Tagesordnungspunkt 9
15. Weltnaturkonferenz (CBD COP 15) in Montreal. Chancen und Auswirkungen für Sachsen-Anhalt
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1987
Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart worden. - Herr Aldag legt los.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wir Menschen dringen immer weiter in natürliche Lebensräume von Tieren und Pflanzen vor. Wir zerstören, zerschneiden und versiegeln sie. Dadurch gehen jeden Tag Arten unwiederbringlich verloren, Ökosysteme werden stark gestört. Dem gilt es entschieden entgegenzuwirken.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Mit einem länderübergreifenden Nationalpark, drei Biosphärenreservaten, fünf Naturparks, drei Feuchtgebieten von internationaler Bedeutung, dem Grünen Band als Nationalem Naturmonument, zahlreichen Natur- und Landschaftsschutzgebieten, Naturdenkmälern, geschützten Landschaftsbestandteilen, mit der Goitzsche-Wildnis, einem Schutzgebiet mit dem Sachsen-Anhalt bewiesen hat, dass man bei der Tagebaurekultivierung Maßstäbe setzen kann, mit aktuell vier Naturschutzgroßprojekten besitzt dieses Land einen enormen Schatz, den es zu bewahren und zu vermehren gilt. Ziel unseres Handelns und unserer Entscheidungen muss es daher sein, den Naturschutz im Land weiterzuentwickeln und zu professionalisieren.
(Frank Otto Lizureck, AfD: Aber nicht mit den GRÜNEN!)
Wir brauchen dringend eine Trendwende. Nach der ernüchternden Bilanz des soeben zu Ende gegangenen Weltklimagipfels gilt das umso mehr für den Weltnaturgipfel in Montreal. Nötig ist eine verbindliche globale Vereinbarung historischen Ausmaßes zum Schutz der Natur. Sie muss den Rahmen setzen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, mit und nicht gegen die Natur zu wirtschaften und geschädigte Natur wiederherzustellen -
(Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)
das sagt Dr. Christof S., der Geschäftsführer der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft und Träger des Umweltpreises 2022.
In der sogenannten Frankfurter Erklärung fordert ein Bündnis aus deutschen Wissenschafts- und Nichtregierungsorganisationen den Schulterschluss von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für naturpositives Unternehmenshandeln. Dabei bieten sie ihre Expertise zur Lösung der dringendsten Herausforderungen der Menschheit an, der Zwillingskrise aus Biodiversitätsverlust und Klimawandel.
Die Weltnaturkonferenz, die derzeit in Montreal stattfindet, soll eine Trendwende einläuten, eine Trendwende von der Zerstörung hin zur Wiederherstellung der Natur. Dazu wollen die Staaten der Welt eine neue globale Vereinbarung für biologische Vielfalt bis 2050 verabschieden. Die Vereinbarung soll alle Ursachen aufgreifen, die zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. Dazu zählen unter anderem die Zerstörung und Ausbeutung der Natur, die veränderte Nutzung von Land und Meeren, die Folgen der Klimakrise, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten.
In den letzten Tagen wurde viel über die Ambitionen Deutschlands berichtet. Es ist gut, dass Bundesumweltministerin Steffi Lemke als bekanntlich verhandlungsstarke und fachlich versierte Politikerin die deutsche Delegation anführt und dort die Verhandlungen begleitet.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Hannes Loth, AfD: So ein Unsinn!)
Was sind die Kernanliegen Deutschlands?
(Hannes Loth, AfD: Nur Unsinn!)
Hauptziel für die Konferenz ist, dass die dort zu beschließende globale Vereinbarung einerseits ehrgeizige, messbare Ziele enthält und andererseits effektive Mechanismen, die dafür sorgen, dass die Ziele auch kontrolliert umgesetzt werden und dass eine angemessene Finanzierung erfolgt. Die Bundesregierung verfolgt dabei drei Prioritäten: mehr und vor allem besser gemanagte Schutzgebiete, weniger Verschmutzung und die Wiederherstellung der Natur.
Selbstverständlich müssen die Beschlüsse und die globale Vereinbarung dann auch in Deutschland umgesetzt werden. Auf der Bundesebene wird dies gebündelt in der Neuauflage der nationalen Biodiversitätsstrategie. Themen wie eine naturverträgliche Energiewende, Insektenschutz oder Meeresnaturschutz, die bisher in der Strategie fehlten oder zu kurz gekommen sind, werden darin ergänzt.
Ich erwähne die Strategie der Bundesregierung deshalb, weil ich es für wichtig halte, Zusammenhänge zu erfassen und daraus abzuleiten, wie wir uns hier im Land aufstellen müssen, um unseren Teil dazu beizutragen, die Ziele zu erreichen, aber auch um vorbereitet zu sein, um von den zahlreichen Förderprogrammen mit geeigneten Projekten partizipieren zu können.
Mit einem Anteil von 16,58 % an strengen Schutzgebieten und einem Anteil von 40,83 % an schwachen Schutzgebieten können wir in Sachsen-Anhalt ein gutes Netz an Schutzgebieten vorweisen. Doch auch hier nimmt die Artenvielfalt ab. Die Kernforderung der Bundesregierung nach mehr und besser gemanagten Schutzgebieten lässt sich auch auf Sachsen-Anhalt übertragen. Um den natürlichen Schatz zu bewahren, weiterzuentwickeln und auszuweiten, brauchen wir eine Professionalisierung im Naturschutz. Viele der immer wiederkehrenden Aufgaben werden über Projekte von Naturschutzverbänden und vereinen, in vielen Fällen von ehrenamtlichen Naturschützerinnen und Naturschützern erledigt. An dieser Stelle möchte ich diesen ehrenamtlichen Naturschützerinnen und Naturschützern für ihre Arbeit und ihr Engagement ganz herzlich danken.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)
Hier braucht es weiterführende Strukturen, um diese wiederkehrenden Arbeiten besser zu koordinieren und sie finanziell besser auszustatten. Wir brauchen dringend eine Initiative zur Gewinnung von Fachleuten, die in der Lage sind, Arten zu bestimmen.
In den nächsten Jahren geht hier enormes Know-how verloren. Wir brauchen ein Netz an Naturschutzstationen, um Naturschutz in der Fläche effektiv zu managen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Übertrage ich die zweite Kernforderung, nämlich die nach weniger Verschmutzung, auf Sachsen-Anhalt, ist auch hier noch einiges zu tun. Mein besonderer Blick richtet sich dabei auf unsere Gewässer. Erst kürzlich wurde wieder das Einleiten von Chlorid in die Bode genehmigt, Tausende von Tonnen pro Jahr, obwohl wir genau wissen, dass die Bode unterhalb der Einleitstelle mehr oder weniger tot ist. BUND und der Landesanglerverband klagen derzeit gegen diese Genehmigung, und es wird Zeit, dass wir hier umdenken.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Das ist kein Wirtschaften mit, sondern ein Wirtschaften gegen die Natur. Dieses Wirtschaften zerstört unsere Landschaft und das kann und darf nicht unser Ansinnen sein. Wir dürfen das nicht zulassen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die dritte Kernforderung nach Wiederherstellung der Natur beschreibt die Zukunftsaufgabe, der wir uns auch in Sachsen-Anhalt stellen müssen. Die Renaturierung von Flüssen und Mooren, die Wiederherstellung unserer Wälder, aber auch die Begrünung unserer Städte stehen hierbei besonders im Fokus. Die Bundesregierung reagiert mit dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ und rund 4 Milliarden € auf diese Aufgabe. Es reicht nicht aus, Herr Minister Willingmann, sich allein auf dieses Programm zu verlassen. Wir müssen hier im Land die Weichen dafür stellen, um von diesem Programm profitieren zu können. Ich befürchte, wir gehen bei diesem Programm leer aus, weil hier weder entsprechende Projekte vorbereitet sind, noch finanzielle Mittel zur etwaigen Kofinanzierung im Haushalt stehen.
Um diesen drei Kernforderungen in Sachsen-Anhalt gerecht zu werden, erwarten wir deutlich mehr Engagement vom Umweltminister. Warum ist es so wichtig, mehr zu tun? - Biologische Vielfalt ist überlebensnotwendig.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Jeden Tag bringt die Natur überlebensnotwendige Leistungen für uns Menschen - zuverlässig und kostenlos. Gesunde Böden, Insekten und vielfältige Pflanzen sind die Grundlage für eine funktionierende Landwirtschaft und die Ernährung der Weltbevölkerung. Doch die biologische Vielfalt ist in der Krise, und deshalb ist es unverständlich, weshalb im Haushalt die Artensofortförderung erneut gekürzt wurde. Artenschutz wird an dieser Stelle mit Füßen getreten; denn ein adäquater Ersatz für diese Kürzung ist im Haushalt nicht zu erkennen. Natürlich werden wir hier mit einem Änderungsantrag um die Ecke kommen und ich hoffe auf Unterstützung aus den Reihen der Koalition.
Meine Damen und Herren! Den Status quo zu halten oder gar Mittel zu kürzen, können nicht der Weg sein; denn alle Ambitionen um die gesteckten globalen Ziele werden nichts bringen, wenn nicht wir die Weichen dafür stellen, die Artenvielfalt zu erhalten und die Lebensräume entsprechend auszuweiten und zu schützen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei den GRÜNEN)