Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleich zu Beginn: Selbst dann, wenn man, wie im vorliegenden Antrag formuliert, die völkische Idee von der unbedingt notwendigen Mehrung des autochthonen Volkskörpers teilt und sie zum obersten Ziel von Familienpolitik machen wollte, wie es besonders in den dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte der Fall war, erscheint das hierin vorgeschlagene Instrument weltfremd symbolisch.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wer glaubt, die Entscheidung für oder gegen ein Kind mit einer einmaligen Prämie beeinflussen zu können, der beleidigt jedes werdende Elternteil.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Als echtes Begrüßungsgeld für neue Mitmenschen, als Geschenk an jede neue Einwohnerin und jeden neuen Einwohner ohne instrumentellen Hintergedanken und für alle hier geborenen Kinder unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsstatus, wie es die Stadt Dessau-Roßlau macht, hat die Idee Charme. Aber das ist weder das, was Sie meinen, noch das, was Sie beantragt haben.
Was wirklich hilft, Geburtenzahlen zu steigern, ist eine grundsätzliche familien- und kinderfreundliche Politik, eine die alle Familien meint und erreicht, und zwar auch die mit nur einem oder mehreren gleichgeschlechtlichen Elternteilen oder anderen Erziehungspersonen. In den letzten Jahren sind wir in der Bundesrepublik ein gutes Stück vorangekommen. Das Elterngeld plus und der geschaffene Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder sind z. B. deutliche Stärkungen.
Mit dem Großvorhaben der Kindergrundsicherung werden wir noch einmal eine spürbare Besserstellung für Familien schaffen. Dann sind Rahmenbedingungen geschaffen, in denen Menschen immer besser selbst entscheiden können, ob sie Kinder wollen und, wenn ja, wie viele. Diese Rahmenbedingungen für eine freie Entscheidung zu schaffen, ist die originäre Kernaufgabe von Familienpolitik.
Was es noch braucht? - Eine kinderfreundliche Gesellschaft. Das betrifft alle Politikbereiche. Man könnte z. B. fragen: Sollten wir nicht eigentlich den öffentlichen Raum auch kindgerechter gestalten, also mit Raum für Bewegung und weniger Abgasen auf Höhe der Kindernasen?
Die Mehrheit auch in Ihrer Partei setzt an dieser Stelle wohl weit eher auf Parkplätze und breite Straßen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Und Kinderrechte im Grundgesetz wollen Sie schon gar nicht.
(Zuruf von der AfD: Das stimmt!)
Also, bevor Sie sich hier als Retter der Familien inszenieren, sollten Sie sich lieber mal Ihr Wahlprogramm und Ihre Parteiprogramme angucken und Ihr Programm auf kinderfeindliche Forderungen hin überprüfen. Kurz und gut: Ein biopolitisch motiviertes, diskriminierendes Begrüßungsgeld - oder nennen wir es Gebärprämie - im Sinne der AfD braucht hier nun wirklich niemand in Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)