Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Tochter besucht ein Gymnasium bei uns im Harz. Zu Beginn des Schuljahres habe ich für meine Tochter insgesamt ca. 150 € für Schulbücher und Arbeitshefte bezahlen müssen. Ich habe Glück; denn ich als Abgeordnete habe wie Sie alle ein relativ großzügiges Einkommen und kann mir das für mein Kind leisten.
Für viele andere Menschen mit geringem Einkommen ist das in Sachsen-Anhalt nicht so einfach. Man zahlt in Sachsen-Anhalt zwischen 1 € und 3 € Euro pro Schuljahr für das Ausleihen eines Schulbuches pro Schuljahr. Das klingt zwar auf den ersten Blick wenig, wenn man aber die weiteren Kosten bedenkt, die im Laufe des Schuljahres hinzukommen, bspw. für Schreibhefte, Blöcke, Hefter, Schreibutensilien, Sportzeug, Geometriewerkzeug usw., dann zeichnet sich ein anderes Bild.
Ausgaben für Schulausflüge, für Klassenfahrten, für Schulranzen usw. sind noch gar nicht eingerechnet. Am Ende des Schuljahres können sich dadurch selbst bei denen, die Schulbücher nur leihen müssen, mehrere Hundert Euro ansammeln.
Im 19. Jahrhundert war es eine Bürgerbewegung, die in Deutschland den freien Zugang zur Bildung erkämpfte. In der Verfassung der Weimarer Republik wurde festgeschrieben, dass Unterricht und Lernmittel an Volksschulen unentgeltlich sein sollen. Die Weimarer Republik beeinflusst die Demokratie, in der wir leben, bis heute. Wir haben viele Lehren aus der Weimarer Republik gezogen, besonders aus ihrem Ende und über die Wichtigkeit, die Demokratie vor Rechtsextremen, wie sie leider jetzt wieder in den Parlamenten sitzen, zu schützen.
(Florian Schröder, AfD: Was ist denn mit den Linksextremen!)
Aber auch die Lernmittelfreiheit hätten wir in Sachsen-Anhalt als eine Lehre aus der Weimarer Republik beibehalten können und sollen. Doch eine Lernmittelfreiheit, in der zumindest die Schulbücher für die Schülerinnen kostenlos sind, gibt es so nur noch in Thüringen, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Frau Hohmann hat es schon gesagt. In allen anderen Bundesländern zahlt man die Lernmittel anteilig oder sogar vollständig.
Wir wissen, dass der Bildungserfolg bundesweit stark vom Einkommen und dem Bildungsstand der Eltern oder Sorgeberechtigten abhängt. Das hat uns nicht zuletzt die letzte PISA-Studie erneut eindrücklich aufgezeigt und das ist ein Baustein. Eine Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit in Sachsen-Anhalt wird das gesamte Problem nicht lösen, aber es wird immerhin etwas mehr Chancengleichheit für Kinder aus ärmeren Familien schaffen können.
Wir sind es den Kindern schuldig, dass wir sie in den Mittelpunkt unserer Bildungspolitik stellen. Kinder sind die Autobauerinnen, Architektinnen oder Handwerkerinnen von morgen. Kinder werden Wissenschaftlerinnen oder Ingenieurinnen. Die Kinder von heute sind auch die Politikerinnen von morgen. Wir sind es den Kindern in Sachsen-Anhalt schuldig, ihnen den bestmöglichen Zugang zu Bildung zu verschaffen, weil es unser Land nötig hat.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist dafür ein guter Anfang, genauso übrigens wie der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Wir Bündnisgrüne kämpfen darum, dass es in Zukunft in Sachsen-Anhalt wieder eine Lernmittelfreiheit gibt. Die ersten Schritte gehen wir gern gemeinsam; denn Lernmittelfreiheit muss das Ziel sein. Wir stimmen den Anträgen zu. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)