Juliane Kleemann (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation beim Tanken ist derzeit für alle, glaube ich, enorm belastend. Preise von mehr als 2 € pro Liter sind gerade für diejenigen erdrückend, die täglich auf ein eigenes Auto angewiesen sind, und gerade für diejenigen belastend, die in der Logistikbranche tätig sind. Besonders hart trifft es wieder Menschen mit wenig oder ohne Mittel; besonders hart trifft es Menschen im ländlichen Raum. Die im Antrag vorgetragenen Schlussfolgerungen bzw. Forderungen greifen aber wieder einmal zu kurz.
Wir haben es gerade gehört. Es ist nicht nur die Steuerlast, die zur aktuellen Preisentwicklung führt. Ein Blick auf die Entwicklung des Rohölpreises hilft. Wenn man betrachtet, dass die Rohölpreisentwicklung in der Zeit von vor dem Krieg bis jetzt in den Ukrainekrieg hinein eine Steigerung von etwa 20 % umfasst, dann weiß man, woher die hohen Preise auch kommen.
Jetzt ist der Rohölpreis wieder gesunken. Allein das kommt bei den Verbraucherinnen und Verbraucher nicht an. Dagegen sehen wir im Zeitraum vom 3. Februar bis zum 17. März bei den Mineralölkonzernen eine Gewinnmarge von mehr als 108 %. An dieser Stelle zeigt der Markt seine hässliche Fratze.
(Unruhe)
Die Kapitalisten verdienen an der Krise, weil sie die Möglichkeit dazu haben. Deshalb muss staatlicherseits alles genutzt werden, was das Kartell- und Wettbewerbsrecht bietet, um dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben. Ich glaube, dafür ist die Zeit reif.
Steuersenkungen auf der Bundesebene werden geprüft. Doch im Hinblick auf das eben beschriebene Agieren der Erdöl verarbeitenden Unternehmen muss festgestellt werden, dass Steuersenkungen nicht reichen werden.
Italien hat übrigens gerade beschlossen, rückwirkend um sechs Monate, die zusätzlichen Gewinne der Energiekonzerne mit 10 % zu besteuern. Das so gewonnene Geld wird zur Abfederung der Energiekosten verwendet. So kann das gehen.
(Zuruf)
Kommen wir zu der Forderung in dem vorgelegten Antrag, die Umsatzsteuer auf Kraftstoffe auszusetzen. Dies gleicht einem Schuss ins Knie. Nach dem Grundgesetz wird unter anderem diese Steuer dem Bund, aber eben auch gerade den Ländern und zu einem kleinen Teil den Gemeinden gemeinschaftlich zugewiesen. Die Länder erhalten von der Umsatzsteuer einen Anteil von 47,2 %. Eine Umsatzsteuersenkung würde also Löcher in unseren eigenen Landeshaushalt reißen. Diese Mittel fehlten dann nicht nur für den von Ihnen so gescholtenen Ausbau der erneuerbaren Energien, nein, sie fehlten auch an anderer Stelle und sie schadeten unsere Gesellschaft und träfen nicht den Kern.
Der Antrag transportiert erneut das Lügenmärchen des sich bedienenden Staates; das stimmt so einfach nicht.
(Unruhe)
Gute Infrastruktur muss ebenso wie ein solidarischer Staat finanziert werden.
Im zweiten Punkt fordern Sie, die Energiesteuer auf Kraftstoffe herabzusetzen. Darüber wird auf der Bundesebene gerade diskutiert. Es ist jetzt 10:58 Uhr und um 11 Uhr beginnt die Pressekonferenz. Wir werden sehen, welche Maßnahmen die Ampel beschlossen hat, und dann können wir darüber inhaltlich weiter streiten.
(Zuruf)
Jedem Mitdenkenden wird hoffentlich jetzt klar, dass erneuerbare Energien übrigens kein „Nice to have“ mehr sind. Der Krieg in der Ukraine führt uns klar vor Augen: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist für uns alle wichtig und er ist mehr denn je eine Existenzaufgabe. Es geht um das Klima und es geht perspektivisch für alle Generationen um eine sichere Energieversorgung. Es geht um die Unabhängigkeit von Diktatoren, Aggressoren, Scheichs und anderen, die ihre Möglichkeiten missbrauchen,
(Lachen)
um Menschen und ganze Gesellschaften zu erpressen bzw. erpressbar zu halten. Das ist die Kampfzone, in der wir uns befinden.
(Zuruf: Das wollen die GRÜNEN doch so!)
Dass wir gerade erleben müssen, wie ein grüner Minister bei wahrlich nicht für ihre Menschenfreundlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bekannten Ölscheichs um fossile Energieträger für uns alle hier in diesem Land wirbt, macht die Absurdität der verschlafenen Energiewende offenbar.
(Zustimmung)
Geredet haben wir lange genug. Die verlorenen 20 Jahre können wir nur einigermaßen einholen, wenn Befindlichkeiten weniger wichtig als der Wille und die Taten zur Veränderung werden. Wer das nicht sehen will, der vergeht sich an der jungen Generation heute und an allen nachkommenden.
Der Antrag besagt: Lebensgrundlagen schützen. - Ja, das tun wir am besten und erfolgreichsten, wenn wir heute unsere Anstrengungen erhöhen, fossile Energieträger zu überwinden und die Klimaveränderung zu verlangsamen.
Sonst brauchen sich im Übrigen junge Menschen heute und alle, die bis 2050 geboren werden, gar nicht mehr mit der Frage nach Lebensgrundlagen auf diesen Planeten zu beschäftigen. Die haben sich dann nämlich bis 2100 sowieso erledigt.
Das Entlastungspaket wird kommen. Wir werden es in diesen Tagen, vielleicht heute noch, hören. Da es sicherlich, je nachdem, wie es weitergeht mit der Preissenkung bzw. mit der Debatte, auch in unserem Land besprochen werden muss, welchen Anteil Sachsen-Anhalt hierbei haben wird, empfehlen wir, diesen Antrag zur weiteren Diskussion und Debatte in den Ausschuss für Finanzen zu überweisen, zur Mitberatung in den Ausschuss für Wirtschaft. - Vielen Dank.
(Zuruf)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Danke. Frau Kleemann, warten Sie bitte noch. Es gibt drei Fragen, von Herrn Rausch, Herrn Roi und Herrn Siegmund. Sie können dann jeweils sagen, welche Sie beantworten wollen. - Dann fangen wir einmal mit Herrn Rausch an. - Bitte.
Tobias Rausch (AfD):
Vielen Dank. Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Kleemann, für Ihre Ausführungen. Sie sagten, der Antrag greift zu kurz, was die Steuersenkung betrifft, weil sich das beim Endverbraucher nicht auswirken würde. So habe ich Ihrem Redebeitrag entnommen.
Ich frage mich jetzt Folgendes. Die Corona-Mehrwertsteuersenkung hat man extra deshalb gemacht, damit die Unternehmer weniger auf die Produktkosten aufschlagen müssen. Das ist der Nettobetrag, und dann kommt die Steuer obendrauf. Jetzt denke ich mir, wenn wir dem Beispiel folgen würden, wie es vorhin gesagt wurde oder wie es in unserem Antrag gefordert wird, die Mehrwertsteuer zu senken, hätten wir allein dadurch 15 % weniger, die als Kosten direkt beim Verbraucher ankommen würden.
Das Nächste ist, wenn man zugrunde legt, dass mehr als 50 % der gesamten Kosten beim Sprit, bei Benzin, nur Steuern und Abgaben sind, CO2-Bepreisung, Energiesteuer und Mehrwertsteuer, dann haben wir doch - - Das Ergebnis wäre ja 1,40 €. Das ist schon alles durchgerechnet. Sie können doch nicht sagen, das wirkt sich nicht auf den Preis aus.
Das Nächste ist, 2008 hat ein Barrel Rohöl 148 Dollar gekostet, jetzt kostet er 115 Dollar. Das heißt, wir sehen doch ganz klar, dass sich - wie Sie es richtig gesagt haben - die Konzerne die Taschen vollmachen. Aber wie Sie es ausgedrückt haben, das ist natürlich sehr fraglich. Ich muss Ihnen sagen, der Staat im Prinzip ist es Ihre Partei, die jetzt den Kanzler stellt versagt bei den Kontrollmechanismen, die dafür zuständig sind, dass nämlich so etwas nicht passieren kann.
Ich frage Sie, wie Sie dagegen vorgehen wollen. Sie haben das in Ihrer Rede schon dargestellt. Aber erstens, das ist die konkrete Frage: Wie erklären Sie sich den aufgezeigten Widerspruch zu Ihrer Rede mit den Steuersenkungen? Und zweitens: Wie wollen Sie als Mitglied der SPD agieren, damit der Kanzler jetzt einmal eingreift und für ordentliche Spritpreise sorgt?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können antworten, wenn Sie wollen, Frau Kleemann.
Juliane Kleemann (SPD):
Das Erste. Ich verweise auf das, was Minister Schulze ausgeführt hat zu der Frage der Steuern und der Durchschlagskraft auf die unmittelbaren Preise an den Zapfsäulen bzw. nachher auch beim Einkauf für Gas und Öl, für die Heizkostenpreise.
Das Zweite ist: Ich glaube, wir brauchen in diesem Land mehr Energie dafür, dass wir uns in der Tat um stärkeres Kartellrecht, um Wettbewerbsrecht bemühen. Das braucht hier alle demokratischen Kräfte. Dieses Einschlagen auf „der Staat bereichert sich hier“, das ist wirklich eine sehr seltsame Erzählung von einer Partei, die meint, sie würde sich für die sozialen Belange von Menschen einsetzen. Das stimmt schlicht und ergreifend nicht, dass sich hierbei ein Staat bereichert.
(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)
- Ja, es ist Ihre Erzählung, aber die macht es ja nicht besser, wenn Sie sie permanent wiederholen.
(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Rausch, bleiben Sie einmal ganz ruhig. Die Grundidee dieser Geschichte ist, Sie stellen eine Frage und Sie lassen sie beantworten. Das funktioniert aber nur dann, wenn Sie die Rednerin auch antworten lassen. Das ist jetzt meine Bitte, bei den Zwischenrufen ein bisschen zurückhaltender zu sein, sonst kann sie die Frage gar nicht beantworten.
(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)
- Ja, Herr Rausch, ich erinnere an die Grundidee und so. - Jetzt haben wir die nächste Frage. Wollen Sie die von Herrn Roi beantworten?
Juliane Kleemann (SPD):
Eine Frage beantworte ich noch und dann nicht mehr.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Gut. - Dann, Herr Roi, haben Sie die Chance, jetzt die Frage zu stellen.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank. - Frau Kleemann, Sie begannen Ihre Rede und ich dachte tatsächlich, jetzt kommt einmal etwas. Denn Sie sprachen vom ländlichen Raum und von den Menschen im ländlichen Raum, die wirklich jetzt gerade unter den Energiepreisen leiden. Da dachte ich, Mensch, dass das einmal eine SPD-Frau hier im Landtag noch sagt, ist ja schön. Und dann kam das ganze Klimagedöns, das wir kennen, womit Sie rechtfertigen, dass die Energiepreise so hoch sind. Das will ich Ihnen einfach so sagen, denn am Ende ist das, was ich hier feststellen muss, dass von Ihnen nichts kommt.
Wir haben am 9. März im Ausschuss für Energie auch einen Antrag der AfD gehabt. Da gab es, glaube ich, auch einen Antrag von der LINKEN. Da hat die Koalition noch nicht einmal einen Alternativantrag, einen Beschlussvorschlag vorgelegt. Der Tagesordnungspunkt zu den Energiepreisen wurde abgesetzt.
Jetzt sind wieder zwei Wochen vorbei und es liegt nichts von Ihnen vor. Jetzt gibt es von uns weitere Vorschläge, um den Menschen zu helfen und Sie legen nichts vor und sagen, das ist alles Quatsch, was wir sagen, bis hin zu der Behauptung, die Herr Schulze vorhin aufgestellt hat, dass Steuern senken keine Durchschlagskraft auf die Preise haben.
Da frage ich mich, fahren Sie einmal nach Polen und gucken, was die Polen im Dezember gemacht haben. Dort sind die Preise gesunken, weil sie die Steuern gesenkt haben. Die Niederländer machen das jetzt auch. Da reden Sie von einem Lügenmärchen, dass der Staat sich bereichert. - Natürlich verdient der Staat an einer höheren Steuerlast. Das ist doch vollkommen klar. Wenn Sie das negieren, dann brauchen Sie sich hier gar nicht mehr hinzustellen.
Sie haben 2016 selber geschrieben, die SPD muss einmal wieder die Partei der Arbeiter werden.
(Lachen)
In Ihrer Zeitung „Vorwärts“ stand das am 22. August 2016. Vielleicht lesen Sie sich den Artikel noch einmal durch. Dann bitte ich Sie zu sagen: Wo sind Ihre Vorschläge? Sie haben hier null Vorschläge gebracht, wie Sie als Landesparlament den Menschen helfen wollen. Wir können uns auch einmal in Richtung Bund positionieren. Wo sind dazu Ihre Vorschläge? Nicht immer nur warten, was in Berlin irgendwann besprochen oder verabschiedet wird. Wir sind hier das Landesparlament. Es sind unsere Menschen im ländlichen Raum, die darunter leiden, und Sie haben keine Vorschläge. Das wollte ich hier einmal darstellen. - Danke.
(Beifall)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich wollte jetzt noch einmal auf unser Verfahren eingehen. Sie haben etwas festgestellt und nicht wirklich eine Frage gestellt. Dann machen wir es so, wie wir es verabredet haben: bei Intervention bitte während der Rede an das Mikro stellen. - Wenn Sie jetzt eine Frage entdeckt haben, Frau Kleemann, dann können Sie die beantworten, wenn Sie wollen.
(Zurufe: Wo die Vorschläge sind! - Wo sind die Vorschläge? - Wo die Vorschläge sind, das hat er doch gefragt!)
Juliane Kleemann (SPD):
Herr Roi, es ist immer wieder schön, wenn Menschen sagen: Klimagedöns. Wenn man sich aber einmal anschaut, in welcher Komplexität von Veränderungen wir uns hier gerade befinden - es geht momentan nicht um eine Lösung innerhalb von 14 Tagen, sondern es geht um eine Lösung, die tragfähig ist, weit über diesen 24. März, den wir heute haben, hinaus , dann muss man, wenn man verantwortlich Politik macht, Lösungen finden, die tragfähig sind und nicht bei der nächsten Kurve, die dann kommt, sozusagen aus dem Schlagloch fliegen und an der Wand landen.
Deswegen brauchen möglicherweise manche Lösungen etwas länger. Sie können ja gern hierher gehen und sagen, kommen Sie doch eben mal um die Kurve mit den 14 Tagen, machen Sie doch einmal eben. Das muss aber auch wirtschaftlich durchgerechnet sein, damit das jeweils passt. Und es muss so funktionieren, dass wir am Ende über die verschiedenen Ebenen, die wir als Gesellschaft zu finanzieren haben, einigermaßen klarkommen. Auch die Folgekosten müssen berechnet werden.
Und einmal ganz ehrlich: Es geht mir gehörig auf den Zeiger, dass Sie sich immer hinstellen, als ob Sie diejenigen sind, die die Welt retten, und Sie verpennen schlicht und ergreifend, weil Sie sich permanent gegen die Energiewende stellen, dass wir in diesem Land und weltweit auf dem Planeten vor einer Transformation stehen, die die Frage zu beantworten hat, ob über 2100 hinaus überhaupt noch Leben auf diesem Planeten möglich ist.
(Beifall)
Das mögen Sie jetzt
(Zurufe: Oh! - Lachen - Weitere Zurufe)
- Ja, das ist mir klar. Mir ist ja klar, dass Sie so denken. Das ist aber das Problem Ihres Denkens und nicht das Problem von Tatsachen. - Vielen Dank.
(Beifall - Zuruf: Das haben wir schon in der Schule gelernt, dass sich das Klima ändert! Da gab es Sie noch gar nicht!)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Kleemann, wie gesagt, es gibt jetzt eine Frage noch von Herrn Siegmund, die er angekündigt hat. Wollen Sie diese noch beantworten?
Juliane Kleemann (SPD):
Die möchte ich nicht mehr beantworten.