Dr. Katja Pähle (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir vor meiner eigentlichen Rede, nachdem Herr Kollege Keindorf den Rahmen auch etwas weiter gespannt hat, zwei Bemerkungen vorab.
Ja, die Herausforderungen, vor denen wir insgesamt in unserer Industriegesellschaft stehen, sind groß. Damit wir sie bewältigen können, brauchen wir jede Hand und jeden klugen Kopf. Das steht außer Frage. Es ist gut, dass wir uns der Frage zuwenden: Wie können wir mehr fleißige Hände und kluge Köpfe gewinnen?
Ich sage Ihnen aber auch sehr deutlich, sehr geschätzter Kollege Keindorf, wir werden bei dem Thema um eine geordnete Zuwanderung nicht herumkommen.
(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Guido Kosmehl, FDP)
Im Jahr 1991/1992 hatte Sachsen-Anhalt mit Schuljahresabschluss ungefähr 24 500 Schulabgänger zu verzeichnen. Mittlerweile sind wir im Jahr 2021/2022 bei ungefähr 17 100 angelangt. Das sind 7 000 junge Menschen, die uns fehlen. Der Trend geht weiter. Das bekommen wir allein nicht hin. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung jetzt einige Hürden, die in den letzten Jahren nicht veränderbar waren, verändert.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein gutes Signal, dass sich das Plenum des Landtags auch in dieser Wahlperiode mit der Berufsschulausbildung beschäftigt. Wir haben schon gehört, wie groß die Herausforderung ist und wie stolz wir in Deutschland insbesondere auf die duale Ausbildung sein können; denn es ist keine Schmalspurausbildung, sondern sie eröffnet jungen Menschen vielfältigste Möglichkeiten, die wir alle zu schätzen wissen.
Ich denke, es ist nicht nur für meine Fraktion angebracht, an dieser Stelle allen Lehrkräften an Berufsschulen für ihren Einsatz zu danken. Wir wissen, was sie gerade unter den Bedingungen von Corona für die junge Generation geleistet haben und was sie in den letzten Jahren insgesamt geleistet haben.
Ich möchte ganz konkret auf drei Punkte in dem Antrag näher eingehen.
Erstens. Um mehr junge Menschen für eine Berufsausbildung zu begeistern, müssen wir uns endlich auch mit dem Potenzial von Schülerinnen und Schülern an Gymnasien beschäftigen. Die Vorstellung, dass Gymnasien ausschließlich für den akademischen Nachwuchs ausbilden, ist von vorgestern. Viele Berufe und viele Ausbildungen sind so anspruchsvoll, dass man mit einem guten Abitur auch dafür gut gerüstet ist. Dafür müssen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten aber erst einmal die Vielfalt beruflicher Entwicklungswege kennenlernen. Woher sollen sie eine Vorstellung von den Vorzügen eines Handwerksberufes oder einer technischen Ausbildung in der Industrie haben, wenn es in der eigenen Familie keine Vorbilder gibt? Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag Folgendes vereinbart:
„Die Berufsorientierung wird für alle Schulformen in den Sekundarstufen I und II schulgesetzlich flächendeckend und verbindlich verankert sowie konzeptionell fortentwickelt. Dazu soll das Berufsorientierungsprogramm BRAFO langfristig gesichert werden.“
(Beifall bei der SPD)
Das ist wirklich unmissverständlich. Auch die Instrumentarien sind damit genau festgeschrieben. Umso mehr möchte ich mit Nachdruck daran appellieren, dieses Vorhaben jetzt auch umzusetzen.
Zweitens. Die Bundesregierung hat sich nicht nur die massive Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus auf die Fahnen geschrieben, sondern will darüber hinaus insbesondere das junge Wohnen fördern. Deshalb stehen in diesem Jahr neben 2 Milliarden € für den klassischen Wohnungsbau weitere 500 Millionen € für die Schaffung von Wohnheimplätzen für Studierende und Auszubildende zur Verfügung. Für Sachsen-Anhalt sind es 13,5 Millionen €.
Die Chancen, die sich für junge Leute hierbei bieten, müssen in den Ländern auch genutzt werden. Jetzt müssen neue Wohnungen für Studierende und Auszubildende geschaffen werden. Der Wohnheimbau wäre an dieser Stelle, glaube ich, ein guter Punkt und würde übrigens auch dabei helfen, dass Mietpreissteigerungen im privaten Wohnungsmarkt etwas gebremst werden. Ich glaube, es ist an der Zeit - das richtet sich insbesondere an Ministerin Hüskens , diese Mittel für den geplanten Zweck zur Verfügung zu stellen.
Drittens. Dieser Antrag befasst sich auch mit den staatlichen Unterstützungen für die Fahrtkosten. Ich möchte in diesem Zusammenhang an Folgendes erinnern: Die Einführung des Azubi-Tickets war eine bewusste Entscheidung dafür, Auszubildende zu unterstützen und die Ausbildung attraktiver zu machen. An dieser Entscheidung sollten wir auch unverändert festhalten, auch wenn sich die Bedingungen rundherum verändert haben. Mehrere Länder bieten das Deutschlandticket zu einem vergünstigten Azubi-Preis an. Ich glaube, wir sollten z. B. dem Vorbild von Mecklenburg-Vorpommern folgen.
Um es ganz deutlich zu sagen, auch der unternehmerischen Seite: Wenn der Chef über ein Jobticket ebenfalls etwas dazutut, dann haben wir ein wirklich attraktives Angebot über das hinaus, was erwähnt wurde. Ich glaube, auch das trägt zur Attraktivitätssteigerung in den Ausbildungsberufen bei. Darüber sollten wir in nächster Zeit weiter diskutieren. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der SPD)