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Plenarsitzung

Transkript

Juliane Kleemann (SPD): 

Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Lange, Sie haben mit ganz viel Alarmismus geredet, aber an der Stelle hilft uns Alarmismus überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP - Hendrik Lange, Die Linke, lacht)

Ich glaube, uns eint im Hohen Haus das Grundziel - ich zitiere aus dem Antrag zu dieser Aktuellen Debatte -: „Intakte Landschaften, saubere Gewässer und eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt sind die Grundlage unseres Lebens und müssen bewahrt werden“. Darin sind wir uns doch einig. 

Ich glaube, wir brauchen an dieser Stelle eine Debatte, die der Falle ausweicht, sich gegenseitig zu unterstellen, dass wir nicht dieses gemeinsame Ziel haben. Dennoch müssen sich das Umweltministerium und wir als Koalition - das ist schon von meinen Vorrednerinnen und vom Minister selbst gesagt worden - der finanziellen Situation und den Haushaltsvorgaben stellen. 

Zu behaupten, dass wir hier eine Axt anlegten und alles kaputt machten, ist eine schöne rhetorische Übertreibung. Aber Sie wissen selber aus den Haushaltsberatungen, dass das nicht der Realität entspricht.

(Zustimmung bei der SPD)

Jede Kürzung im Bereich des Umweltschutzes schmerzt nicht nur Sie, sondern viele hier im Raum persönlich. Aber - das hat Frau Tarricone bei der Exegese zum Begriff „Kahlschlag“ schon sehr schön ausgeführt - das ist es an dieser Stelle nicht. Beim Naturschutz stehen wir in Sachsen-Anhalt überhaupt nicht blank da. Deswegen möchte ich ganz gern auf einige Erfolge und auf laufende Projekte eingehen, die unser Land in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht hat.

Das Umweltministerium hat in den vergangenen Jahren viele Naturschutzprojekte mit einem Gesamtvolumen von mehreren Millionen Euro gefördert. 

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Diese Maßnahmen konzentrieren sich auf den Erhalt bedrohter Arten und deren Lebensräume. Ein besonderer Fokus lag und liegt dabei auf der Stabilisierung von Populationen stark gefährdeter Arten. Diese Maßnahmen sind umgesetzt und sie verschwinden nicht. Die vom Minister schon angesprochene Artensofortförderung bzw. die Förderung im Rahmen des Programms NaturWasserMensch haben Erfolge gezeitigt. Wir haben Lebensräume renaturiert, neue Schutzgebiete geschaffen und die Biodiversität langfristig gesichert.

(Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)

Wir als SPD werden hierbei auch weiterhin für Verbesserungen kämpfen. Was denn auch sonst? 

(Zustimmung bei der SPD) 

Ich finde diese Ambivalenz sehr beeindruckend zwischen der Frage, an welcher Stelle es wichtig ist, dass der Mensch in die Natur eingreift, und der Frage, an welcher Stelle es falsch ist, dass der Mensch in die Natur eingreift. 

Ich glaube, wir brauchen hierzu immer wieder einmal besonnene Debatten, damit wir nicht immer in diesem Entweder-Oder-Spiel unterwegs sind, 

(Zustimmung bei der SPD und von Kathrin Tarricone, FDP) 

sondern immer genauer schauen, wo wir uns gerade bewegen. 

Ein weiteres Beispiel sind die LIFE-Projekte der EU, die auch in Sachsen-Anhalt genutzt werden. Das Projekt LIFE-Eurokite ist ein gutes Beispiel. Ziel ist der Schutz des Rotmilans. Wie Sie wissen, sind die Bestände in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und haben sich mittlerweile wieder erholt. 

Die Renaturierung von Mooren ist ein weiterer Schwerpunkt. Wir wissen, dass Moore bis zu 30 % des terrestrischen Kohlenstoffs speichern und damit unverzichtbare Verbündete im Klimaschutz sind. Wir sind in Sachsen-Anhalt auch dabei, neue Pilotprojekte an den Start zu bringen und trockengelegte Flächen wieder zu vernässen, also wertvolle Lebensräume zurückzugewinnen.

Auch unsere sechs Naturparke sind ein bedeutender Beitrag zur Artenvielfalt und Naherholung.

(Zuruf von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

In den letzten Jahren wurden sie mit erheblichen Mitteln gepflegt und ausgebaut und die Finanzierung der Naturparke läuft weiter. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Nicht einmal eine Steigerung über die letzten Jahre!) 

Dies gilt ebenso für die die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz, SUNK. Das hat der Minister gesagt und er hat auch die Höhe der Zuweisungen genannt. Das sind nur einige Erfolge, sehr geehrte Damen und Herren, die wir hier im Naturschutz im Land umgesetzt haben und die am Laufen sind. 

Ich sage es noch einmal: Ja, es gibt Kürzungen. Diese sind schmerzlich, aber es geht dennoch weiter. Ich möchte eines klarstellen: Der Naturschutz bleibt eines der wichtigsten Themen auch meiner Fraktion, weil deutlich ist, dass nur in einer gesunden und intakten Umwelt ein gutes menschliches Leben möglich ist, auch wenn wir in diesen Zeiten klammer Kassen nicht alles das machen können, was wir gern machen wollen. 

Deshalb ist es verantwortlich, dass wir die vorhandenen Mittel möglichst effizient einsetzen und mit kreativen Lösungen zu großen Wirkungen kommen. Es ist wichtig, dass wir hierbei gemeinsame Wege finden, um Naturschutzprojekte zu sichern und den gesetzlichen Naturschutzauftrag zu erfüllen. Dass wir hierbei ganz offensichtlich bei bestehenden Pflichtaufgaben zu einem Anteil von 96 % sind, ist doch mal ein gutes Zeichen. Denn es zeigt, dass es ein Bewusstsein dafür gibt, dass Natur- und Umweltschutz nicht den Zufälligkeiten überlassen bleiben können, sondern klar begleitet werden müssen und dabei auch Professionalität vonnöten ist, die von vielen Ehrenamtlichen geleistet wird. 

Dass wir bei der letzten Haushaltsberatung im Ausschuss die Kofinanzierung der EU-Förderung von 2021 bis 2027 im Vergleich zum ursprünglich vorgelegten Haushaltsansatz verbessert haben - das haben wir gemeinsam als Koalition geschafft. Mittel in Höhe von 100 000 € sollen den Vereinen und Verbänden im nächsten Jahr zur Verfügung gestellt werden und Mittel in Höhe von 800 000 € im Jahr 2026. Damit sind die Projektarbeit und das Personal von Vereinen und Verbänden finanziert. Natürlich kann man sagen, hier ist mehr möglich, aber im Moment eben gerade nicht.

Im Gegensatz zu den Bundesprogrammen können aus den EU-Programmen auch Maßnahmen der unmittelbaren Landesverwaltung finanziert werden. Bereits in der Vergangenheit haben das Landesamt für Umweltschutz und die Biosphärenreservate von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Bei dem aktuellen Haushaltsaufstellungsverfahren hat es, glaube ich, wirklich viele Schweißperlen und viele Anstrengungen gegeben. 

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt sowie dem Minister selbst dafür danken, dass sie den wirklich herausfordernden Haushaltsaufstellungsprozess mit so viel Umsicht und auch mit so viel Veränderungsbereitschaft bis hierher gestaltet haben. 

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Kathrin Tarricone, FDP)

Das ist eine gehörige Kraftanstrengung gewesen. Ich glaube, wir, die in diesem Themenbereich engagiert und mit Herzblut dabei sind, wissen, was es bedeutet, zu entscheiden, mehr Geld für den Umweltschutz oder mehr Geld für den Hochwasserschutz auszugeben. An dieser Stelle sich für den letzteren Bereich prioritär zu entscheiden, nämlich für den Hochwasserschutz, ist eine vernünftige, wenngleich für die andere Priorität, für den Natur- und Umweltschutz, eine etwas traurige Entscheidung, aber sie war nicht zu umgehen. 

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Kathrin Tarricone, FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die finanzielle Lage - ich habe es gesagt - stellt uns vor Herausforderungen, die schwierig sind. Ich bitte aber wirklich darum, dass wir hierbei nicht in einem Geist der Zerstörung, des Kahlschlags oder anderer radikaler Vokabeln unterwegs sind. Denn ich glaube, mit dieser Rhetorik zerstören wir am Ende mehr Engagement, als dass wir jetzt in dieser relativ schwierigen Situation beieinanderbleiben und etwas für unsere Umwelt, die Natur und damit für unseren Lebensraum tun. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der FDP) 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Frau Kleemann, es gibt zwei Fragen. Die erste Frage kommt von Frau Gorr. Wollen Sie diese beantworten? 


Juliane Kleemann (SPD): 

Ja, bitte. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Bitte, Frau Gorr. Sie haben das Wort. 


Angela Gorr (CDU): 

Danke schön. - Sehr geehrte Frau Kollegin Kleemann, Sie erwähnten die Rotmilanpopulation. Ist Ihnen bekannt - ich weiß das aus der regionalen Planungsgemeinschaft -, dass für die Ausweisung von Windkraftanlagen die Rotmilanschutzgebiete, die bei uns im Landkreis Harz sehr intensiv untersucht worden sind, überhaupt gar keine Rolle mehr spielen? 


Juliane Kleemann (SPD): 

Das Heineanum hat sehr intensiv darüber nachgedacht, wie bei der Frage des Ausbaus der Windenergie der Aspekt des Rotmilanschutzes zu bedenken ist. Dazu gab und gibt es immer sehr enge Abstimmungen. Insofern mache ich mir um den Rotmilan überhaupt gar keine Sorgen; denn diejenigen, die in diesem Land die Kompetenz für den Rotmilanschutz im Heineanum haben, setzen sich sehr intensiv mit der Frage auseinander, wie eine Koexistenz zwischen dem Ausbau von Windenergie und den Lebensräumen des Rotmilans funktionieren kann. 

(Angela Gorr, CDU: Da sind Sie sehr optimistisch!)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Als Nächster hat Herr Lange eine Frage. Wollen Sie diese auch beantworten. 


Juliane Kleemann (SPD): 

Ja. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann können Sie die Frage stellen, Herr Lange. Bitte.


Hendrik Lange (Die Linke): 

Frau Kleemann, Sie haben auf den Zielkonflikt hingewiesen. Natürlich gibt es Unterschiede, wie man an Naturschutz herangehen kann - eingreifen, nicht eingreifen etc. Gleichwohl wissen wir, dass wir in einer Kulturlandschaft leben und dass sich der Artenreichtum unserer Kulturlandschaft dadurch entwickelt hat, dass es eben über Jahrhunderte, zum Teil über Jahrtausende den Eingriff des Menschen gegeben hat, z. B. die Beweidung von Flächen. 

Es gibt ein schönes Beispiel im Harz. Dort ist der Goldene Scheckenfalter zurückgekehrt, weil die Bergwiesen offengehalten wurden, sich die Wirtspflanze wieder ordentlich angesiedelt hat und diese Art erstmalig durch Sachsen-Anhalt an die EU als in einem günstigen Erhaltungszustand gemeldet werden konnte. Wohlgemerkt war diese Art fast verschwunden. 

Wie möchten Sie unter dem Gesichtspunkt, dass die ELER-Mittel nicht gebunden werden können, dem Landschaftspflegeverband Harz sicherstellen, dass er diese Wiesen weiterhin offenhalten kann und der Goldene Scheckenfalter nicht wieder verschwindet?

(Marco Tullner, CDU: Was ist denn das?) 


Juliane Kleemann (SPD): 

Das kann ich von diesem Pult aus nicht sagen. Um diese Frage beantworten zu können, wäre es nötig, dass ich mir das erstens vor Ort anschaue und zweitens mit denjenigen, die für diese Arbeit stehen, das Gespräch suche und frage, welche Möglichkeiten sie sehen und welche Unterstützungsmöglichkeiten jenseits von Geld es dabei geben könnte. Alles nur über das Geld an der Stelle zu realisieren nach dem Motto „Wir machen alles kaputt, wenn wir kein Geld mehr aufwenden“, halte ich für zu kurz gesprungen.