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Plenarsitzung

Transkript

Wulf Gallert (Die Linke): 

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass das Thema Intel-Ansiedlung nicht erst heute, sondern auch schon in den letzten Jahren mit einer hohen Emotionalität versehen war, hier und da auch mit einer hohen Form der Irrationalität versehen war, dürfte inzwischen klargeworden sein. Vielleicht gibt uns die jetzige Situation die Gelegenheit, den Schleier der Irrationalität von diesem Thema wegzunehmen, nicht über Glaubensbekenntnisse zu reden   und dabei zu unterstellen, dass diejenigen, die nicht daran glauben, möglicherweise Ketzer sind  , und uns einmal real die Karten zu legen, damit wir sehen, worum es hierbei eigentlich geht und was wir in der Perspektive zu erwarten haben.

Erstens   darin stimme ich dem Ministerpräsidenten ausdrücklich zu  : Die Entscheidung für eine solche Ansiedlung ist eine geopolitische Entscheidung im Interesse einer europäischen Autonomie - Unabhängigkeit würde ich nicht sagen. Es geht um eine europäische Machtposition in einem globalen Wettbewerb. Dieser globale Wettbewerb wird zurzeit nicht mit Waffen entschieden, sondern er wird auf dem globalen Markt mit Halbleitern entschieden. Deswegen haben wir ausdrücklich gesagt, dass wir die Entscheidung, eine solche Fabrik mit Subventionen in die Europäische Union, nach Deutschland, nach Sachsen-Anhalt, nach Magdeburg zu holen, nicht grundsätzlich kritisieren. 

Das Einzige war   Herr Heuer, Sie haben meiner Fraktionsvorsitzenden wieder nicht richtig zugehört  , dass hier   anders als in den USA mit dem Inflationsbekämpfungsgesetz   keine verbindlichen Kriterien für die Investoren, was Arbeitsplätze anbelangt, keine verbindlichen Kriterien, was das Engagement in der Gesellschaft angelangt, mit den Subventionen verbunden sind. Das passiert in den USA; das passiert in Ohio und in Arizona. Dort kriegen sie die 22 Milliarden Dollar nur unter der Bedingung, dass sie solche Rahmenbedingungen erfüllen. Hier ist das nicht so. Dagegen richtet sind unsere Kritik, nicht aber dagegen, dass Milliarden gezahlt werden sollen.

Jetzt kommen wir zu der Frage: Warum ist das eigentlich nicht passiert? - Es wundert mich inzwischen wirklich, dass ein Problem, das ganz deutlich an die Oberfläche geschwemmt wurde, von Ihnen weiterhin ignoriert wird. Der Grund, aus dem die Europäische Union die Produktion der modernsten Generation von Halbleiter-Chips in Europa haben will, ist genau der Grund, aus dem Intel jetzt abgesagt hat. Das ist eben nicht nur eine Entscheidung, die in Santa Clara getroffen wird; das ist vor allem eine Entscheidung, die in Washington getroffen wird. Das ist übrigens eine Entscheidung, die ganz klar unter der Überschrift „America First“ steht. 

Jetzt kommt noch eine traurige Nachricht: Diese Entscheidung ist von Demokraten und nicht von Republikanern gefällt worden. Diese Entscheidung ist eine, die klar sagt: Amerika will sich in dieser Auseinandersetzung von Europa verabschieden. Sie wollen amerikanische Produkte der neuesten Generation gefälligst in Amerika haben, die haben in Europa nichts zu suchen. Das ist eine bittere Botschaft für die Transatlantiker   ich weiß nicht, es gibt in diesem Raum sicherlich nicht so viele neben Herrn Stehli  , 

(Oh! bei der CDU - Guido Kosmehl, FDP: Na, na, na!) 

aber das müssen wir doch einmal zur Kenntnis nehmen. Wir als Europäische Union müssen uns davon verabschieden, dass die Amerikaner uns auf diesem Weg unterstützen. Wir brauchen auch hier eine unabhängige Wirtschaftspolitik.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Man muss schon blind sein, 

(Zuruf von der CDU) 

wenn man nicht versteht, was die Entwicklung in Ohio und Arizona für Intel bedeutet und dass ein Vertrag mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Dollar mit dem Pentagon ein Bestandteil der Rahmenbedingungen ist, die dazu geführt haben, dass man jetzt die gesamte europäische Strategie im Grunde genommen auf Eis gelegt hat, ja, faktisch abgesagt hat. Sie können weiter davon träumen, die Fakten liegen aber relativ deutlich auf der Hand. 

Wir müssen gucken, wie es jetzt weitergeht. Was ist eigentlich der Grund dafür, dass die nach Magdeburg gekommen sind? Natürlich hat sich diese Landesregierung zwei Jahre lang in dieser Entscheidung gesonnt.

(Zustimmung von Daniel Roi, AfD)

Ein bisschen gönne ich es Ihnen auch. Allerdings müssen Sie jetzt auch mit dem Schatten klarkommen. 

(Zuruf von der AfD: Ja!) 

Diese Einstellung scheint noch nicht richtig ausgeprägt zu sein. 

Die eigentlichen, zentralen Gründe waren doch andere. Die eigentlichen, zentralen Gründe waren die folgenden: erstens die europäische Chip-Strategie insgesamt, also die Frage des geopolitischen Wettbewerbs. Zweitens gab es außerhalb der Bundesrepublik keine Nation, die bereit gewesen wäre, 10 Milliarden € für ein solches Einzelprojekt zu geben. Sie wären dazu auch gar nicht in der Lage gewesen. Investoren kommen in die Bundesrepublik Deutschland, weil wir diejenigen sind, die im Subventionswettlauf innerhalb der Europäischen Union immer noch das meiste Geld auf der Kante gehabt haben.

(Guido Kosmehl, FDP: Na ja!)

Dann gibt es weitere Fragen. Gehen wir einmal zurück zu einer Debatte, die offensichtlich völlig vergessen worden ist: Warum haben sie sich für Magdeburg entschieden? - Es ging nicht nur um die 380 ha, die ihnen gehören. Nein, ein ganz wesentlicher Faktor für die Entscheidung war die Tatsache, dass hier eine Fläche von mehr als 1 000 ha, infrastrukturell gut erschlossen ist und nicht von einer Eisenbahnlinie durchschnitten, zur Verfügung steht. Also die 1 100 ha, und nicht nur die 380 ha, die Intel jetzt gekauft hat, waren die entscheidende Voraussetzung dafür, dass sie hierherkommen. So etwas gibt es tatsächlich   darin hat der Ministerpräsident recht   ein zweites Mal in Deutschland faktisch nicht. 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Wir haben damals nicht nur darüber geredet, dass hier zwei Fabriken entstehen sollen, nein, das sollte nur das erste Modul sein. Intel hat über insgesamt acht Module geredet, das heißt über acht Fabriken und vier Module. Dafür brauchten wir 1 100 ha, inklusive der Supplier. Lesen Sie sich bitte einmal durch, wozu wir einen Hightech-Park gegründet haben. Wir haben den Hightech-Park gegründet für Intel und die Zulieferer sowie für einige weitere Akteure, die irgendwann kommen.

Jetzt kommt das Problem   deswegen braucht man Entscheidungen; das ist das, was Eva von Angern gesagt hat  : Wollen wir bei der Entwicklung dieses Parks zwei Jahre lang warten, ob Intel kommt? Dabei geht es nicht um die 380 ha, die ihnen ohnehin gehören; nein, es geht um die Erweiterungsflächen und die Flächen für die Zulieferer, die sie unbedingt brauchen. Wenn man sagt, wir wollen das machen, dann darf man dort nichts machen, dann muss man abwarten, ob sie in zwei Jahren Anspruch auf insgesamt 1 000 ha erheben und damit ihre Ansiedlungspolitik definieren. Wenn man das aber macht, dann gibt man sich wirklich völlig in ihre Hände. 

Wir sagen: Nein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Intel in zwei Jahren hierherkommt, ist so gering, dass wir sagen: Entwickelt jetzt diesen Hightech-Park, und zwar ohne diesen Ankerinvestor Intel. Wir haben keine Zeit mehr zu warten, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Zustimmung bei der Linken)

Deswegen brauchen wir eine Entscheidung. Denn wenn wir sagen: „Wir entwickeln mal ein bisschen was, aber vielleicht kommt Intel ja.“, dann sagt Intel: „Entschuldigung, wir wollten Erweiterungsflächen, wir wollten unsere Zulieferer haben - was ist denn jetzt damit? Ihr habt jetzt irgendjemanden darauf gepackt; das funktioniert nicht.“ Wer Herrn Grube ganz genau zugehört hat, der hat dieses Problem im Grunde genommen auch erkannt. 

Das kann man übrigens nicht wegmoderieren. Entweder halten wir das Ding für Intel und seine Zulieferer mehr oder weniger frei oder wir sagen: Leute, mit Intel hat es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erledigt, wir warten nicht mehr zwei Jahre lang, wir fangen jetzt an. Genau das ist unsere Position, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Zustimmung bei der Linken) 

Ich sage Ihnen auch eines ganz klar: Wenn es uns nicht gelingt, den Hightech-Park zu entwickeln, wenn es uns nicht gelingt, dort ein mikroelektronisches Cluster zu entwickeln, wenn dann wieder bloß die Logistikfirmen und die Glasfabriken und möglicherweise noch ein Solarpark kommen, dann darf man zumindest auch einmal die Frage stellen, ob wir dort wirklich zusätzlich 700 ha höchst wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche versiegeln wollen. Darüber muss man zumindest diskutieren können. Ein Hightech-Park ist sicherlich ein Argument, aber ein Wirtschaftspark mit neuem Logistikcenter wäre definitiv die falsche Alternative, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Zustimmung bei der Linken)

Insofern werbe ich ausdrücklich dafür, die Realität wahrzunehmen. Bei all den Motiven, die dazu geführt haben, dass Intel die Entwicklung der neuesten Chip-Generation in Europa jetzt abgesagt hat, sehe ich in zwei Jahre keinerlei positive Änderung. 

Gucken wir vielleicht einmal nach Dresden zu TSMC. Der Investor hat übrigens Subventionen in Höhe von 5 Milliarden € bekommen; das entspricht 50 % der dortigen Investitionssumme. Der Anteil der Förderung an der Gesamtinvestition ist dort also noch höher als bei Intel. Aber die haben von vornherein eines gesagt: Vergesst es, dass wir hier neue Produkte entwickeln; wir machen unsere alte Produktion in Deutschland. Denn die wissen genau: Das ist ihre Überlebensversicherung gegenüber China. TSMC muss seine Weltmarktführerposition mit der Produktion in Taiwan sichern und hat von vornherein gesagt: Das, was wir hier machen, ist mehr oder weniger die Produktion von gestern.

Das kann aber nicht ernsthaft unsere Position sein. Dafür brauchen wir keine 10 Milliarden €. Dafür wir es übrigens auch keine 10 Milliarden € vom Bund mehr geben. Ich wunderte mich schon, dass der Ministerpräsident zu dieser Frage heute keinen einzigen Satz gesagt hat. Haben wir in zwei Jahren überhaupt noch 10 Milliarden €? Oder passiert Folgendes: Intel sagt: Natürlich kommen wir, aber inzwischen brauchen wir 15 Milliarden €. Was passiert denn dann?

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Die Zeichen stehen, ganz objektiv betrachtet, eben nicht darauf, dass Intel sich in zwei Jahren hier ansiedeln wird. Deswegen brauchen wir eine alternative Strategie. Sie können das meinetwegen Plan Ü oder Plan B nennen, aber wir brauchen eine Strategie, die damit rechnet, dass Intel uns hier im Stich lässt. Das ist die Situation und darauf kommt es jetzt an. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der Linken und von Jan Scharfenort, AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Gallert. - So, wie es aussieht, möchte Herr Grube intervenieren. 


Dr. Falko Grube (SPD):

Herr Kollege Gallert, zwei Sachen möchte ich anmerken. Wenn der Ministerpräsident heute schon wüsste, ob Intel in zwei Jahren 15 Milliarden € bräuchte, dann hätte er eine tolle Glaskugel. Dann hätte er auch eine andere Regierungserklärung halten können. Das ist eine irrige Erwartungshaltung, aber deswegen bin ich nicht aufgestanden. 

Die Schimäre, die Sie an die Wand malen, wir hätten jetzt den Hightech-Park mit 1 000 ha und darauf könnten irgendwann ein paar Logistikhallen oder einige Solarpanel stehen, kann ich zumindest für den Bereich Magdeburg ausschließen. Der Eulenberg ist nicht erst für Intel entwickelt worden, sondern schon sehr viel früher. Deswegen ist die Entwicklung für Intel im Bereich des Eulenbergs auch sehr schnell gegangen, was die Baubegleitverfahren betrifft. Es gab in der Stadt Magdeburg einen sehr eindeutigen Beschluss zu dem Bebauungsplan. Nach den Diskussionen, die ich mit den Kolleginnen und Kollegen aus Sülzetal und aus Wanzleben kenne, gehe ich davon aus, dass das dort vom gleichen Geiste geleitet wird. Auf diese Flächen kommt nur produzierendes Gewerbe, keine Logistik. 

Wir haben in Magdeburg-Rothensee die Erfahrungen mit sehr viel Logistikansiedlungen gesammelt. Das alles waren Entscheidungen, die in ihrer Zeit sehr richtig gewesen sind. Heute würde man sie wahrscheinlich anders treffen. Für den Eulenberg ist das ausgeschlossen. 


Wulf Gallert (Die Linke):

Darauf würde ich antworten wollen. Logistik war für mich ein Beispiel. Was Sie natürlich immer bekommen werden, sind Ansiedlungen mit einem großen Flächen- und Ressourcenverbrauch und mit einer geringen Wertschöpfung. - Guido, deswegen habe ich übrigens auch die Glasfabrik genannt. - Wir müssen uns auch genau überlegen, ob wir diesen Boden für großflächige ressourcenfressende Ansiedlungen mit geringer Wertschöpfungstiefe verwenden. Dafür war der Bereich Logistik ein Beispiel. 

Ich will auch noch Folgendes sagen: Es kam das Argument, sie hätten 110 Millionen € für die Fläche von 380 ha ausgegeben. Na klar. Aber mal ganz ehrlich: Ist das ein Problem für Intel? Sie besitzen ein Filetstück; ein Industriegebiet auf einer zusammenhängenden Fläche von 380 ha. Damit haben sie überhaupt keine Verpflichtung. Aus der Perspektive des Finanzvorstandes von Intel würde ich sagen, es kostet mich überhaupt nichts, zwei Jahre lang zu warten und die Fläche dann möglicherweise für 350 Millionen € zu verkaufen. Das ist überhaupt keine Garantie. Deswegen müssen wir überlegen, was wir mit den 700 ha ringsherum machen. Dazu lautet meine Frage immer noch: Wollen wir darauf warten, dass Intel sagt, eigentlich bräuchten wir noch 500 ha für Zulieferer und für unsere Erweiterung? Oder wollen wir sagen: Intel, ihr habt die 380 ha und damit könnt ihr machen, was ihr wollt, aber wir versuchen jetzt dezidiert und unabhängig von euch, etwas Neues zu entwickeln, und zwar auf den anderen 700 ha. Das ist unser Plädoyer; dahin müssen wir kommen und wir sollten nicht auf Amerika warten. - Danke.