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Plenarsitzung

Transkript

Olaf Feuerborn (CDU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, uns ist noch nicht richtig bewusst, dass wir Krieg in Europa haben. Die Uhren drehen sich im Moment ein wenig anders, und keiner von uns kann sagen, wann dieser Krieg zu Ende sein wird.

(Zustimmung)

Wir befinden uns seit vier Wochen in diesem Zustand. Wir haben es als Landwirtschaft frühzeitig erkannt und haben darauf hingewiesen, dass an dieser Stelle ein Problem entsteht, und zwar nicht nur in der Ukraine. Wir wissen, dass die Produktion in der Ukraine in diesem Jahr ausfallen wird. Zurzeit wäre dort die Sommeraussaat für Sonnenblumen   wir importieren übrigens 86 % der Ernte nach Europa  , für Sommerweizen, für Hartweizen für Sommerraps zu erstellen. Diese Aussaat fällt komplett aus.

Die Winteraussaaten sind im Herbst ausgebracht worden; das Getreide steht auf den Feldern. Es ist vielleicht noch mit der ersten Gabe gedüngt worden. Das war aber nicht überall der Fall; denn durch das Kriegsgeschehen ist auch ein großer Ausfall an Arbeitskräften entstanden. Vielen landwirtschaftlichen Betrieben wurde der Diesel entweder gestohlen, oder sie haben ihn den Freiwilligen, die in der Ukraine für die Freiheit kämpfen, zu Kriegszwecken zur Verfügung gestellt. Daher können bestimmte Maßnahmen, Erntearbeiten oder Bestellungsarbeiten, in der Ukraine nicht stattfinden. Das ist ein Volk mit 40 Millionen Menschen. Wir haben auch eine Verantwortung, uns darum zu kümmern, dass sie satt werden,

(Zustimmung)

und zwar nicht nur die Flüchtlinge, die zu uns kommen. Wir haben auch die Aufgabe, uns darum zu kümmern, wie wir den Menschen in der Ukraine in dieser Notsituation helfen können.

(Zustimmung)

Wir in Europa sind doch als Erste gefragt, diese Hilfestellung zu leisten.

Hinzu kommen die Märkte, die durch die Ukraine und durch Russland jetzt nicht mehr bedient werden können - das ist heute schon mehrfach angeklungen. Das betrifft Nordafrika, wo sich die ärmsten Länder der Welt befinden und wo bereits viele Menschen unter Hunger leiden. Wenn wir diese Krise noch verstärken     Johann Hauser hat es gesagt: Hunger macht böse. Hunger treibt einen dazu, zu flüchten und vielleicht in unsere Richtung zu laufen, um hier sein Glück zu suchen, weil er hofft, hier satt werden zu können.

Meine Damen und Herren! Dieses Streben ist nachvollziehbar. Die Älteren von uns haben die letzten Kriegstage nicht oder nur als Kinder erlebt. Wir haben die Entbehrungen, die unsere Vorfahren nach dem Krieg erlebt haben, nicht erlebt. Wir können uns aber an deren Erzählungen erinnern. Ich bitte darum, entsprechend ernsthaft damit umzugehen.

(Beifall)

Das hat nichts damit zu tun, dass wir als Landwirtschaft unserer Verantwortung, auch die Nachhaltigkeit im Blick zu behalten, nicht gerecht werden wollen. Ich glaube, Landwirtschaft ist schon immer nachhaltig gewesen, weil sie immer versucht hat, auch für die nächste Generation zu denken. Daher ist der Vorwurf, dass wir das nicht tun, zurückzuweisen.

(Beifall)

Ich gebe ja zu, dass man in der Vergangenheit bestimmte Dinge aus dem Auge verloren hat oder sich in bestimmte Richtungen bewegt hat, weil man Ertragsoptimierungen vorgenommen hat. Aber   ich glaube, ich habe es in diesem Haus schon einmal gesagt und vorhin ist es auch von Johann Hauser angesprochen worden   die Preise für die Erzeuger haben sich nicht signifikant erhöht, aber unsere Kosten sind mit jeder Inflation gestiegen. Auch der Ausgleich, den wir aus Brüssel erhalten, ist nicht der Inflation angepasst worden, sondern wir haben immer weniger bekommen.

Meine Damen und Herren! Der Landwirt muss von dem, was er macht, auch leben können und muss damit Geld verdienen dürfen.

(Beifall)

Wir leben nun einmal in einem Land, in dem wir bei hohen Auflagen und hohen Kosten die gleichen Standards produzieren müssen. Und wir setzen immer noch einen drauf für unsere Landwirtschaft. Warum haben wir denn die Produktion von Obst und Gemüse verloren? - Weil wir es zu den Kosten, die wir haben, nicht mehr produzieren können. Dann wandert die Produktion in andere Regionen ab, weil man der Meinung ist, dort könnte man es besser machen.

(Beifall)

Ich bin lange im Obst- und Gemüsehandel tätig gewesen und kann daher aus eigener Erfahrung sagen: Es geht immer nur um den Preis. Auch der Minister hat es gestern schon angesprochen: Es geht im Lebensmitteleinzelhandel immer um den Preis, den Sie dem Kunden anbieten können. Daran hat sich nichts geändert. Zurzeit erleben wir, dass die Lebensmittelpreise steigen. Aber woran liegt das? - Das liegt nicht unbedingt an den Erzeugerpreisen, die schon höher sind; vielmehr erleben wir zurzeit Steigerungen bei den Logistikkosten und bei den Arbeitskosten in der lebensmittelverarbeitenden Industrie. Diese Steigerungen sind darauf zurückzuführen, dass Rohstoffe nicht bereitstehen und Liegerungen nicht erfolgen können. Das führt zu einer Kostensteigerung, die wir entsprechend auffangen müssen.

Meine Damen und Herren! Die Landwirtschaft in Deutschland muss im Moment dafür sorgen, die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in den ärmsten Ländern der Welt. Sicherlich werden wir uns, wenn wir wieder in ein normales Fahrwasser kommen, wieder an die Dinge anpassen müssen, die wir auf den Weg gebracht haben und zu denen wir uns alle bekannt haben, nämlich dass wir uns um den Klimaschutz und um den Artenschutz kümmern.

Wenn wir jetzt auf die Flächenstilllegungen verzichten wollen, um auf den Böden Nahrungsmittel zu produzieren, dann haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass nicht auf jeder Fläche Nahrungsmittel produziert werden können. Denn wir als Landwirtschaft haben natürlich die schwächsten Standorte für die Flächenstilllegungen herausgesucht. Diese eignen sich auch nicht in jeder Weise, um darauf Nahrungsmittel zu produzieren. Auf diesen Flächen wird auch weiterhin Artenschutz betrieben werden und wir werden an Artenschutzmodellen auch weiterhin arbeiten. Wir haben in den vergangenen Jahren über Versuchsstandorte entsprechend dargestellt, wie wir mit Artenschutzprojekten umgehen können und wie wir den Artenschutz tatsächlich nach vorn bringen können. Daran wollen wir weiterhin arbeiten. Wir wollen das nicht komplett negieren, sondern es geht darum, die Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten.

Sie reden immer nur von Pestiziden. Ich rede von Pflanzenschutzmitteln.

(Beifall)

Diese brauchen wir dringend, um Erträge abzusichern, und zwar nicht nur im konventionellen Anbau, sondern auch im ökologischen Anbau. Ich erinnere nur daran, dass wir Jahre hatten, in denen auch der ökologische Landbau vor Totalausfällen gestanden hat und dann auch nach Pflanzenschutzmaßnahmen gerufen hat. Diese haben sie dann auch bekommen, weil es nötig war. Das darf man nicht negieren.

Meine Damen und Herren! Johann Hauser hat es vorhin gesagt: Wir haben im letzten Herbst 30 % der Rapsanbaufläche durch den Rapserdfloh verloren, den wir nicht ausreichend bekämpfen konnten. Dabei ging es nicht darum, dass wir mit der Spritze über den Acker fahren wollten, sondern wir wollten eine neonicotinoide Beize einsetzen, mit der der Wirkstoff am Korn angebracht und die junge Pflanze geschützt wird. Was haben wir stattdessen bekommen? - Wir durften fünf- oder sechsmal planlos mit Insektiziden über den Acker fahren, ohne zu wissen, ob eine Wirkung eintritt, und ohne zu wissen, ob wir mit diesen Pflanzenschutzmitteln nicht auch Nützlinge abtöten, die vielleicht auch wertvoll gewesen wären.

(Beifall)

Noch einmal: Die Nahrungsmittelsicherheit ist uns wichtig. Johann Hauser hat es vorhin angesprochen. Vor vier Wochen hatten wir eine andere Diskussion und haben uns darüber unterhalten, ob wir nicht Fotovoltaikflächen auf den Acker bringen könnten. Ja, er hat es gesagt: Wenn der Landwirt damit auf einmal mehr Geld generieren kann, warum darf er das nicht tun?

Es sind aber weniger die Landwirte, die damit angesprochen worden sind. Wir reden vielmehr von den Bodeneigentümern, die hiermit angesprochen wurden, denen man höhere Preise und eine Wertschöpfung versprochen hat, die das Zehnfache der Pacht ausmacht. Bei diesen Einnahmequellen, die für 20 Jahre festgeschrieben werden, sagt jeder: Ja, das will ich haben, keine Frage. Das waren die Begehrlichkeiten, die dazu geführt haben.

Jetzt müssen wir auch darüber nachdenken, ob das der richtige Weg ist. Ist das auf allen Flächen gewollt? Wir wollen nachhaltig Energie produzieren. Wir müssen uns überlegen, wie wir das sicherstellen können. Das ist eine Aufgabe für die Zukunft, bei der wir uns neu justieren werden, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Feuerborn. Es gibt eine Nachfrage von Frau Frederking. Wollen Sie diese zulassen, Herr Feuerborn?

(Zurufe: Oh! - Ach, nein! - Nein!)


Olaf Feuerborn (CDU):

Ja, selbstverständlich.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Herr Feuerborn, Sie reden und suggerieren Zielkonflikte. Ich will feststellen: Ich glaube, wir haben keine Zielkonflikte.

(Zuruf: Was?)

Jetzt kommt meine Frage. Wir haben seit 2018 eine große Trockenheit zu beklagen. In diesem Jahr gibt es auch wieder zu wenig Regen. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen in Köthen aussieht. An vielen Stellen sind nur 40 cm des Bodens durchfeuchtet, an einigen Stellen bis zu 60 cm. Wir leben nur noch auf einer feuchten Krume. Meine Frage an Sie: Was sind Ihre fachlichen und praxistauglichen Lösungen, um dieser Trockenheit zu begegnen?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Feuerborn, bitte.


Olaf Feuerborn (CDU):

Danke, dass Sie das angesprochen haben. Das ist ein wichtiges Kriterium. Selbst wenn wir auch heute mehr Dünger einsetzen können     Mir wird ja vorgeworfen, dass wir gern mehr Dünger einsetzen, um die Erträge zu steigern. Nein, wir Landwirte setzen den Dünger verantwortungsbewusst ein, weil wir genau wissen, dass jedes Kilo Stickstoff, das wir einsetzen, Geld kostet. Das ist ein wertvoller Nährstoff, den wir dort einsetzen. Und über Gebühr kann man den nicht einsetzen.

Nun kommen wir zu dem Punkt, den Sie ansprachen. Wir haben im Moment eine ausgeprägte Trockenheit. Wir erleben den trockensten März seit Beginn der Aufzeichnungen. Das ist erschreckend. Wasser fehlt nicht nur im Unterboden, sondern inzwischen auch im Oberboden. Im Moment ist nicht sicher, wie die Frühjahrsaussaat aufgehen wird und wie wir damit umgehen werden, wenn wir nicht bald Niederschläge bekommen.

Wir werfen die Flinte noch nicht ins Korn. Landwirte sind immer hoffnungsvoll; sie hoffen von einer Woche auf die nächste, dass sich das Wetter so ändert, dass die Frühjahrsaussaaten oder das, was im Feld steht, auch zu einem vernünftigen Ertrag kommen wird. Aber das ist eine Aufgabe für die Zukunft, der wir uns stellen müssen. Es gibt Fragen, die wir klären müssen. Wir haben im Ausschuss erkannt, dass wir uns mit dem Thema Wasser intensiv beschäftigen müssen, insbesondere mit der Frage, wie wir das Wasser zurückhalten können, um es einerseits für unser Trinkwasser zurückzuhalten   das ist sehr wertvoll   und um es andererseits für die landwirtschaftliche Produktion in irgendeiner Weise zur Verfügung zu stellen. Das ist ein langfristiges Projekt; das können wir nicht kurzfristig umsetzen.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Warum? Warum nicht kurzfristig?)

- Wie wollen wir das denn so schnell machen, Frau Frederking? Das schaffen wir doch gar nicht.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Aber anfangen! - Zurufe)

- Selbstverständlich. Wir begeben uns doch auf den Weg; das haben wir doch gesagt.

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Feuerborn hat ausgeführt. - Damit sind wir mit der Debatte am Ende und die Aktuelle Debatte zu dem Thema „Ernährung für alle sichern“ ist beendet.