Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Vielen Dank. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Ablehnung ist natürlich eine Enttäuschung, weil auch die Vorarbeiten durchaus andere waren. Es ist nicht eine Enttäuschung für mich; denn mit der Ablehnung unserer Anträge ohne eigene substanzielle Vorschläge müssen wir als Opposition leben.
Aber es ist eine Enttäuschung für die Schulen vor Ort. Es ist auch eine Enttäuschung für die Handwerker vor Ort. Ich bin seit einem halben Jahr mit vielen im Gespräch, die eigentlich darauf warten, dass es losgehen kann.
Auch die Bildungsakademie in Leuna ist genannt worden. Das sind alles Leuchttürme. Das sind alles keine flächendeckenden Geschichten. Das sind alles keine kontinuierlich entwickelten Geschichten, sondern das sind alles Sachen, die mit Projektmitteln aus unterschiedlichen Quellen leben, die aber geeignet sind, sie zu verstetigen und zu verbreitern. Das scheint alles nicht stattzufinden.
Es war natürlich schon ein bisschen heftig, wie tief in die Kiste gegriffen wurde und welche Argumente sozusagen jetzt hier herausgezogen wurden sind von allen Seiten, um sozusagen um den heißen Brei herumzureden, dass man sich dieser Sache am Ende ja gar nicht entziehen kann.
Der Kern ist natürlich, dass das Sachen sind, die bezahlt werden müssen. Bei allem anderen, was gesagt wurde, gerade bei den Praxistagen usw., tragen ja auch die Betriebe die Kosten. Aber ich muss sagen, ich hatte noch kein Thema, bei dem die Ministerin erklärt, ich setze den Koalitionsvertrag um, bei dem die AfD erklärt, ich setzte ihr Wahlprogramm um, bei dem die CDU erklärt, ich setze ihr Programm um. Das hat auch einen gewissen Seltenheitswert, so viel auf einmal. Dann könnten wir es ja machen. Das ist aber natürlich nicht so.
(Christian Hecht, AfD: Genau!)
Es ist einfach eine andere Liga. Ich habe es ja in der Rede gesagt. Ich sage es jetzt noch einmal. Gemeint ist die Dimension des berufspraktischen Unterrichts, bei dem die Kinder nicht vereinzelt in Betriebe geschickt werden und dann mal geguckt wird, was sie da machen, sondern bei dem sie im Klassenverband zu Bildungsträgern gehen. Früher hätten wir Polytechnische Zentren dazu gesagt. Es gab übrigens auch Sachen nach der Wende, die direkt auch so hießen - wir hätten auch „polytechnischer Unterricht“ dazu sagen können , wo die Schüler systematisch über zwei Jahre hinweg in mindestens vier unterschiedlichen Berufsbildern systematisch von Berufspädagogen, also von Leuten, die in der beruflichen Erstausbildung Erfahrung haben, berufliche Ersterfahrungen vermittelt bekamen.
(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)
- Ja lieber Siegfried Borgwardt
(Siegfried Borgwardt, CDU: Sie meinen es doch so!)
- Trotzdem hättet ihr es in den Ausschuss überweisen können. Dann hätten wir das, was Katja Pähle angesprochen hätte, auch machen können. Wahrscheinlich werden wir es nachholen müssen;
(Guido Kosmehl, FDP: Nein!)
denn es ist eine Wette wert, wie lange es dauert, bis ihr das als eigenen Antrag oder als eigenes Projekt auf die Bühne zieht, weil ihr überhaupt gar nicht darum herum kommt.
(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)
Manchmal ist es auch so: Wer zu früh kommt, den bestraft manchmal auch das Leben.
(Guido Heuer, CDU: Heute bestrafen die Wahlergebnisse!)
Aber da ich ein bekennender Frühaufsteher bin, bitte ich darum, mir das nachzusehen, dass man da vielleicht für die Koalition ein bisschen zu schnell war.
Kollege Bernstein, zu den Kapazitäten der berufsbildenden Schulen. Aber rechnen Sie mal durch, was ich gesagt habe. Wenn alle 8. und 9. Klassen aller Sekundarschulen, aller Gemeinschaftsschulen und aller Förderschulen einen Projekttag in der Woche haben, dann entsteht ein Engpass. Das muss man mal hochrechnen.
Wenn die Kapazitäten in den Berufsschulen vorhanden wären, dann würden wir die Privaten nicht unbedingt brauchen. Dann könnten das auch die Berufsschulen machen. Die Berufsschulen sind ja auch mit drin. Aber das sind ja alles nur die Ausnahmen, bei denen noch ein paar Leute da sind. Die Kabinette habt ihr. Aber ihr habt ja die Leute nicht in dieser Dimension.
Unser Problem ist, wir haben Kinder in den Schulen, und Schule bedeutet Leute. Und wenn wir den Kern nicht hinkriegen - das ist keine Kapitulation, sondern einfach eine nüchterne Feststellung der Realität , also, wenn wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren das Problem nicht lösen - das ist alles eingespielt, was jetzt abläuft, das wissen wir doch, das ist ein Tanker , dann wird es sehr kritisch. Wenn diese Lehrkräfte in so einer Größenordnung nicht vorhanden sind, dann muss ich entweder andere geeignete Leute zu den Kindern bringen, oder ich muss die Kinder zu anderen Leuten bringen.
Aber ich muss die Kinder zu Leuten bringen. Leute heißt in dem Fall Pädagogen. Das könne auch Berufspädagogen sein. Das sollten in aller Regel natürlich grundständig ausgebildete Lehrkräfte sein. Das sind Bildungsträger - die haben natürlich eine breitere Balance; die Euroschulen sind angesprochen worden - oder Ähnliches.
Das heißt, das hat mit den Privatschulen, liebe Susan Sziborra-Seidlitz, überhaupt nichts zu tun. Das ist auch so eine Geschichte, bei der ich mich über die Frage ärgere, warum wir so etwas jetzt ein bringen.
(Guido Heuer, CDU: Ach, das war es jetzt!)
Natürlich ist das, was wir jetzt hier machen, was den Unterricht in öffentlichen Schulen für alle Kinder ersetzen soll, etwas anderes, als wenn ich einen Teil der Kinder mit Schulgeld in die privaten Schulen abgebe.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Deswegen ist die Analogie nur so gemeint, dass wir hier über Schülerkostensätze reden müssen, wenn es um die Abrechnung der ganzen Geschichte geht, weil das für das Land auch kein Sparmodell sein darf. Bei dem, was ich da organisiere, kann es nämlich sein, dass eine Volkshochschule oder auch eine andere Bildungsakademie kommt und sagt, bei dem entsprechenden Bedarf - die Türen sind ja nicht weit offen - kann ich dir in der 7. Klasse den Englischunterricht machen, weil keiner da ist, der Englischunterricht macht, oder ich kann dir in der 8. Klasse den Deutschunterricht machen oder vielleicht auch den Geografie- oder den Sozialkundeunterricht.
Da werden jetzt nicht die Lehrkräfte der Bildungsträger bei uns eingestellt, abgesehen davon, dass diese Abwerbung natürlich stattfinden wird. Das ist überhaupt nicht das Thema. Vielmehr nehme ich eine Bildungsleistung dieses Trägers, der das verantwortet. Dafür haben wir genügend Beispiele.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Chance ist an dieser Stelle erst einmal vertan. Aber das Thema ist hoffentlich angekommen und nachdrücklich angekommen. Wie gesagt, ich bin mir sicher, dass es nur eine Frage von kurzer Zeit ist, bis wir es hier, in welcher Form auch immer, wieder auf dem Tisch haben, weil es gar keine Alternative dazu gibt. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Lippmann, es gibt noch eine Frage der Abg. Frau Feußner. Wollen Sie die hören?
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Natürlich möchte ich die hören.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Natürlich möchte er sie hören. - Frau Feußner, da gibt Ihnen die Gelegenheit, diese zu stellen.
Eva Feußner (CDU):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich glaube, Herr Lippmann, Sie haben sich hier total verrannt. All diese Beispiele, die Sie eben genannt haben, sind derzeit in der Schule schon alle existent.
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Nein.
Eva Feußner (CDU):
Das ist null Neues. Das praktizieren wir bereits alles. Die Möglichkeiten bestehen schon. Wenn Sie dann hier noch zu uns sagen, ich bin vielleicht zu zeitig und demnächst kommt da ein Antrag dazu, dann bin ich gern bereit, einmal im Ausschuss oder darüber hinaus Sie privat darüber zu informieren, was wir an der Stelle alles tun.
Ich frage Sie: Haben Sie sich denn eigentlich schon einmal mit dem Praxislerntag auseinandergesetzt? Oder haben Sie sich schon mal mit den Möglichkeiten des Schulbudgets auseinandergesetzt? Das sind alles Dinge, mit denen die Vorschläge, die Sie eben vorgetragen haben, möglich sind. Ich verstehe Ihren Antrag in keiner Weise und nach Ihren jetzigen Ausführungen erst recht nicht mehr.
(Zustimmung bei der CDU)
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Also, liebe Frau Abg. Feußner, wir sollten uns einfach nicht immer gegenseitig erzählen, dass wir irgendwas nicht lesen. Selbstverständlich haben wir uns damit auseinandergesetzt und ich bin in der Rede zumindest mit ein paar Sätzen darauf eingegangen, dass das überhaupt nicht das Gleiche ist.
(Zuruf von der CDU)
Das Einzige, was alle Schüler schon ewig machen, sind die Betriebspraktika, also die 14 Tage Betriebspraktika.
(Eva Feußner, CDU: Es weiß keiner, was Sie wollen!)
Die Fachpraxistage
(Eva Feußner, CDU: Was ist denn daran neu?)
Das, was wir wollen ist, dass
(Zuruf von Matthias Redlich, CDU)
jede 8. Klasse und jede 9. Klasse der Sekundarschulen, der Gemeinschaftsschulen und der Förderschulen in jeder Woche einen ganzen Tag lang
(Eva Feußner, CDU: Das machen wir doch!)
- Ach, erzählt doch nicht, dass im ganzen Land jede 8. Klasse Das ist doch Quatsch. Ihr habt jetzt ein paar, die noch ein paar Fachpraxistage mehr machen, wo ihr die Fahrtkosten übernehmt und wo ihr überhaupt nicht wisst, dass es in den Betrieben stattfindet.
Ich will, dass die zu den Bildungsträgern gehen, aber nicht, weil ich die Bildungsträger mag, sondern weil ich die berufspädagogische Ausbildung von Leuten haben will, die in der beruflichen Erstausbildung Erfahrungen haben. Ich will, dass die dort systematisch vier unterschiedliche Berufsbilder kennenlernen, damit sie später in der Entwicklung
(Zurufe von der CDU)
- Natürlich gibt es das Beispiel in Leuna.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Aber jetzt wäre es mal gut, wenn jetzt das Zwiegespräch zu Ende geht.
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Aber das kostet doch Geld und das wird finanziert mit Projektmitteln und zum Teil mit Bundesmitteln und mit EU-Mitteln usw.
(Zuruf von der CDU)
Das ist doch nichts, was du flächendeckend machen kannst.
Wir können das abkürzen. Worüber ihr gar nichts gesagt habt, ist, dass wir in den Sekundarschulen 25 % weniger Unterrichtsversorgung als an den Gymnasien haben, mit zunehmend abnehmender Tendenz. Und ihr habt nichts, gar nichts, auf dem Tisch, um diesen Prozess zu stoppen. So.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Das zu füllen ist eine andere Liga. Ich rede über Projekte, die es gibt. Aber ich rede über eine andere Liga dessen, was in den Sekundarschulen passieren müsste.
Ihr wischt da im Moment Staub. Wir müssen aber Trümmer beseitigen und nicht Staub wischen. Das ist der Unterschied.
(Zustimmung bei der LINKEN - Eva Feußner, CDU: Was macht ihr denn?)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Nun sind wir am Ende der Debatte angelangt. Ich will jetzt bloß noch mal zu der Situation Folgendes sagen: Also Frau Feußner, wenn Sie sich als Abgeordnete melden, eine Frage stellen und dann bei Ihrer Frage sagen, ich kann gerne mal im Ausschuss darlegen, was wir alles tun,
(Eva Feußner, CDU: Das geht nicht!)
dann haben Sie einen Rollenkonflikt. Darauf wollte ich mal kurz hinweisen.
(Zuruf von Eva Feußner, CDU)
Nichtsdestotrotz werden wir jetzt diese Debatte nicht fortführen, sondern wir werden jetzt zur Abstimmung kommen.