schutz vor störender Beeinträchtigung dann nicht mehr hinreichend gewährleistet ist bzw. Anlagenbetreiber und Nachbarn nicht frühzeitig in den entsprechenden Diskurs gehen.

Bei den Fotovoltaikanlagen haben wir eigentlich keine Einwendungen; wohl aber bei dem Thema Bauvorlageberechtigung, über das interessanterweise - das hatte ich nicht erwartet - am diskursivsten gesprochen worden ist. Ich glaube weniger, dass dies so ist, weil wir in Sachsen-Anhalt ein entsprechendes Problem haben werden, sondern weil dies offensichtlich von den Kammern bundeseinheitlich gegenüber den Bundesländern und dem Bund intoniert worden ist.

Die Kritik richtet sich vor allen Dingen gegen die Regelung, dass ausländische Ingenieure aus der Europäischen Union in Deutschland in den Bereichen der entsprechenden Gebäudeklassen tätig werden können. Es wird besorgt vorgetragen, dass dies dazu führen könnte, dass der eine oder andere Bauherr eine nur ungenügende Beratung erhält und nur mit einer ungenügenden Expertise ausgestattet ist. Dies ist eine Diskussion.

In den persönlichen Gesprächen sind zudem Sorgen hinsichtlich der Qualifikationen aus entsprechenden ausländischen Abschlüssen, die nicht in der Bauordnung geregelt werden, vorgetragen worden. Diese sind innerhalb der Europäischen Union, glaube ich, längst hinreichend und vielfältig ausgeklagt worden und die entsprechenden Urteile ergangen.

Demzufolge haben wir den Gesetzentwurf in diesem Punkt unverändert vorgelegt, und zwar auch, weil wir nur so das Vertragsverletzungsgefahr und entsprechende Sanktionszahlungen an die Europäische Union vermeiden können. Deshalb sind wir sicher, dass wir dem Landtag zu allen drei Themen, über die wahrscheinlich im Ausschuss diskutiert werden wird, eine sinnvolle Lösung vorgeschlagen haben, die mit den verschiedenen Sorgen und Hoffnungen, die an die entsprechenden Themen herangetragen werden, ausgewogen umgeht. - In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)