Tagesordnungspunkt 8
35 Jahre friedliche Revolution - Sieg der Freiheit
Antrag Fraktion CDU - Drs. 8/4694
Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vorgesehen mit folgender Reihenfolge: CDU, AfD, SPD, Die Linke, FDP und GRÜNE.
Der Antragsteller hat das Wort. Herr Heuer, Sie dürfen loslegen.
Guido Heuer (CDU):
Danke, sehr geehrter Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die friedliche Revolution hat die deutsche und die europäische Geschichte geprägt und zugleich das Gesicht dieser Welt verändert. Der Mauerfall vor knapp 35 Jahren öffnete den Bürgerinnen und Bürgern der DDR nicht nur den Weg zur westlichen Welt, er besiegelte auch das Ende der letzten Diktatur auf deutschem Boden. Es war nicht nur für Deutschland ein historisches Ereignis. Mit dem Fall der Berliner Mauer öffnete sich der eiserne Vorhang für fast 400 Millionen Menschen im ehemaligen Ostblock.
Die ersten Risse bekam die Mauer natürlich bereits am 30. September 1989 in der Prager Botschaft. Mit seinen Worten löste der Hallenser und damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher ein regelrechtes Fest der Freiheit aus. Es war richtig, dass unser Landtag diesen Meilenstein der deutschen Geschichte in besonderem Maße gewürdigt hat. Aus meiner Sicht ist jeder Cent zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an unsere Vergangenheit gut investiert. Man muss sich nur hier im Plenum umschauen und erkennt: Die Zeitzeugen der Wende werden weniger.
Ich erinnere mich noch an 1989, dieses Schicksalsjahr für das deutsche,
(Dem Redner versagt die Stimme)
für mein Volk. Am 7. Mai 1989 musste wieder einmal eine demokratische Show in einer lupenreinen Diktatur aufgeführt werden. Die Kommunalwahlen standen an. Dieses Mal kam jedoch alles anders: selbst nach offiziellen Angaben nur 98,85 % für den Wahlvorschlag - das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der DDR. Bereits am Abend versammelten sich die Bürger in den Wahllokalen, um den Betrug mit eigenen Augen zu sehen. Die SED hatte wieder flächendeckend Wahlergebnisse manipuliert
(Zuruf von der AfD: Briefwahl wahrscheinlich! - Lachen bei der AfD)
und damit unfreiwillig den Ausgangspunkt für eine Revolution gegeben. Das Maß war voll.
Die Bevölkerung glaubte nicht mehr an Reformen. Sie wusste, dass das Regime ihr niemals die ersehnte Freiheit geben würde. Und so nahmen die Menschen ihr Glück selbst in die Hand. In der ganzen DDR formierten sich erste Proteste mit dem Ruf nach Bürgerrechten und einer echten Demokratie. Andere sahen keinen Ausweg mehr und traten die Flucht an. Mit dem Beginn der Sommerferien machten sich mehr als 200 000 DDR-Bürger auf den Weg nach Ungarn, wo erst kurz zuvor, am 27. Juni 1989, der Stacheldraht an der Grenze zu Österreich zerschnitten worden war. Über diesen ersten Riss im Eisernen Vorhang flohen plötzlich Tausende in die Bundesrepublik. Ich selbst war zu jener Zeit, im Juli 1989, in Ungarn und habe auch überlegt; ich ging aufgrund meiner Angehörigen nicht.
Auch in der bundesdeutschen Botschaft in Prag versammelten sich immer mehr Menschen in der Hoffnung auf Freiheit. Am 30. September 1989 wurde diese Hoffnung für 4 700 DDR-Bürger zur Wirklichkeit.
(Dem Redner versagt die Stimme - Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)
Hans-Dietrich Genscher sagte: Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen,
(Dem Redner versagt die Stimme - Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustimmung bei der FDP, bei den GRÜNEN und von Eva von Angern, Die Linke)
dass heute Ihre Ausreise … Der Rest ist Geschichte.
Es war uns wichtig, dass an dieses historische Ereignis angemessen erinnert wird. Die Landtagsverwaltung hat mit dem Fest der Freiheit und in Zusammenarbeit mit der Botschaft dafür einen würdigen Rahmen gefunden. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Organisation dieser Veranstaltung.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Die Fluchtwelle verstärkte den Druck auf das SED-Regime, während gleichzeitig die Protestbewegung immer stärker wurde. In verschiedenen Städten versammelten sich immer mehr Menschen, um gegen die Diktatur aufzubegehren.
Gleichzeitig feierten sich die Diktatoren noch ein letztes Mal. Mit Paraden und Banketten gratulierte sich die DDR selbst zum 40. Jahrestag. Es sollte ihr letzter sein. Von den Straßen schallte es schon: Wir sind das Volk!
Am 9. Oktober 1989 kam es in Leipzig zu der bis dato größten Demonstration gegen das Regime. 70 000 Bürgerinnen und Bürger versammelten sich an diesem Montag und protestierten für den Wandel. Dabei war die Angst vor einer gewaltsamen Eskalation seitens der SED-Führung allgegenwärtig. Doch das Wunder geschah.
(Dem Redner versagt die Stimme - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Die Sicherheitskräfte schlugen die Demonstration nicht nieder und eine friedliche Revolution nahm ihren Lauf. Leipzig sendete ein Signal in die ganze DDR und der Widerstand gegen das Regime wurde unaufhaltsam.
Ich selbst habe damals die Universität in Magdeburg besucht. Jeden Montag hatten wir vormittags noch Unterricht in „Marxismus und Leninismus“ und abends waren wir auf dem Domplatz. Irgendwann hat sich meine Studiengruppe dann nur noch für die Abendveranstaltung interessiert.
Im Herbst 1989 änderte sich die gesellschaftliche Stimmung fundamental. Die Bürger gingen regelmäßig auf die Straße und forderten einen grundlegenden Wechsel. Die Forderungen nach Reisefreiheit, Demokratie und Menschenrechten wurden immer lauter. Die Macht der SED geriet ins Wanken.
(Dem Redner versagt die Stimme - Zustimmung bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Die Ereignisse innerhalb und außerhalb der DDR setzten die Parteiführung derartig unter Druck, dass sie sich im wahrsten Sinne des Wortes verzettelte. Am 9. November 1989 trat Günter Schabowski mit neuen Ausreisebestimmungen vor die Presse. Auf Nachfrage verkündete er: „Das tritt Nach meiner Kenntnis, äh, ist das sofort, unverzüglich.“
Auf das, was folgte, waren weder das Regime noch die Grenzpolizisten in Berlin vorbereitet. Plötzlich war die Berliner Mauer gefallen. Plötzlich war das Symbol der deutschen Teilung und Europas verschwunden.
Auch ich musste mir nicht zweimal sagen lassen, dass die Grenzen geöffnet wurden. Sofort nach der „Tagesschau“ sind wir in einen Wartburg 353 gestiegen und haben uns auf den Weg zum Grenzübergang nach Helmstedt gemacht. Bereits ab Irxleben war Stau. Zu unserem Glück fuhr neben uns zufällig ein Jeep mit GIs und die GIs hatten vorgesorgt: Der Kofferraum war voller Bier, Wein und Sekt.
(Lachen und Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)
Morgens um 6 Uhr sind wir dann, ich sage mal, leichtfüßig und angeschwipst auf der Autobahn bis nach Helmstedt gelaufen.
(Lachen bei der CDU)
Die Ereignisse am 9. November 1989 waren ein Triumph des mutigen und friedlichen Protests. Die Mauer, die jahrelang Familien voneinander getrennt hatte, war weg. Menschen aus Ost und West lagen sich in den Armen. Ein ganzes Volk befand sich plötzlich auf dem Weg zur Wiedervereinigung.
Heute, 35 Jahre später, erinnern wir uns voller Dankbarkeit an diesen historischen Moment. Der Mut und die Entschlossenheit der Bürgerinnen und Bürger hat uns völlig unvorbereitet ein Leben in Einigkeit und Recht und Freiheit geschenkt.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)
Ich fühle mich diesem historischen Erbe verpflichtet. Wir müssen sicherstellen, dass die Ziele der friedlichen Revolution bewahrt werden.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP - Dr. Anja Schneider, CDU: Jawohl! - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Ja!)
Die Mauer ist weg und Deutschland ist wiedervereint.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP - Dr. Anja Schneider, CDU: Jawohl!)
Allerdings gibt es inzwischen politische Kräfte in diesem Land, die versuchen, neue Mauern zu errichten.
(Felix Zietmann, AfD: Genau!)
Die Populisten von links und rechts versuchen mit ihren Billigparolen und scheinbar einfachen Lösungen, die Gesellschaft erneut zu spalten.
(Oh! bei der AfD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja, ja!)
Um die Einheit in unserer Bundesrepublik zu bewahren, werden wir uns klar und deutlich gegen jede Form des politischen Extremismus stellen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)
Die Bürgerinnen und Bürger sind 1989 auch für Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit auf die Straße gegangen. Die ungerechten Verhältnisse in der DDR aufgrund der Misswirtschaft und Selbstherrlichkeit der SED-Führung mahnen uns zu einer Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, so wie es das christliche Menschenbild vorsieht. Die CDU-Fraktion wird sich auch weiterhin für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West einsetzen.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Die friedliche Revolution stand natürlich auch im Zeichen der Freiheit. Ich sage einmal ganz ehrlich: Die Menschen sind im Jahr 1989 nicht auf die Straße gegangen, um sich 35 Jahre später von den Grünen ihre Freiheiten schon bei der Hausheizung nehmen zu lassen.
(Beifall bei der CDU - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist aber billig!)
- Das ist nicht billig.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das war ein CDU-Gesetz, Herr Heuer!)
- Doch, doch!
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das war ein CDU-Gesetz! Was für ein billiger Populismus! - Zurufe von der CDU)
Wir Ostdeutschen werden uns nicht von Alt-Linken vorschreiben lassen, wie wir zu sprechen oder wie schnell wir auf der Autobahn zu fahren haben.
(Unruhe)
Früher war der Zustand der Straßen so schlecht, dass man von Magdeburg bis Halle nicht selten drei Stunden brauchte.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Jetzt ist es nur jede zweite!)
Das wollen wir nicht mit ideologischen Gesetzen und Tempolimits zurückhaben.
Meine Damen und Herren! Wir müssen das Vermächtnis der friedlichen Revolution bewahren. Die Erinnerung an die Wendezeit muss in unserem kollektiven Gedächtnis erhalten bleiben.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Im Herbst 1989 haben die Bürgerinnen und Bürger eine historische Zäsur in Deutschland und der Welt erwirkt. Vor 35 Jahren haben die Menschen in der DDR für die deutsche Einheit, für ein Leben in einem Rechtsstaat und für bürgerliche Freiheiten demonstriert.
(Dem Redner versagt die Stimme - Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)
Für dieses mutige Engagement bin ich unglaublich dankbar.
(Dem Redner versagt die Stimme - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Dr. Anja Schneider, CDU: Komm!)
Ich bin stolz, diese Zeit miterlebt haben zu dürfen. - Vielen Dank.