Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Tobias Krull (CDU):

Meine Frage richtet sich an die Ministerin für Inneres und Sport. Es gab gestern einen sogenannten Flüchtlingsgipfel mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Bundesinnenministerin zur aktuellen Lage.

Wie beurteilt die Landesregierung, vertreten durch Sie, die Ergebnisse dieses Gipfels? Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass leider nicht alle Innenminister der Länder eingeladen waren? Denn die Länder tragen einen erheblichen Anteil an Verantwortung mit, was den Umgang mit dieser Problematik angeht.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Frau Zieschang wird eine Antwort geben.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Abg. Krull, es ist natürlich schwierig, einen Flüchtlingsgipfel zu bewerten, zu dem wir nicht eingeladen waren. Sie haben es angedeutet: Es war zunächst vorgesehen, dass wirklich nur die kommunalpolitischen Spitzenverbände mit der Bundesinnenministerin zusammenkommen.

Es haben wohl offensichtlich nicht nur die B-, sondern auch die A-Innenminister gesagt, dass das eigentlich kein Umgang miteinander ist, sodass auf die letzte Minute der IMK-Vorsitzende und die A- und B-Seite jeweils mit einem Vertreter vor Ort waren. Dass das guter Stil ist, wage ich zu bezweifeln, weil wir eben eigentlich eine gemeinsame Verantwortung haben. Viele Entscheidungen, die im Bund getroffen werden, müssen von den Ländern und den Kommunen umgesetzt werden. Deshalb wäre es, glaube ich, richtig gewesen, dass alle Länder mit am Tisch gesessen hätten.

Wir haben morgen noch mal eine BIMK-Schalte. Da kriegt man dann auch noch mal den Livebericht mit den Details. Insofern kann ich mich jetzt bei der Bewertung dieses sogenannten Flüchtlingsgipfels, um die Sie gebeten haben, nur auf das beziehen, was am Ende an Presseverlautbarungen öffentlich geworden ist.

Ich kann nur sagen, dass mein Fazit im Augenblick ist: Der Flüchtlingsgipfel kam zu spät und er ist im Ergebnis enttäuschend. Das kann ich im Einzelnen begründen.

Wieso kommt er zu spät? - Wenn ich lese, dass ein Vorschlag ist, dass der Bund jetzt 56 zusätzliche Bundesimmobilien zur Verfügung stellen will, dann kann ich nur sagen: Im Jahr 2016 hat uns der Bund Stendal zugesagt und wir wissen, wo wir jetzt bei Stendal stehen. Wo ist da die kurzfristige Hilfe, wenn jetzt Bundesimmobilien angeboten werden, die im Zweifel erst einmal hergerichtet werden müssen, sprich: erst in drei, vier, fünf, zehn Jahren zur Verfügung stehen? Das hilft den Kommunen jetzt bei der Unterbringung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen oder auch von Asylsuchenden überhaupt nicht.

Dann ist die Verlängerung der Grenzkontrollen zwischen Österreich und Bayern vereinbart worden. Das hat der Freistaat Bayern schon seit Wochen und Monaten erbeten. Insofern ist es nur eine Bestätigung dessen, was von Länderseite erbeten worden ist. Dann ist wohl auch die im Augenblick durchaus festzustellende zunehmende illegale Migration über die Balkanroute thematisiert worden. Auch dazu hat die Innenministerin jetzt gesagt, dass sie tätig werden will.

Ich kann in diesem Zusammenhang nur sagen: Wir hatten Ende Juli 2022 eine Schaltkonferenz der Innenministerkonferenz, an der alle Innenminister teilgenommen haben. Die Bundesinnenministerin hat sich dort leider vertreten lassen. Dort haben wir, alle Länder, unisono bereits darauf hingewiesen, dass das Asylzugangsgeschehen völlig losgelöst von den ukrainischen Kriegsflüchtlingen im Vergleich zu den Vorjahren zunimmt.

Das haben wir im Land in gewisser Weise auch erwartet; denn Reisebewegungen, Fluchtrouten und Ähnliches waren, bedingt durch die Coronapandemie, gar nicht mehr so möglich wie in den Vorjahren. Deswegen haben wir damals bei der Haushaltsaufstellung für das Jahr 2022 auch gesagt, dass wir von einem höheren Asylzugangsgeschehen ausgehen müssen als in den Coronajahren 2020 und 2021.

Das zeichnete sich über den Frühsommer auch ab. Deswegen haben die Länder im Juli 2022 wirklich sehr dringlich an den Bund appelliert und gesagt: Ihr müsst gucken, was rund um die Balkanroute passiert.

Das heißt natürlich: Man muss den europäischen Austausch suchen. Denn es kann nicht sein, dass der Bund dann einerseits ankündigt, dass wir neue Aufnahmeprogramme im Rahmen des EU-Solidaritätsmechanismus starten - sprich: wir entlasten betroffene Länder am Mittelmeer, wie Griechenland und Italien  , aber gleichzeitig sehenden Auges akzeptieren, dass dann über Griechenland, über die Balkanroute Flüchtlinge wieder zu uns durchgereicht werden.

Und es kann schlicht und ergreifend nicht sein, dass erst jetzt Gespräche über Frontex und Ähnliches aufgenommen werden, obwohl wir bereits im Juli 2022 darum gebeten haben. Deswegen sage ich: Es sind wieder wertvolle Monate verschenkt worden, in denen offensichtlich nichts passiert ist.

Jetzt hat sie öffentlich gesagt, dass sie die Gespräche führen will. Sie will auch auf Serbien zugehen. Serbien hat inzwischen die visumsfreie Einreise ermöglicht, was die Migrationsbewegungen über die Balkanroute in gewisser Weise weiter verstärkt hat. Aber dieses Gespräch hätte man längst führen können. Wie gesagt, die Länder haben bereits im Juli 2022 unisono auf genau die Situation, die jetzt eintritt, hingewiesen und eigentlich Aktivitäten vonseiten des Bundes eingefordert. - So weit zu der Bewertung „zu spät“. Man hat wertvolle Monate verloren.

Jetzt zu dem Punkt „enttäuschend“. Wieso enttäuschend? - Zu der Frage der Kostenbeteiligung des Bundes ist gar nichts gesagt worden, und zwar weder in puncto Ukraine noch in Bezug auf Asylkosten. Ich will das durchaus unterteilen; denn die Bundesinnenministerin hat auch angekündigt, dass man im November 2022 noch einmal über die Flüchtlingskosten reden wird.

Ja, es ist richtig, man hat bei der MPK im April 2022 beschlossen, dass eine Ukraine-Hilfe im Umfang von 2 Milliarden € gewährt wird, aber auch, dass das dann im Herbst evaluiert wird und dass man schaut, ob das zugeteilte Geld ausreicht.

Dazu kann ich, wenn wir uns jetzt nur den Themenkomplex Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge ansehen, Folgendes sagen: Der Bund hat dafür, wie gesagt, Mittel in Höhe von 2 Milliarden € zur Verfügung gestellt. Das Land Sachsen-Anhalt hat davon, glaube ich, Mittel in Höhe von 61,5 Millionen € bekommen. Wenn ich mir ansehe, welche Unterbringungskosten allein das Innenministerium und die Kommunen zu tragen haben, dann sind wir schon bei 59,7 Millionen €.

Dabei sind Themen wie Beschulung und Ähnliches noch gar nicht berücksichtigt. Das zeigt, dass das, was der Bund damals zur Verfügung gestellt hat, hinten und vorn nicht reichen wird, um sich anteilig an den Kosten zu beteiligen. Aber das ist nur der eine Part.

Damals hat man eine Evaluation in Bezug auf die Ukraine-Kosten beschlossen. Aber im April 2022 gab es einen weiteren Beschluss und eine Zusage des Bundes. Dieser weitere Beschluss betraf das ganz normale Asylzugangsgeschehen.

In puncto Asylbewerber und Bundesbeteiligung ist es so, dass sich der Bund bis Ende 2021 sozusagen an den Kosten für die Unterbringung von Asylsuchenden beteiligt hat. Damals gab es für Asylbewerber Mittel in Höhe von 670 € je Verfahrensmonat im BAMF und andere Kostenbeteiligungen.

Im April 2022 ist zugesagt worden, dass über diese Flüchtlingskosten nicht nur gesprochen wird, sondern dass der Bund sich definitiv über 2021 hinaus, und zwar auch rückwirkend für 2022, an diesen Flüchtlingskosten, die sich allein auf den klassischen Asylbereich beziehen, beteiligen wird. Vor diesem Hintergrund nun einen einen Flüchtlingsgipfel durchzuführen und dazu nicht aussagefähig zu sein, das ist ziemlich enttäuschend.

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Herr Robra, der CdS, hat mich vorhin darauf hingewiesen, dass heute im BMF erstmals eine Beratung auf der Staatssekretärsebene mit Länderbeteiligung stattfindet, um endlich über die Beteiligung des Bundes an den reinen Asylkosten zu sprechen. Das war der Bundesinnenministerin offensichtlich nicht präsent; denn sie hat einfach auf die Novembergespräche verwiesen.

Der Bund tut diesbezüglich jetzt also etwas. Aber die Zusage, sich an den Kosten zu beteiligen, stammt, wie gesagt, aus dem April 2022, und erst heute findet die Beratung darüber statt, wie das geschehen soll. Deshalb ist mein Fazit: zu spät und im Ergebnis enttäuschend.

(Zustimmung bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Als Nächstes eine Nachfrage von Herrn Striegel. - Bitte.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Ministerin, ob die Verzögerungen in Sachen Stendal beim Bund ursächlich sind oder nicht doch viel stärker in den Reihen der CDU-Landtagsfraktion der letzten Legislaturperiode zu suchen sind,

(Zurufe von der CDU)

darüber kann man sicherlich trefflich streiten.

Ich würde von Ihnen aber gern Folgendes wissen. Sie haben das Thema Flüchtlinge umfassend angesprochen. In der Bundesrepublik ist unlängst die Debatte entbrannt, ob wir es mit Blick auf die Ukraine mit einer Situation zu tun haben, in der Menschen hin- und zurückreisen. Und von dem Vorsitzenden einer größeren Partei in diesem Land wurde der Vorwurf des Sozialtourismus erhoben. Mich interessiert, ob Ihnen als Innenministerin irgendwelche Hinweise darauf vorliegen, dass es aus dieser Gruppe heraus entsprechende Betätigungen gibt.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Sie sprechen jetzt gezielt das Thema der ukrainischen Kriegsflüchtlinge an. Sie wissen, dass wir in Sachsen-Anhalt mehr als 28 000 ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen haben. An dieser Stelle geht mein Dank an die Kommunen und die vielen Ehrenamtlichen im Land, die 28 000 Menschen binnen sehr, sehr kurzer Zeit, binnen weniger Monate geholfen haben.

(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)

Das ist eine wirklich beeindruckende Leistung, die am Ende wirklich vor Ort, in den Kommunen bewältigt worden ist, aber auch mit Unterstützung von sehr, sehr viel ehrenamtlichem Engagement.

Ich glaube, das war eine gute Entscheidung bei uns im Land. Andere Bundesländer haben sie durchaus anders getroffen. Andere Bundesländer haben gesagt: Wir nehmen zentral auf und verteilen dann im Land. Wir haben uns von Anfang an für eine relativ dezentrale Aufnahme entschieden, weil wir gemerkt haben, dass es über Kirchengemeinden, über Sportvereine, über berufliche Beziehungen so viele Kontakte gibt, dass die Menschen auch dezentral ankamen. Sie sind eben nicht zielgerichtet nach Magdeburg oder nach Halle, in die größeren Städte, gefahren, sondern sie sind auch in kleinen Städten irgendwo im Land, zwischen Altmark und Burgenlandkreis, gelandet, weil sie in der Regel irgendeinen Bezugspunkt hatten.

Das hat uns die Unterbringung wahnsinnig erleichtert; denn dadurch, dass häufig Ansprechpartner vor Ort waren, war es möglich, dann auch die private Wohnungsvermittlung stark einzubeziehen.

Wie kommen unsere Zahlen zustande? Wie kommen wir auf 28 000 ukrainische Kriegsflüchtlinge? Mir ist es wichtig, das darzustellen. Die Kommunen melden uns, wenn neue Zugänge zu verzeichnen sind. Aber sie haben uns auch immer gemeldet, wenn wieder welche zurückgekehrt sind.

Das heißt, wir bekommen täglich die Meldungen. Es gibt durchaus auch Situationen, in denen die Kommunen, weil sie ihre Zahlen mindestens einmal pro Woche bereinigen, die Zahlen auch einmal nach unten korrigieren. Insofern gibt es durchaus auch einmal einen Rückgang. Das erklärt auch, wieso wir uns von den 28 000 im Augenblick kaum wegbewegen. Es kommen zwar jeden Tag welche hinzu, aber es kehren durchaus auch welche zurück. Insofern haben wir mit den Zahlen, die uns die Kommunen liefern, glaube ich, einen ganz guten Überblick.

Zu der Frage, ob die Menschen hin und her reisen. - Erst einmal ist das natürlich das Recht von jedem. Es hat sich wohl auch der eine oder andere abgemeldet und gesagt, er fährt jetzt für zwei Wochen in die Ukraine und kommt dann wieder zurück. Das waren dann Menschen, die vielleicht einfach nachsehen wollten, wie die Wohnung oder das Haus aussieht, oder die versuchen, das eine oder andere zu holen.

Manche haben auch gesagt, sie besuchen Freunde in anderen Bundesländern, und haben sich eben sehr ordnungsgemäß abgemeldet. Das hat man nicht immer. Sie haben sich eben, wenn sie für zwei Wochen wegfahren, sehr ordnungsgemäß an- und wieder abgemeldet. Dieses Recht steht ihnen natürlich zu.

Zu dem Themenkomplex, den Sie angesprochen haben, dass die Menschen eigentlich wieder dauerhaft in der Ukraine wohnen und dann nur ab und zu hier vorbeischauen, um womöglich finanzielle Unterstützung zu bekommen. - Dazu liegen uns in Sachsen-Anhalt keine Erkenntnisse vor.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Ich muss aber auch sagen: Ich kann hier nur für Sachsen-Anhalt sprechen und nicht für andere Bundesländer. Aus anderen Bundesländern höre ich dazu zum Teil anderes.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Nachfrage von Herrn Roi.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich schließe einmal daran an. Sie sagen, in diesem Bereich liegen keine Erkenntnisse für Sachsen-Anhalt vor. Ich habe selbst einmal nachgeschaut. Für elf Tage waren - das war der Aufhänger für Herrn Merz - in sechs Städten, Halle, Magdeburg, Merseburg, Stendal, Zeitz und Weißenfels, 128 Busverbindungen über Flixbus nach Lemberg bzw. Kiew ausgebucht. Daher kommt natürlich die Frage: Fahren die alle zurück und sind hier gar nicht gemeldet?

In diesem Zusammenhang interessiert mich eine konkrete Frage. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ und die „Volksstimme“ haben vor kurzem berichtet, dass es in Sachsen-Anhalt ca. 1 600 schulpflichtige Kinder gibt, die nicht in den Schulen aufgetaucht sind. Auch hierbei stellt sich die Frage: Sind die Kinder überhaupt in Sachsen-Anhalt? Oder hat es andere Gründe, warum sie nicht zur Schule gehen? Gibt es dazu seitens des Innenministeriums inzwischen neue Erkenntnisse aus den Landkreisen? - Das ist die eine Frage.

Die zweite Frage. Sie sprachen vorhin über die finanziellen Belastungen für das Land und die Kommunen. Nun ist es doch so: Es gibt für die Asylbewerber, die über das Asylbewerberleistungsgesetz in den Landkreisen untergebracht sind, diese sogenannte Pro-Kopf-Pauschale, die zumindest im Landkreis Anhalt-Bitterfeld auskömmlich war.

Bei den ukrainischen Flüchtlingen ist es so, dass sie ihre Leistungen seit dem 1. Juni 2022 über die KomBA oder über die Jobcenter bekommen, also nicht mehr über das Asylbewerberleistungsgesetz.

Dazu ist meine Frage: Welche Erkenntnisse haben Sie als Innenministerin dazu, welche finanziellen Belastungen für unsere Landkreise und kreisfreien Städte aufgrund dieser Tatsache in diesem Jahr entstanden sind? Wird der Bund hierbei auch einschreiten? Denn in unserem Landkreis explodieren die Sozialkosten. Es wird auch ganz klar gesagt, dass wir auf einem großen Teil sitzenbleiben werden. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen. - Danke.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Das waren zwei Fragen. Zu der Frage zu den schulpflichtigen Kindern hat auch das Bildungsministerium gesagt, dass es zwischen den von den Kommunen gemeldeten Zahlen und der Zahl derjenigen, die tatsächlich in den Schulen angekommen sind, eine gewisse Differenz gab und dass man dem im Einzelnen nachgeht.

Ich habe jetzt nicht den aktuellen Stand, inwieweit sich die Differenz verringert hat, aber Sie haben - da Sie auf Zeitungsmeldungen Bezug genommen haben - sicherlich auch gelesen, dass bspw. der Landkreis Wittenberg klar der Aussage widersprochen hat, dass 36 schulpflichtige Kinder angeblich nicht in der Schule angekommen sind. Denn sie wussten von 34 Kindern, dass diese in psychologischer oder anderer Betreuung sind und insofern eben nicht schulfähig waren. Dazu gab es eine klare Erklärung.

Wo wir im Augenblick bei den Zahlen liegen - das macht das Landesschulamt dann in Abstimmung mit den Kommunen  , müssten wir beim Bildungsministerium im Einzelnen nachfragen. Aber es ist natürlich so, dass nur derjenige, der da ist, Geld bekommt. Wer hier nicht seinen Lebensmittelpunkt hat, der bekommt hier auch kein Geld. Und schulpflichtige Kinder, die nicht da sind, bekommen auch kein Geld und keine Unterstützung. Das Gleiche gilt natürlich für deren Eltern, die dann demzufolge auch nicht da sind.

Jetzt zu der Frage der Belastung der Kommunen rund um die Ukraine-Kosten. Sie haben auch auf die Pauschale hingewiesen. Wir haben mit der Pauschale angefangen, haben dann aber mit den Kommunen vereinbart, dass wir für das erste Halbjahr 2022 eine Spitzabrechnung machen, also nicht einfach nur die Pauschale ausschütten, sondern dann unterjährig gucken, ob die Pauschale eigentlich ausreichend ist.

Die Ergebnisse dieser Spitzabrechnung liegen jetzt vor. Sie werden auch mit den kommunalen Spitzenverbänden noch einmal im Einzelnen besprochen. Ergebnis der Spitzabrechnung ist im Augenblick, dass die Pauschale um 14 Millionen € über den tatsächlich entstandenen Kosten liegt. Das würde dann mit späteren Pauschalen verrechnet werden. Die Kommunen müssen also nichts zurückzahlen.

Am Ende sage ich auch: Uns ging es damals bei der zügigen Auszahlung der Pauschalen auch darum, den Kommunen Sicherheit zu geben, ihnen Liquidität zu geben, damit nicht der eine oder andere einen Kredit aufnehmen muss, sondern dass er einfach weiß, dass in Bezug auf die anstehenden Kosten aufgrund neuer Gemeinschaftsunterkünfte, aufgrund der Betten und Ähnlichem, die angeschafft werden müssen, erst einmal Sicherheit besteht, dass das Land mit der Pauschale in gewisser Weise vielleicht auch in Vorleistung geht.

Die Sorge war damals auch bei uns, dass diese Pauschale vielleicht nicht ausreicht. Deswegen war ich dankbar dafür, dass das Finanzministerium am Ende den Vorschlag gemacht hat, für das erste Halbjahr eine Spitzabrechnung zu machen. Damit können wir unterjährig sehr schnell nachsteuern, um die Kommunen bei der Bewältigung dieser wirklich enormen Herausforderungen keinesfalls im Regen stehen zu lassen. Aber im Augenblick sieht es so aus, als seien es mit der Pauschale 14 Millionen € sogar über den tatsächlich entstandenen Kosten.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Frage von Herrn Krull.


Tobias Krull (CDU):

An erster Stelle vielen Dank für die umfänglichen Ausführungen. Es gibt von der kommunalen Seite den konkreten Vorschlag, dass der Bund die kompletten KdU, die Kosten der Unterkunft, übernimmt. Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag der Kommunen?


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Das ist - auch mit Blick auf gestiegene Energiekosten - ein wirklich wichtiger Punkt. Wir haben im Bereich der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine seit dem 1. Juli einen Rechtskreiswechsel zu verzeichnen. Dieser hat dazu geführt, dass scheinbar alle Kosten vom Bund getragen werden, aber das ist nur zum Teil der Fall. Das Land muss zwar keine Asylbewerberleistungskosten mehr zahlen, aber die Kommunen hängen - Sie haben es angedeutet - über die Kosten der Unterkunft voll drin. Ungefähr 28 % der Kosten der Unterkunft müssen die Kommunen tragen.

(Guido Kosmehl, FDP: Das waren aber schon mal mehr!)

Angesichts von gestiegenen Energiekosten kommt natürlich oben noch einmal eine Schippe drauf. Wir wissen, dass es verfassungsrechtlich schwierig ist, wenn der Bund 100 % der Kosten der Unterkunft übernimmt.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Die Erwartung ist gleichwohl, dass es Wege gibt, die Kommunen an anderer Stelle zu entlasten. Diese Wege ist man in früheren Jahren gegangen. Ich finde es im Augenblick schwierig, einen Rechtskreiswechsel zu vollziehen, der organisatorisch-operativ sowieso mit unglaublichen Belastungen für die Kommunen und auch für die Jobcenter verbunden ist. Der Rechtskreiswechsel war ein enormer Aufwand, auch weil er binnen sehr kurzer Zeit vollzogen wurde. Hätte man sich dafür ein, zwei Monate mehr Zeit gelassen, wäre vielleicht vieles auch vom Verwaltungsaufwand nicht ganz so schwer gewesen.

Das Thema Kosten der Unterkunft, das man damals akzeptiert hat, hat angesichts der gestiegenen Energiepreise ein völlig neues Gewicht bekommen. Deswegen kann ich die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände voll und ganz nachvollziehen.

Um auch das zu sagen: Wir sind in einem sehr intensiven Austausch mit den Kommunen. Wir machen - das habe ich, glaube ich, in der letzten Landtagssitzung angedeutet - verschiedene Erhebungen, um herauszufinden, wie die Kostenentwicklung bezogen auf die Energiepreise in einzelnen Bereichen ist.

Der Landkreistag hat bei den Landkreisen erhoben, wie sich die gesamten SGB-Kosten auf die Kommunen auswirken. Sie haben jetzt nur das Themenfeld KdU angesprochen. Aber im Bereich des SGB XII sind die Kommunen in einem ganz anderen Umfang an den Kosten beteiligt. Wir haben relativ viele SGB-XII-Fälle unter den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, weil viele ältere Menschen betroffen sind.

Insofern haben wir die Kommunen gebeten, diese Zahlen zu erheben, damit wir belastbares Material haben und bei den Verhandlungen im Bund gut präpariert sagen können, was dieser Rechtskreiswechsel hin zum SGB, was die Ukrainekosten für die Kommunen im Einzelnen bedeuten. Wie gesagt, SGB II und KdU-Kosten sind das eine, aber das SGB XII ist im Augenblick fast die größere Herausforderung für die Kommunen und wirft dabei wirklich erhebliche Beträge auf.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine Frage von Herrn Roi.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank. - Ich habe vorhin versucht zu differenzieren. Wir haben das Asylbewerberleistungsgesetz und dann - das sprach ich vorhin an - die Ukraine-Flüchtlinge, die seit dem 1. Juni durch den Rechtskreiswechsel die Leistungen über das SGB II und das SGB XII - das haben Sie gerade angesprochen - bekommen. Genau darauf zielte vorhin meine Frage ab, die Sie schon ein bisschen beantwortet haben.

Aber ich bin ein bisschen schockiert darüber, dass Sie gar nicht wissen, wie die finanziellen Belastungen unserer elf Landkreise und der drei kreisfreien Städte aktuell sind. Sie sprachen es an: SGB II und SGB XII, die Kosten der Unterkunft, das sind Millionenbeträge für die Landkreise. Die Landkreise haben schon ohne diese finanziellen Belastungen einen negativen Haushalt. Wir sind überall in den Haushaltsberatungen. Ich hätte von Ihnen heute erwartet, dass Sie uns sagen, wie hoch die Mehrbelastungen in unseren Landkreisen sind und wie Sie das Problem lösen wollen. Wir stellen aktuell den Haushalt auf in Anhalt-Bitterfeld und in anderen Landkreisen. Die Landräte und die Kreistagsmitglieder wissen nicht, woher das Geld kommen soll.

Deswegen bin ich relativ schockiert darüber, dass Sie die Zahlen nicht kennen. Die Frage ist dann auch, wann wir uns als Land endlich mit konkreten Zahlen an den Bund wenden, um finanzielle Entlastungen zu bekommen. Die Landkreise in Sachsen-Anhalt sind finanziell nicht so ausgestattet, dass sie das stemmen können. Deswegen meine herzliche Bitte, dass auch der Herr Ministerpräsident gegenüber Berlin deutlich macht, dass unsere Landkreise finanziell aus dem letzten Loch pfeifen. - Danke.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Frau Ministerin.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Das eine ist, dass man das Thema nachhaltig und deutlich artikuliert. Das hat der Ministerpräsident an vielen Stellen auch schon getan, gerade was die SGB-Problematik betrifft. Aber um das noch einmal mit ganz konkreten Zahlen zu unterfüttern, gab es die Verabredung mit den kommunalen Spitzenverbänden, dass sie die Zahlen im Detail erheben.

Wir erheben vonseiten des Landes andere Zahlen. Das hat weniger mit der Ukraine und dem SGB zu tun. Die Verabredung war, sich die Auswirkung der gestiegenen Energiekosten auf die Stadtwerke, die kommunalen Wohnungsunternehmen, die Verkehrsunternehmen anzuschauen. Die kommunalen Spitzenverbände haben gesagt, wir schauen uns an, was die gestiegenen Energiekosten für uns bedeuten, und in diesem Zusammenhang das Thema SGB II, aber auch SGB XII im Zusammenhang mit dem Thema Ukraine, weil dabei der Konnex von SGB II und den Kosten der Unterkunft mit den Energiekosten besteht.

Die Verabredung war, dass die kommunalen Spitzenverbände das erheben. Ich habe vorhin schon angedeutet, dass ich am Freitag ein großes kommunalpolitisches Gespräch mit allen Landkreisen und allen kreisfreien Städten hatte. Die kommunalen Spitzenverbände haben uns zugesagt, dass sie die Zahlen in Kürze liefern. Deren Zahlen sind eben noch nicht vollständig. Ich kenne vielleicht die Zahlen des einen oder anderen Landkreises, aber die Gesamtzahl wird uns der Landkreistag zur Verfügung stellen. Wenn wir diese Zahl haben, werden wir sie kraftvoll in Berlin vortragen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)