Tagesordnungspunkt 7
Verkürzung ausufernder Planungszeiten in Deutschland - Straffung von Genehmigungsverfahren für alle Infrastrukturvorhaben
Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1985
Einbringen wird diesen Antrag Herr Gürth. Er steht bereits am Rednerpult. - Bitte schön, Herr Gürth.
Detlef Gürth (CDU):
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist global betrachtet hinsichtlich Bodenschätze, Fläche und Einwohnerzahlen eher klein und unbedeutend. Dennoch sind wir die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Das Fundament für unseren Wohlstand und unseren Lebensstandard, den wir jetzt genießen, für unser Sozialstaatsprinzip, das wir seit Jahrzehnten und Generationen aufrechterhalten und verteidigen, ist unsere globale wettbewerbsfähige Wirtschaft. Verlieren wir diese Wettbewerbsfähigkeit als international attraktiver Wirtschaftsstandort, verlieren wir auch unseren Wohlstand. Eine gute funktionierende öffentliche Verwaltung und eine moderne Infrastruktur sind wesentliche Voraussetzungen für diese Wettbewerbsfähigkeit.
Vor dem Hintergrund, dass Länder, die Entwicklungsländer waren, jetzt Schwellenländer sind, und die Schwellenländer von damals jetzt global ernst zu nehmende Konkurrenten sind, müssen wir uns mehr als bisher anstrengen, diese Wettbewerbsfähigkeit zu behalten.
Im Jahr 2000 hat das kleine Taiwan ein höheres Bruttosozialprodukt gehabt als China. Es galt als Wirtschaftsriese und politischer Zwerg. Davon ist heute in Anbetracht von 1,4 Milliarden Einwohnern und einem Entwicklungstempo, das atemberaubend ist, schon lange nicht mehr die Rede. Alle schauen auf Indien und haben tradierte Bilder im Kopf. Mit 1,2 Milliarden Menschen und mittlerweile führend in Branchen der Hightechindustrie fliegt es fast unter dem Radar. Sie sind unsere unmittelbaren Wettbewerber.
Bisher zählten 539 Flughäfen und Landeplätze, 33 600 km Schienenwege, 625 000 km Straßen und Tausende Kilometer Wasserstraßen, Dutzende wichtige Häfen für See- und Binnenschifffahrt zu unserer unverzichtbaren Infrastruktur für unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Lebensstandard. Die digitale Infrastruktur muss heute hinzugerechnet werden. Alles zusammen verzeichnet einen immer größer werdenden Investitionsstau.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Lagen die Ursachen hierfür früher zumeist in der chronischen Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte für solche Investitionen zur Modernisierung durch Ersatzneubauten, ist dies schon seit Jahren nicht mehr der wichtigste oder gar alleinige Grund.
Verantwortlich für den Investitionsstau und für so manche vermeidbare Verteuerung von Ersatzneubauten und Infrastrukturinvestitionen sind überbordende, ausufernde, viel zu aufwendige und unverantwortlich lang andauernde Genehmigungsverfahren.
20 Jahre vom Aufstellungsbeschluss für eine Ortsumgehung bis zum ersten Spatenstich - das ist Alltag in Deutschland. 23 Jahre von der Entwurfsplanung bis zur Inbetriebnahme von Schienenwegen sind ebenso unverantwortlich lang.
Diese irren Genehmigungsprozeduren werden wir oft das dürfen wir nicht vergessen auch auf dem Rücken Tausender Menschen ausgetragen, welche dringend auf Entlastungen hoffen, bspw. hinsichtlich der angekündigten Ortsumgehung. Staus sorgen für zusätzliche Emissionen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm.
3 000 Brücken sind in einem unzureichenden Zustand. Das entspricht etwa 10 % der 27 000 km Autobahn, die wir haben. Soll bspw. eine marode Brücke aus den 60er-Jahren durch einen modernen Neubau ersetzt werden, weicht dieser natürlich vom Design der alten Brücke ab. Dies wiederum führt dazu, dass aufwendige Planfeststellungsverfahren für einen Ersatzneubau notwendig werden.
(Zuruf von der AfD)
Das bedeutet ein komplettes Planungsverfahren, welches teuer und langwierig ist und zu jahrelangen Sperrungen sowie zu Belastungen der Einwohner führt. Es gibt Einschränkungen, Staus, Mehremissionen. Ein simpler Ersatzneubau wird zu einer Generationenaufgabe.
Die Ampel in Berlin alle, die jetzt auf Ampel-Bashing hoffen, muss ich enttäuschen; das ist nicht Ziel dieser Initiative hat sich bspw. im Hinblick auf die Fahrgastzahlen bei der Bahn ein großes Ziel vorgenommen: Sie möchte sie verdoppeln. Das ist ein löbliches Ziel. Der Güterverkehr auf der Schiene soll von 19 % auf 25 % gesteigert werden. Der erforderliche Ausbau der Bahninfrastruktur wird diesen Anforderungen aber nicht gerecht werden können. Schon jetzt hängen wir hinterher, und nichts deutet darauf hin, dass Planungs- und Genehmigungsprozeduren diesem Ziel auch nur annähernd gerecht werden können, wenn wir die Schienenwege ausbauen wollen. Wir bremsen uns selbst aus. Deswegen muss diesbezüglich etwas passieren.
Nehmen wir ein weiteres Beispiel, die Elektrifizierung unserer Bahnstrecken. Wir sind jetzt dabei, das Dieselnetz deutschlandweit dahingehend zu prüfen, wo eine Elektrifizierung Sinn ergibt. Wir wollen das schneller voranbringen. Aber selbst dort, wo seit gut 100 Jahren Züge fahren erst unter Kohledampf, jetzt mit Diesel oder dieselelektrisch , ist ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren notwendig, um Oberleitungen über diese Schienenwege zu ziehen. Das kann ich keinem erklären.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP)
Wir sind so ziemlich das einzige Land, das sich so etwas selbst als Fessel bei der wirtschaftlichen Entwicklung und der Modernisierung auferlegt. Das darf auf keinen Fall so bleiben.
Es beginnt z. B. bei der Elektrifizierung schon damit, dass Behörden im Durchschnitt zwei Jahre lang brauchen, um zu berechnen, ob sich die Elektrifizierung überhaupt lohnt. Dann geht der Planungswahnsinn erst los.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben erlebt, dass es auch anders geht. Es war wirklich fast unglaublich, sehr beeindruckend und für mich sogar ermutigend, noch einmal initiativ zu werden: Bei der Genehmigung von LNG-Terminals war noch nicht einmal eine einfache Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. In quasi Ferrari-Geschwindigkeit gab es einen grünen Stempel und die Baufahrzeuge zur Errichtung dieser Terminals rückten an.
(Guido Heuer, CDU: Doppelmoral!)
Es geht, wenn man will. Wollen wir unseren Wohlstand durch unsere Wettbewerbsfähigkeit, wollen wir unseren Sozialstaat, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit behalten, müssen wir eher solche Verfahren haben wie beim Bau von LNG-Terminals als solche, wie wir uns jetzt zumuten.
(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP)
Deswegen müssen wir, und zwar dringend und sofort, die Planungs- und Genehmigungsverfahren straffen, verkürzen und so modernisieren, dass die Modernisierung unserer Infrastruktur zügiger vorangeht.
Mit unserem Antrag wollen wir als Koalition aber auch im Bereich der eigenen Zuständigkeit das aufgreifen, was wir als Land Sachsen-Anhalt tun können. Ein Großteil der Auflagen und der notwendigen Abläufe in den jetzigen Genehmigungsverfahren ist in Brüssel begründet. Wenn ich sehe, was in Brüssel momentan wieder alles in der Planung ist, wird mir angst und bange. Deswegen müssen wir über den Bundesrat und den Bund verhindern, dass Brüssel immer mit bester Absicht Bürokratie weiter ausbaut und solche Prozesse erschwert und verteuert.
Auch der Bund ist in der Verantwortung. Wir wollen mit unseren Möglichkeiten auf unserer Ebene, auf Landesebene das anpacken, was wir machen können.
Dazu soll es einen Normenkontrollrat geben, den die Landesregierung einsetzen soll, um die Möglichkeiten der Bürokratievermeidung sowie der Verkürzung und der Straffung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im eigenen Zuständigkeitsbereich auf den Weg zu bringen.
(Zustimmung bei der FDP und von Sven Czekalla, CDU)
Ich spreche einen letzten Punkt an: Wir müssen für eine wettbewerbsfähige Infrastruktur natürlich einen enormen Aufwand für Modernisierungen betreiben. Aber es gibt zwei Themenbereiche, bei denen wir die Verantwortung haben, hierzu einen eigenen Beitrag zu leisten. Allein im Bereich des E-Gouvernement und der Digitalisierung der Verwaltung könnten wir, wenn wir das einmal ernst nehmen, umsetzen und praktizieren, eine enorme Verfahrensbeschleunigung erreichen.
(Andreas Silbersack, FDP: Ja!)
Im Landtag sitzen einige Selbstständige, einige Freiberufler, aus meiner Sicht, viel zu wenige. Aber wenn Sie im Bereich Bau mit Planungs- und Genehmigungsverfahren zu tun haben, dann wissen Sie, dass Sie schon seit Jahren Ihre Prozesse digitalisiert haben; sämtliche Abläufe, die kompliziertesten Konstruktionen sind digital, weil man als Dienstleister im Wettbewerb sonst überhaupt nicht mehr ernst genommen wird; man gar nicht mehr mithalten kann.
(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)
Wenn Sie dann zur Schnittstelle „öffentliche Verwaltung“ kommen, dann geht man zur Druckerei und druckt alles aus, damit man überhaupt auf Augenhöhe miteinander sprechen kann, weil sie dann ebenfalls mit ihren Kartons, Pappen und Plänen an. Es könnte viel schneller gehen.
Wir haben im Jahr 2017 auf der Bundesebene das Onlinezugangsgesetz beschlossen. Wir erinnern uns an das schöne Märchen von der digitalen, zügigen und bürgerfreundlichen Verwaltung. Es war die Zielstellung im Jahr 2017, dass der Bürger seinen Pass online verlängern bzw. einen neuen Pass beantragen kann, dass eine Baugenehmigung vom Planer direkt digital an die Verwaltung geschickt und dort auch so genehmigt werden kann, dass dazu digital kommuniziert werden kann. Erreicht werden sollte das Ziel in welchem Jahr? Im Dezember 2022.
Welche Behörde in Sachsen-Anhalt erfüllt die Anforderungen aus dem OZG? Aus dem Stand fällt mir überhaupt keine ein. Eine richtige digitale Verwaltung also von den Abläufen her haben wir hier bei uns im Landtag. Wir sind die einzige oberste Behörde, die alles digitalisiert hat; in der jeder Brief, der eingeht, mit einem Etikett versehen wird.
(Dr. Falko Grube, SPD: Das ist ein ganz schlechtes Beispiel!)
- Nein, das ist ein gutes Beispiel. - Was bei uns noch analog passiert, liegt bei uns Abgeordneten, weil wir diese Papierexemplare noch immer haben wollen; einige von uns jedenfalls. Mit der Digitalisierung der eigenen Verwaltung könnten wir schneller werden.
Abschließend sage ich: Dazu gehört nicht nur die Infrastruktur, Glasfaser und 5 G. Ich werbe dringend dafür, dass wir das Personal in den Verwaltungen wir sprechen von Human Ressources nicht als Bürokraten beschimpfen, weil sie tun, was ihnen als Aufgabe auferlegt worden ist, sondern dass wir die qualifizierten Leute in den öffentlichen Verwaltungen durch moderne Infrastruktur, durch die Digitalisierung der Prozesse in die Lage versetzen, noch bürgerfreundlicher, noch schneller die Dinge auf den Weg zu bringen, die wir dringend brauchen, nämlich, die Genehmigung der Modernisierung unserer Infrastruktur in ganz vielen Bereichen.
Ich bitte Sie herzlich, unserem Antrag zuzustimmen, damit wir an dieser Stelle noch mehr Druck auf den Kessel bringen können und im nächsten Jahr dann hoffentlich auch erste Ergebnisse vorgestellt bekommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)