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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Silbersack (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben tatsächlich gerade eine beispiellose Energiekrise, die dieses Land so noch nicht erlebt hat. Und genau deshalb ist es wichtig, dass man in diesen Zeiten zusammenrückt und jede Ideologie beiseitelässt. Insofern, Frau von Angern, kann ich mir nur die Frage stellen, weshalb Sie nicht zum Thema Energie sprechen, sondern eine Reichendebatte führen, die Sie quasi jedes Mal führen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Sie mal ein paar Kilometer weiter fahren würden, nämlich nach Prag, und dort genau das postulieren würden, was hier in Deutschland stattfindet, dass der Staat 200 Milliarden € auf den Weg bringt, wissen Sie, was dort die Antwort wäre: Die Tschechen würden Sie fragen, wie es denn sein kann, dass ihr Nachbarland so viel Geld austütet, während man in Tschechien nicht einmal in der Lage ist, auch nur einen Bruchteil davon aufzubringen.

Erklären Sie das mal den Leuten in Tschechien, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Wir sagen ja für uns immer wieder, wir sollen europäisch denken.

(Zuruf von der AfD: Weil wir durch unsere teuren Einkäufe die Preise erst hochgetrieben haben!)

Deshalb ist es einfach entscheidend, dass wir hier pragmatisch, aber auch europäisch handeln, meine Damen und Herren.

Das, was die Sache im Augenblick so dramatisch macht, ist die Tatsache, dass die Krise allumfassend ist. Wir reden immer über die Bäcker. Wir erleben das tagtäglich. Wer mal montags früh zum Bäcker geht, der stellt fest, dass er zu hat, weil er nur noch eingeschränkte Öffnungszeiten hat.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Der hatte schon immer montags zu!)

- Nein, das ist eben nicht so der Fall. - Aber es gibt eben auch bei größeren Bäckereien diese Situation. Sie haben im Augenblick das Problem, dass sie ganz extrem in dieser Energiefalle sitzen. Sie denken darüber nach, wie sie eigentlich der Notsituation begegnen können und wie sie das Ganze aufrechterhalten können.

Da kommen wir nämlich von einer Energiekrise in eine Nahrungsmittelkrise, die wir alle nicht wollen. Im Augenblick wird in diesen größeren Bäckereien darüber nachgedacht, wie man eigentlich dieses Versorgungsziel von 94 % noch absichern kann. Es wird darüber nachgedacht, Kurzarbeitergeld anzumelden. Es wird darüber nachgedacht, was eigentlich passiert, wenn sie tatsächlich nicht mehr produzieren können.

Das Konsumverhalten der Menschen ändert sich gerade. Das Konsumverhalten geht nicht mehr zum Körnerbrötchen, sondern in Richtung der Discounter. Es wird geschaut, wo sie günstig einkaufen können. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass die Bundesregierung und die Gaspreiskommission gesagt haben, wir müssen hier tatsächlich liefern. Wir müssen hier in Größenordnungen eine Möglichkeit finden.

Deshalb ist es auch richtig, dass sich die Expertenkommission in diesem Zwischenbericht darauf verständigt hat, einen Abschlag zu empfehlen, der sich an die Bürgerinnen und Bürger richtet. Aber ab dem nächsten Jahr gibt es eben auch eine Zahlung, damit 80 % der Energie zu einem verlässlichen Preis bezogen werden können. Das ist meines Erachtens auch eine angemessene Lösung. Und dafür stehen auch wir Liberale. Ich denke, das ist wichtig, das ist ein wesentliches Zechen. Aber das reicht eben nicht.

Wir haben die Situation, dass es natürlich um das Thema Geld geht. Es geht aber auch um das Thema Mangellage. Das heißt, wir haben auch die Frage nach der Versorgungssicherheit. Und um das Thema Versorgungssicherheit tatsächlich in den Griff zu bekommen, ist das, was auch schon der Kollege Thomas gesagt, von elementarer Bedeutung. Wir können es uns in der derzeitigen Situation nicht leisten, irgendwelche Energien außen vorzulassen. Das funktioniert nicht, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich sage Ihnen auch, warum. - Wenn größere Unternehmen jetzt schon Stromschwankungen registrieren - das ist der Fall, das ist Realität  , dann wird sich das im Winter verstärken. Und ich möchte einfach die Notlage, die dann von einer Energienotlage zu einer Nahrungsmittelnotlage werden könnte, nicht erleben. Deshalb ist jetzt und heute unsere Verpflichtung, dass wir sämtliche Ideologie weglassen und einfach sagen, jetzt muss alles raus.

Vorhin ist gesagt worden, dass es im Jahr 2009 eine andere Situation gab. Natürlich, aber die Geschäftsgrundlage hat sich diametral verändert. Wir können es uns nicht leisten, an unserer Ideologie festzuhalten. Sie können das den Menschen auf der Straße nicht mehr erklären. Die wollen einfach sehen, dass der Staat das in den Griff bekommt. Auf der einen Seite muss es finanzielle Unterstützung und auf der anderen Seite technologische Offenheit geben.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wenn selbst eine Klimaaktivistin wie Greta Thunberg und sagt, Atomenergie ist es, meine Damen und Herren,

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

dann kann es doch nicht sein, dass im Landtag von Sachsen-Anhalt gesagt wird: Nein, um Gottes willen; das funktioniert nicht.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Hat sie nicht!)

Nein, das ist eben ein Teil der Lösung. Genauso ist es ein Teil der Lösung, das Thema Fracking anzupacken. Da müssen wir einfach offen sein. Und diese Technologieoffenheit brauchen wir umfänglich.

(Unruhe)

Das geht natürlich mit dem Thema Kohle weiter.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Wenn wir aus NRW hören, dass der Kohleausstieg definitiv vorher stattfinden soll, dann heißt das aber noch lange nicht, dass wir in Sachsen-Anhalt das auch gutheißen müssen. Bei uns kann es doch auch sein, dass wir nach dem jetzigen Stand der Dinge - und es geht um jetzt und heute - einfach sagen müssen: Wir müssen alles raushauen, was geht. Wenn sich die Situation im Jahr 2028 anders darstellt, dann kann man den Sachverhalt reden.

Aber wir haben jetzt eine Krise. Wir haben jetzt eine Notsituation. Es ist eine Botschaft an die Märkte und an die Menschen wenn man sagt, wir unterstützen auf der einen Seite finanziell und auf der anderen Seite gehen wir energetisch alles an, was möglich ist. Und das ist eine ganz große Herausforderung, meine Damen und Herren.

Aber man muss diese beiden Dinge schon zusammennehmen. Da reicht es eben nicht, darüber nachzudenken, dass man möglicherweise den Reichen wieder mehr nimmt. Das ist strukturell völlig am Thema vorbei, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Ich will Ihnen noch was sagen, nämlich zu den 200 Milliarden €. Das ist ja nicht irgendwie so ein Fingerschnips. Das ist richtig viel Geld. Jetzt hat man sich darauf verständigt, dass man es bei der Schuldenbremse belässt. Es ist auch richtig, dass man in Deutschland zur Schuldenbremse steht.

Ich bin dem Bundesfinanzminister auch sehr dankbar dafür, dass er gegen Widerstände sagt, wir wollen die Schuldenbremse trotzdem einhalten. Warum ist das wichtig? - Es ist gerade für die zukünftigen Generationen wichtig, dass wir nicht    

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das ist aber auch Ideologie!)

- Nein, es hat mit Ideologie eben nichts zu tun,

(Unruhe bei und Zurufe von der LINKEN)

sondern wir haben einfach eine Verantwortung den zukünftigen Generationen gegenüber. Denen müssen wir nämlich erklären, wie das alles zurückgezahlt werden soll.

(Zustimmung bei der FDP)

Dass in dieser Krise gehandelt werden muss, das ist doch vollkommen klar.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Aber wir können doch nicht so tun, als gebe es kein morgen. Sie sagen ja auch: Wir müssen das Thema Klima anpacken, was ja richtig ist. Aber bei der Frage nach der Finanzierbarkeit müssen Sie auch Antworten finden, meine Damen und Herren. Da bleiben Sie eben Antworten schuldig.

Deshalb ist es auch richtig, dass wir sagen, die Schuldenbremse muss stehen. Dafür stehen wir auch und wir werden auch nicht davon abrücken. Ich sehe jedenfalls im Augenblick dafür keine Notwendigkeit. Es ist wichtig, dass man austarierte Möglichkeiten und austarierte Situationen schafft, bei denen tatsächlich alles in die Wagschale geworfen wird, was geht.

Für uns ist es wichtig, dass wir die Generationengerechtigkeit auch mit auf dem Schirm haben und dass wir mit diesem Konzert, bestehend aus verschiedenen Maßnahmen, also finanzieller Natur und auf der energischen Seite, die Dinge tatsächlich zusammenbringen. Das ist meines Erachtens die Voraussetzung dafür, dass wir diese Krise, eine der schwersten Krisen der Nachkriegszeit, tatsächlich in den Griff bekommen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir es auch schaffen werden. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir diesbezüglich auch optimistisch sind. Aber das wird nur dann der Fall sein, wenn wir ideologiefrei nach vorne schauen. Das sind wir auch den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes schuldig, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt Nachfragen, Herr Silbersack. Die erste Nachfrage kommt von Herrn Striegel. Wollen Sie die beantworten?


Andreas Silbersack (FDP):

Gerne.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann bitte, Herr Striegel.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Herr Kollege Silbersack, mit der Ideologie ist es ja so eine Sache. Die haben jedenfalls in politischen Kreisen immer irgendwie nur die anderen. Man selbst argumentiert selbstverständlich völlig ideologiefrei. Das habe ich in den Jahren, in denen ich im Parlament bin, gelernt.

Aber ich habe eine konkrete Frage. Die Koalitionsfraktionen in Berlin - ich habe gehört, daran ist auch die FDP beteiligt - haben sich auf ein Dokument geeinigt, in dem nicht nur der massive Ausbau der erneuerbaren Energien - dazu haben Sie hier heute überhaupt nichts gesagt; das wäre eine der zentralen Fragen für die zukünftige Energiesicherheit  , sondern eben auch der sogenannte Reservebetrieb für die zwei süddeutschen Atomkraftwerke steht.

Unterschrieben worden ist dieses Dokument von Ihrem Parteivorsitzenden und unserem Bundesfinanzminister Christian Lindner. Ist auch dieser Mann irgendwie rein ideologisch unterwegs, wenn er ein Dokument unterschreibt, in dem der Weiterbetrieb von norddeutschen Atomkraftwerken nicht drin steht?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort.


Andreas Silbersack (FDP):

Zur ersten Thematik: Natürlich stehen wir auch zu den erneuerbaren Energien.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Dann sagen Sie es doch mal!)

Das ist doch überhaupt keine Frage. Ich muss jetzt nicht alles erwähnen, was selbstverständlich ist.

(Zurufe)

- Wissen Sie, wenn ich den Begriff Technologieoffenheiten nenne, schließe ich die erneuerbaren Energien ja nicht aus.

(Guido Kosmehl, FDP: Das verstehen die doch nicht!)

Also, das ist offensichtlich das Problem.

Selbstverständlich werden wir das vorantreiben. Aber Ihr Problem ist im Grunde genommen: Sie sind offensichtlich auf einem Auge blind.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein!)

Sie sehen ausschließlich die erneuerbaren Energien.

(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Sie müssen das Gesamtkonzert der energetischen Möglichkeiten sehen. Das muss ich Ihnen einfach so sagen. Ich sage Ihnen klipp und klar: Was die Atomkraftwerke und deren Laufzeit betrifft, ist unser Petitum ganz klar; wir wollen, dass die drei Atomkraftwerke weiterlaufen und noch am Netz bleiben. Das ist vollkommen klar.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU - Sebastian Striegel, GRÜNE: Und warum hat Herr Lindner dann etwas anderes unterschrieben? Ist das ideologiegetrieben?)

- Das ist nicht ideologiegetrieben.

(Zuruf von der CDU: Es geht um Energiesicherheit!)

Ich kann nur sagen: Wir als FDP stehen dafür, dass alle drei Atomkraftwerke weiterlaufen. Das ist in dieser schwersten Nachkriegskrise

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

zwingend erforderlich. Wir können es uns eben nicht leisten, uns ideologisch zu vernageln, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Das ist der Moment    

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

- Nein, warten Sie einmal. - Das ist der Moment,

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Herr Kosmehl, warten Sie einmal. - in dem ich noch einmal an die Grundidee der jetzigen Situation erinnern will. Die Grundidee der jetzigen Situation ist: Ein Abgeordneter aus unserem Haus fragt den Redner etwas und der Redner antwortet. Das setzt unter anderem voraus, dass der Fragende den Redner ausreden lässt, damit er hört, was er eigentlich wissen will.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Ulrich Thomas, CDU: Das kann er nicht!)

Das verlangt aber auch von allen anderen, zumindest ein Mindestmaß an Disziplin zu bewahren, damit der Fragende die Antwort hören kann.

(Guido Kosmehl, FDP: Das fällt schwer!)

- Selbst wenn es schwerfällt, Herr Kosmehl, selbst wenn es schwerfällt.

Bevor wir die nächste Frage aufrufen, begrüßen wir ganz herzlich die zweite Gruppe der Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarschule „Maxim Gorki“ in Schönebeck.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir kommen zur zweiten Frage. Diese trägt Frau von Angern vor.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Silbersack, Sie haben mir unterstellt, dass ich nicht zum Thema Energie gesprochen hätte. Ich habe die Sorgen der Menschen in unserem Land im Zusammenhang mit der Energiepreiskrise in den Mittelpunkt gestellt. Das unterscheidet uns möglicherweise konträr.

Aber ob es Ihnen passt oder nicht: Sie als regierungstragende Koalitionsfraktion vertreten auch die Menschen in Halle-Silberhöhe. Ich frage Sie: Wenn diese Menschen zu Ihnen kommen und fragen, was von den 200 Milliarden € denn bei ihnen ankommt, werden Sie dann auf Tschechien verweisen nach dem Motto „dort gibt es Menschen, die noch armutsverachtender sind als wir als FDP“? Oder werden Sie deren Sorgen einfach ignorieren? - Ich halte das für ein absolutes Kommunikationsdesaster.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Andreas Silbersack (FDP):

Frau von Angern, ich kann Ihnen erst einmal sagen: Das ist immer so eine Sache mit freudschen Versprechern. Deshalb glaube ich,

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das wird Ihnen jetzt auch nicht weiterhelfen!)

die Menschen in Halle-Silberhöhe interessiert, dass sie zum Jahresende und jetzt sofort in die Lage versetzt werden, Energie zahlen zu können. Deshalb hat man dieses Paket geschnürt und gesagt, man zahlt einen Abschlag. Man hat das sofort auf den Weg gebracht. Mir ist doch vollkommen klar, dass die Menschen in Halle-Silberhöhe auch genau das brauchen, sie brauchen Sicherheit. Deshalb gibt es genau dieses 200-Milliarden-€-Paket.

Natürlich muss man dafür sorgen, dass das auch dort ankommt, nämlich bei den Menschen, die es zwingend brauchen. Diesbezüglich haben wir überhaupt keinen Dissens. Aber es bedeutet eben auch, dass es nicht reicht, wenn ich denjenigen in Halle-Silberhöhe sage, euch geht es besser, wenn ich es den Reichen wegnehme. Das fördert die Spaltung und nicht den Zusammenhalt in dieser Krise, meine Damen und Herren.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Die Gesellschaft ist doch gespalten! Machen Sie sich doch nicht lächerlich! Ein Fünftel aller Kinder in diesem Land sind arm! - Hendrik Lange, DIE LINKE: Die Spaltung ist doch schon längst da! - Weitere Zurufe - Unruhe)