Hendrik Lange (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seitdem Menschen gezielt Pflanzen anbauen, wählen Sie die Pflanzen aus, die die besseren Eigenschaften haben. Diese Auslesezüchtung ist wohl die älteste Methode der Pflanzenzucht. Die Züchtung von Pflanzen auf höhere Erträge und Resistenzen ist also uralt und hat zur Nahrungsmittelsicherung beigetragen. Übererträge konnten gehandelt werden. Je weniger Arbeitskraft für den gleichen Ertrag notwendig war, desto mehr Arbeitskraft konnte in technische Entwicklungen, aber auch in Kunst oder in Religion investiert werden.
Spätestens mit den Regeln der Kombinationszüchtungen, die Gregor Mendel entdeckt hat, konnte die Kombinationszüchtung systematisiert werden. Fakt ist, dass diese Züchtungen hin zu stabilen Sorten eines brauchen: Zeit.
Meine Damen und Herren! Klassische Züchtung ist zwar zielgerichtet, oftmals werden aber Eigenschaften vererbt, die nicht erwünscht sind. Diese Eigenschaften wieder herauszuzüchten, ist ein großer Aufwand. Schließlich müssen die Pflanzen einen gesamten Vegetationszyklus durchlaufen. Immer wieder müssen Pflanzen an neue Lebensbedingungen angepasst werden oder aber Ertrag, Resistenz gegen Krankheiten sowie die Erscheinungsform der Pflanzen werden geändert. So wird Getreide mit kleineren Halmen genutzt, damit der Windwurf reduziert wird.
Meine Damen und Herren! Manchmal gehen gute Eigenschaften verloren, aber der Vorteil einer neuen Sorte überwiegt. Manchmal reagieren Menschen stärker allergisch, wie man es bspw. von der Apfelallergie kennt. Das gilt auch schon mit konventioneller Züchtung.
Meine Damen und Herren! Mit den Erkenntnissen der Wissenschaft zum Erbgut von Lebewesen und zur DNA als Bauplan für das Leben sowie mit dem Wissen um Mutationen und deren Einflüsse auf die Eigenschaften von Lebewesen kamen völlig neue Formen der Züchtung auf. So wurden und werden durch Strahlung oder Chemikalien Mutationen herbeigeführt und dann die Organismen mit den gewünschten Eigenschaften aussortiert und weitergezüchtet. Es ist offensichtlich, dass dabei mehr Eigenschaften verändert werden und oft auch Veränderungen unentdeckt bleiben. Da es mehr als 3 000 Sorten aus der Mutationszüchtung gibt, wovon die meisten übrigens Getreide sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass jeder oder jede von uns schon ein Pflanzenprodukt von diesen Sorten gegessen hat. Streng genommen gelten diese Verfahren als Gentechnik, werden aber von den strengen Regeln des Gentechnikgesetzes ausgenommen. Als Grund wird die lange Erfahrung mit den Pflanzen angegeben, die durch diese Techniken entstanden sind. Von den Verbrauchern werden diese Pflanzensorten weitgehend akzeptiert.
Meine Damen und Herren! Nicht von den strengen Regeln des Gentechnikgesetzes ausgenommen sind die Verfahren mit der Genschere, dem CRISPR/Cas-Verfahren. Dieses Verfahren erlaubt sehr präzise Eingriffe in das Genom und damit präzise Veränderungen. Die damit einhergehenden Eigenschaften lassen sich gut überwachen und erforschen. Die Genschere ist damit ein gutes Werkzeug, um den jahrelangen Züchtungsprozess abzukürzen und verbesserte Pflanzen zu erzeugen.
Meine Damen und Herren! Es ist keine Frage: CRISPR/Cas ist ein gentechnologisches Verfahren. Ich bin aber überzeugt, dass Pflanzensorten, die mit diesem Verfahren entstanden sind, anders gesetzlich gehandhabt werden müssen als bisher. Das gilt insbesondere für sogenannte cisgene Pflanzen. Warum? - Bei cisgenen Methoden werden Veränderungen im eigenen Genom einer Pflanze vorgenommen, die auch durch eine natürliche Mutation oder herkömmliche Züchtung hätten entstehen können. Nehmen wir eine Tomatensorte, die zwar eine hohe Leistung hat, dafür aber gegenüber Krankheiten weniger tolerant ist als andere Tomatensorten. Im cisgenen Verfahren gelingt es nun, die Eigenschaften gezielt zusammenzuführen. Wichtig ist: Die gentechnischen Werkzeuge werden bei weiteren Selektionsschritten aus den Pflanzen entfernt. Damit entstehen Pflanzen, die nicht mehr von herkömmlich gezüchteten Pflanzen unterscheidbar sind.
Meine Damen und Herren! Dass die EU diese Pflanzen nun einem vereinfachten Verfahren zuführen möchte, halte ich für richtig. Denn es ist auch nicht mehr kontrollierbar, ob diese Pflanzen durch gentechnische Verfahren entstanden sind. Die Veränderungen sind übersichtlicher und besser erforschbar als bei der Mutationszüchtung.
Meine Damen und Herren! Dass durch diese Verfahren schneller Pflanzensorten an die Bedingungen des Klimawandels angepasst werden können, ist schon erwähnt worden. Ja, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung müssen wir alle im Blick behalten. Hierzu sei aber auf die große Lebensmittelverschwendung in reichen Ländern hingewiesen, die ebenso menschengemacht ist wie der Hauptfeind des Menschen: der Krieg.
Meine Damen und Herren! Darum müssen wir bei den angedachten Veränderungen der Gentechnikregelungen in der Landwirtschaft wachsam sein. Denn im Gegensatz zu cisgenentisch veränderten Pflanzen wird bei transgenen Pflanzen Erbgut aus artfremden Organismen eingebracht. Darum halte ich die stärkere Risikobetrachtung von transgenen Pflanzen weiterhin für richtig, da völlig neue Eigenschaften entstehen können.
Meine Damen und Herren! Gentechnikdebatten werden auf vielen verschiedenen Betrachtungsebenen geführt. Natürlich ist meine Partei sehr aufmerksam, wenn es um das Kapitalinteresse und die Macht großer Saatgutkonzerne geht. Aber gerade das cisgene CRISPR/Cas-Verfahren erlaubt es kleinen und mittelständischen Züchtern, diese Methoden anzuwenden, wenn sie nicht mehr die strengen Regeln des Gentechnikgesetzes einhalten müssen. Diese Regeln machen die Züchtung nämlich langwierig und teuer, was sich wieder nur die Großkonzerne leisten können.
Meine Damen und Herren! Natürlich müssen wir uns darüber verständigen, wie sich diese neuen Organismen in der Umwelt verhalten. Es gibt Überlegungen, durch Pollensterilität diese Pflanzen nichtauskreuzbar zu machen. Das ist möglich, bedeutet aber, dass sie dann nicht nachgezüchtet werden können. So etwas muss abgewogen werden. Ich halte das übrigens bei cisgenen Pflanzen für nicht notwendig. Zudem sollten die Regeln des Sortenrechts weiter Anwendung finden können. Das bedeutet, dass die neuen Pflanzensorten durch die Landwirte vermehrt werden können und andere Züchter sie kostenlos weiterentwickeln können.
Meine Damen und Herren! Des Weiteren stellt sich die Frage der Akzeptanz. Hierfür brauchen wir die wissenschaftlich unabhängige Perspektive, Aufklärung und vor allem Ehrlichkeit in der Debatte. Unabhängige Risikoforschung und Begleitforschung sind ebenso unerlässlich wie die ethische Begleitung. Wir haben dabei mit dem IPK in Gatersleben in unserem Bundesland einen guten Partner. Das Thünen-Institut ist genannt worden und auch das Institut in Halle. Zudem ist in der Genbank ein Fundus an Sorten enthalten, der erhalten werden muss. Das brauchen wir; denn die Eigenschaften der alten Sorten sind bedeutend und es ist eine wichtige Aufgabe, genau diese alten Sorten zu erhalten. Es gibt übrigens sehr interessante Experimente und Leute, die bewusst alte Sorten züchten, damit sie eben nicht verschwinden. Denn die Hochleistungssorten verdrängen natürlich viele alte Sorten. Auch das ist ein sehr wichtiger Beitrag dazu, dass der Genpool weiterhin groß genug bleibt und wir darauf zurückgreifen können.
Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass die Genschere in der Pflanzenzüchtung helfen kann, neue Sorten zum Wohle der Menschheit zu züchten. Gleichwohl bleibt es eine Aufgabe der Politik und der Gesellschaft, diese Prozesse zu begleiten und zu regulieren. Dabei müssen Wissenschaftlichkeit, Aufklärung und ethische Verantwortung handlungsleitend sein, nicht diffus geschürte Ängste und auch nicht das Gewinnstreben weniger. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der LINKEN und von Elrid Pasbrig, SPD)