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Plenarsitzung

Transkript

Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bildung in Sachsen-Anhalt befindet sich in einer Krise. Das kann und muss man so nüchtern feststellen. Der Kern dieser Krise ist der anhaltende Lehrkräftemangel. Ja, diese Krise konnte man schon lange voraussehen und sie kam mit Ansage. Die Ursache dafür kennen wir alle: Der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern in unserem Bundesland ist ganz klar die Folge jahrelanger Sparpolitik insbesondere am Anfang der 2010er-Jahre.

Leider setzt sich diese Sparpolitik auch heute noch weiter fort. Anders kann ich es mir z. B. nicht erklären, warum nach all den Jahren, nach all den Demonstrationen der Grundschullehrerinnen und -lehrer vor unserem Landtag und nachdem es fast alle Nachbarbundesländer bereits umgesetzt haben, wir in Sachsen-Anhalt noch immer kein Einstiegsgehalt nach E 13/A 13 für das Grundschullehramt zahlen und uns auch heute dazu offenbar nicht bekennen wollen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Die GEW hat es heute früh in der Kälte vor dem Landtag sehr deutlich gemacht: Das hat konkrete Auswirkungen. Mehr als ein Drittel der hier ausgebildeten Grundschullehrkräfte hat in den letzten anderthalb Jahren unser Bundesland nach dem Studium verlassen

(Ministerin Eva Feußner: Falsch!)

- das sind die Zahlen der GEW  ,

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Weil sie von dort gekommen sind!)

ist in Länder gegangen, in denen nach E 13/A 13 bezahlt wird.

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Sie sind in die Länder zurückgegangen, woher sie kommen! - Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Genau! - Sven Rosomkiewicz, CDU: Meine Güte!)

Unsere Bildungsministerin hat einmal so schön gesagt, dass wir uns Lehrkräfte nicht backen könnten. Natürlich stimmt das, Frau Feußner, aber wir können etwas anderes machen. Wir können und müssen Anreize dafür setzen, dass sich junge Menschen, die in Halle an der Martin-Luther-Universität Grundschullehramt studieren, dafür entscheiden, danach in Sachsen-Anhalt zu bleiben. Um diesen Anreiz zu schaffen, ist es essenziell, dass wir Grundschullehrkräften ein Einstiegsgehalt nach E 13/A 13 zahlen, und zwar jetzt. Die Zeit drängt. Der Lehrkräftemangel ist akut und teils dramatisch.

Liebe Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, wir finden es auch irgendwie sehr nett, dass Sie bündnisgrüne Vorschläge aus der letzten Legislaturperiode weiterverfolgen. Ich rede jetzt über das mehrjährige Stufenmodell zur Einführung eines Einstiegsgehalts nach E 13/A 13 für Grundschullehrkräfte. Das war damals ein sinnvoller Kompromissvorschlag. Hätten wir es im Jahr 2019 umgesetzt, als wir es innerhalb der Koalition vorgeschlagen haben, wären wir in diesem Jahr beim Einstiegsgehalt nach E 13/A 13 für Grundschullehrkräfte in Sachsen-Anhalt angekommen. Aber jetzt, liebe Koalition, ist es zu spät für Stufenmodelle und Kompromisse. Wir brauchen E 13 und A 13 für Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer jetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Doch nicht nur die Rufe der Grundschullehrkräfte werden immer lauter, auch aus Blankenburg haben sich Eltern, Schülerinnen, Kommunalpolitikerinnen und Wirtschaftsvertreterinnen nach stark ansteigendem Unterrichtsausfall und großem Lehrkräftemangel an ihrer Schule zu Wort gemeldet und ganz klar das Bildungsministerium dazu aufgefordert: Bildung muss! Nun gibt es auch noch den Brandbrief des Magdeburger Stadtrates an die Landesregierung. Die sogenannte Magdeburger Erklärung sagt der Landesregierung und auch uns Parlamentarierinnen klipp und klar, dass die Bildung unserer Kinder uns alle etwas angeht.

Liebe Engagierte aus Blankenburg, lieber Stadtrat der Stadt Magdeburg und alle anderen, die mit aller Kraft gegen den Lehrkräftemangel kämpfen, die auch eigene Ideen entwickeln und einfordern, was unseren Kids nun einmal zusteht, ich versichere Ihnen an dieser Stelle, wir Bündnisgrüne stehen fest an Ihrer Seite, nicht wir allein, aber auch wir, und wir geben an dieser Stelle auch nicht auf.

Lieber Herr Ministerpräsident Haseloff, wir alle durften den Medien entnehmen, dass Sie den Lehrkräftemangel nun zur Chefsache erklärt haben. Ich bin froh darüber, dass Sie den Ernst der Lage jetzt erkannt haben. Viel zu lange standen Sie in meinen Augen tatenlos daneben. Natürlich wirft es jetzt die Frage auf, ob Sie Ihrer Bildungsministerin nicht mehr zutrauen, mit der Situation alleine klarzukommen. Aber auf Frau Feußner wurde gerade aus den eigenen Reihen in den letzten Wochen schon genug geschossen. Das muss ich an dieser Stelle nicht auch noch machen. Bei aller Kritik, Frau Feußner hat als Bildungsministerin den Lehrkräftemangel nicht ausgelöst.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das stimmt nicht!)

Herr Haseloff, Ihre Partei ist seit dem Jahr 2002 dauerhaft in der Regierung und stellt den Ministerpräsidenten. Die CDU war und ist maßgeblich an der Sparpolitik beteiligt, die unser Bildungssystem so marode gemacht hat und die Ursache des Lehrkräftemangels ist.

(Guido Kosmehl, FDP: Fünf Jahre waren Sie dabei!)

Selbst in der letzten Legislaturperiode, als wir Teil der Kenia-Koalition waren - danke, dass Sie es erwähnen, aber ich wäre dazu noch gekommen  , sind alle progressiven Vorschläge zur Verbesserung der Situation an Ihrer Fraktion gescheitert.

(Ulrich Thomas, CDU: Es gab doch gar keine Vorschläge!)

Ihr Vorschlag zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel in unserem Bundesland ist, dass Sie im Januar zu einem Schulgipfel einladen. Dazu möchte ich zunächst positiv sagen, ich begrüße es, Herr Haseloff, dass Sie mit diesem Gipfel Wege suchen wollen, um den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern in unserem Bundesland zu bekämpfen. Jetzt kommt das Aber: Die Zeit der Gipfel und der netten Gesten und die Zeit für sicherlich ernst gemeinte Worte ist vorbei. Wir alle kennen das Problem. Wir alle wissen, dass es nur mit einer Vielzahl von Maßnahmen zu lösen sein wird.

Nicht nur wir als Opposition haben Ihnen schon reichlich Lösungsansätze und Handlungsvorschläge auf den Tisch gepackt. Sachsen-Anhalt muss jetzt endlich handeln. Mit weiterreden, mit nur weiterreden, verlieren wir endgültig den Anschluss. Deswegen fordern wir als Bündnisgrüne Sie dazu auf: Wirken Sie auf Ihre Fraktion bitte ein, beenden Sie deren Blockadehaltung gegenüber der sofortigen Einführung von E 13/A 13 als Einstiegsgehalt für Grundschullehrkräfte. Sorgen Sie dafür, dass das Land genügend finanzielle Mittel dafür bereitstellt,

(Ulrich Thomas, CDU: Geld ist nicht die Lösung!)

dass es an jeder Schule in Sachsen-Anhalt eine Schulsozialarbeiterin oder einen Schulsozialarbeiter geben kann. Stärken Sie das Lehramtsstudium in unserem Bundesland; denn bisher konzentriert es sich allein aus politischen Gründen auf einen Standort in Sachsen-Anhalt. Führen Sie Sonderzahlungen für Lehrkräfte ein, die in bestimmten Fächern, Regionen oder Schulformen arbeiten wollen. Setzen Sie sich dafür ein, dass es für Schulen einfacher wird, flexibel Vertretungslehrkräfte einzustellen. Verbessern Sie die Bedingungen für den Seiteneinstieg in Sachsen-Anhalt. Es gibt bereits viele Ideen - diese und viele andere - und Vorschläge, um gegen den Lehrkräftemangel konsequent vorzugehen. Wir fordern Sie dazu auf, Herr Haseloff, genau das jetzt zu tun.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir wissen es alle, der Haushalt in Sachsen-Anhalt ist eng gestrickt. Doch wir können es uns nicht mehr leisten, ausgerechnet bei Bildung zu sparen; denn wer an Bildung spart, der spart an der Zukunft der jungen Menschen in Sachsen-Anhalt und der spart damit an der Zukunft unseres Landes. Für uns als Bündnisgrüne ist das ein absolutes No-Go; denn die Kinder und Jugendlichen in unserem Bundesland verdienen es, die bestmögliche Bildung zu erhalten.

Unser Land, die Unternehmen, die Universitäten, die Handwerkerinnen brauchen diese bestmöglich ausgebildeten jungen Menschen. Wir haben keine Zeit mehr zu reden. Wir wissen klar, was das Problem ist: der Lehrkräftemangel. Unter anderem wir Bündnisgrüne haben in den vergangenen Monaten konkrete Vorschläge gemacht und machen sie weiterhin, wie wir dieses Problem bekämpfen können.

Wir fordern die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen dazu auf, endlich zu handeln und den Lehrkräftemangel an der Wurzel anzupacken. Setzen Sie sich ernsthaft mit unseren und mit den anderen vorliegenden Vorschlägen auseinander. Vertun Sie nicht noch mehr Zeit. Erledigen Sie Ihren Job. Führen Sie die Bildung in Sachsen-Anhalt aus der Krise heraus. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Sziborra-Seidlitz, es gibt eine Frage von Herrn Thomas. Lassen Sie sie zu?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Gern.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Thomas, bitte. - Gern.


Ulrich Thomas (CDU):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin, Sie haben jetzt hier einen bunten Strauß von Forderungen formuliert, was wir im staatlichen Schulsystem machen sollten. Nun gibt es auch Kolleginnen und Kollegen unter uns, deren Kinder auf eine Privatschule gehen. Inwiefern würden Sie denn im Wettbewerb zu den Privatschulen unsere staatlichen Schulen einordnen? Wo sehen Sie persönlich den Stellenwert einer Privatschule, dass Sie sagen würden, also, ich würde meinen Kindern empfehlen, zu einer Privatschule zu gehen?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Deswegen gleich vorab: Meine Kinder besuchen staatliche Schulen. Es gibt Leute, die anderes behaupten. Das ist nicht wahr.

(Alexander Räuscher, CDU: Ein bisschen lauter! - Zuruf von CDU: Ja, ich habe es auch nicht verstanden!)

- Wir sind Quedlinburger. Wir wissen an der Stelle, worum es geht.

(Alexander Räuscher, CDU: Ja, aber wir wollen es auch hören!)

Ich glaube, dass die Privatschulen an vielen Stellen eine sinnvolle und gute Ergänzung für das staatliche Schulsystem sein können. Sie schaffen Bildungsangeboten in Bereichen - das meine ich räumlich und inhaltlich  , in denen staatliche Schulen kein Angebot haben. Ich sehe das nicht in Konkurrenz, sondern tatsächlich in Ergänzung.

Die Frage, ob ich meine Kinder auf Privatschulen schicken würde, das habe ich ja gerade schon erklärt: Ich finde staatliche Schulen durchaus angemessen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Thomas, ganz kurz.


Ulrich Thomas (CDU):

Der guten Ordnung halber für das Protokoll: Ich habe Sie nicht gefragt, wo Ihre Kinder zur Schule gehen. Das haben Sie mir jetzt


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Unterstellt.


Ulrich Thomas (CDU):

unterstellt. Dagegen verwahre ich mich. Wir wollen hier nicht persönlich werden. Ich habe Sie nur gefragt,

(Unruhe bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

- ja, das habe ich nicht gefragt  , wo Sie Privatschulen im Wettbewerb zu den staatlichen Schulen sehen. Darauf lege ich schon Wert; denn persönlich, glaube ich, sollten wir hier nicht werden.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Vielen Dank dafür, vielen Dank auch für die Ergänzung, dass wir nicht persönlich werden sollten. Das bin ich in den letzten Tagen - nicht von Ihnen; explizit nicht von Ihnen - hier im Hohen Haus nur nicht mehr gewöhnt, dass man nicht persönlich wird. Deswegen entschuldigen Sie den kleinen Ausflug.