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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 9

Aktuelle Debatte

Kostenschock Krankenversicherung! Ursachen beim Namen nennen und Gegenmaßnahmen ergreifen.

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/4695


Die Redezeit beträgt, wie immer, zehn Minuten. Folgende Redereihenfolge ist festgelegt worden: AfD, CDU, Die Linke, FDP, GRÜNE, SPD. Herr Siegmund führt ein. - Bitte sehr. 

(Beifall bei der AfD)

Sie haben das Wort. 


Ulrich Siegmund (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuell flattern Millionen Briefe in deutsche Haushalte, und zwar mit einer unschönen Nachricht. Viele werden schon einen solchen Brief bekommen haben. Viele werden ihn garantiert in den nächsten Tagen bekommen. Wir werden eine gigantische Kostensteigerung bei der Krankenversicherung erleben, und zwar in einem wirklichen historischen Ausmaß. Das muss man einmal so sagen. 

Genau das möchten wir hier heute thematisieren; denn es bringt viele Menschen wirklich an den Rand der Verzweiflung. In diesem Land ist es inzwischen Realität, dass alles   wirklich alles!   immer teurer wird. Gleichzeitig bleibt aber immer weniger Geld übrig, ganz einfach weil die Sozialversicherungsbeiträge in Sphären vordringen, die früher in diesen Größenordnungen eigentlich undenkbar waren. Ich prophezeie schon jetzt, dass der größte Hammer noch kommen wird, und zwar bei der Rentenversicherung und bei der Pflegeversicherung. Es ist einfach mathematische Gewissheit. Aber darüber werden wir in den nächsten Jahren auf jeden Fall noch sprechen, obwohl wir es schon jetzt hätten ändern können. 

Wir möchten heute über etwas sprechen, das jetzt real ist. Das habe ich gerade gesagt. Die Briefe mit der Mitteilung über die Erhöhung des Zusatzbeitrages der gesetzlichen Krankenversicherung werden gerade zugestellt. Das möchten wir nicht. Es ist politisch gemacht. Darum soll es heute gehen. Auch die entsprechenden Lösungen sind damit verbunden. 

Zunächst zu den reinen Zahlen, Daten, Fakten, damit jeder überhaupt weiß, was auf ihn zukommt. Wir reden über eine durchschnittliche Steigerung des Zusatzbeitrages um 0,8 Prozentpunkte. Viele werden jetzt sagen: 0,8 Prozentpunkte - das klingt sehr wenig. Aber das macht für einen Durchschnittsverdiener in unserem Land einfach einmal eine Steigerung um 300 € im Jahr aus. Das ist für viele Menschen in diesem Land sehr, sehr viel Geld. 

Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer könnten sich mit diesem Geld viel bessere Sachen vorstellen, als ein System weiter zu finanzieren, bei dem sie seit vielen Jahren überhaupt keine Verbesserung feststellen. Wer in den letzten Jahren Verbesserungen hat feststellen können, der soll mir sie einmal zeigen. Ich will einmal sehen, wo man schneller zum Arzt kommt, wo man schneller Termine bekommt. Das ist leider nicht der Fall.

Wir als AfD-Fraktion möchten heute über die wirklichen Ursachen sprechen, auch über das, was viele nicht aussprechen möchten, weil es vielleicht nicht politisch korrekt ist, und auch die entsprechenden Lösungen unterbreiten. Eines muss man sagen: Wir reden auf der einen Seite über die Finanzen. Auf der anderen Seite reden wir aber auch über die Gesundheit. Wir haben einfach keine Zeit mehr. Wir müssen politisch handeln. 

Warum nehmen wir uns heraus zu sagen, dass das politische Willkür ist, dass das politisch gemacht ist? - Das zeigt ein Blick über den Tellerrand hinaus. Deutschland hat einfach einmal die zweithöchsten Ausgaben für die Gesundheit in der gesamten Welt. Wir geben ungefähr 13 % unseres BIP, unseres Bruttoinlandsprodukts, für diesen Bereich aus. Das ist Platz 2 in der gesamten Welt. Viele andere Länder, bspw. die skandinavischen, aber auch Länder im europäischen Umland, zeigen: Eine bessere medizinische Versorgung könnte preiswerter sein. Wir gucken einmal hin, warum das dort so ist. 

Erstens. In meinen Augen der größte Grund, warum wir in diese Schieflage gekommen sind   das muss man bei jeder Debatte immer wieder aussprechen, auch wenn es wenig gemacht wird  : Es ist einfach die demografische Katastrophe, die wir in diesem Land haben und die seit mindestens 20, 30 Jahren mathematisch absehbar war. Wir haben es hier in diesem Bundesland seit der Wende nicht hinbekommen, eine kostenlose Kita-Versorgung einzuführen, kostenloses Schulessen anzubieten. Wir haben eine familienfeindliche Politik in diesem Land. Das muss ich ganz klar so sagen. 

(Beifall bei der AfD)

Das ist ein maßgeblicher Grund für diese Situation. Wir haben es einfach als reine Faktenlage: Immer weniger junge Menschen müssen für immer mehr ältere Menschen aufkommen. Egal wie man das dreht oder wendet, es funktioniert einfach logistisch nicht. Ein älterer Mensch geht statistisch gesehen häufiger zum Arzt, häufiger in das Krankenhaus, aber es gibt immer weniger junge Menschen, die das logistisch bewerkstelligen können. Das ist reine Faktenlage in diesem Land. Ihre vermeintliche Lösung der Zuwanderung ist Blödsinn. Es ist mit weiteren Problemen verbunden. Es ist keine langfristige Lösung. Die einzige langfristige Lösung ist eine gesunde Demografie. Das geht nur über eine gesunde Familienpolitik und auch nur mit der AfD. 

(Beifall bei der AfD)

Deswegen finde ich es schade, dass die Menschen noch zwei Jahre warten müssen, nämlich bis zur Regierungsübernahme im Jahr 2026, bis wir endlich einmal eine kostenlose Kita-Versorgung in Sachsen-Anhalt umsetzen können. 

(Andreas Silbersack, FDP, lacht)

Zweitens. Das zweite große Problem   das ist auch einer der größten Unterschiede zu allen anderen Nationen auf der Welt   ist der große Elefant im Raum. Jeder von Ihnen weiß, dass er da ist. Aber die meisten trauen sich nicht, es auszusprechen, weil es politisch unbequem ist. Wir machen das. Ich mache es sowieso; das wissen Sie alle. Es ist einfach das Problem, dass wir viel zu viele Menschen in unserem System haben, die nicht einzahlen, die nichts zurückgeben möchten und die dort einfach nicht hingehören. Das ist Faktenlage. Das möchte ich heute einmal mit Zahlen untermauern. 

Ein Mensch in Deutschland produziert für das Gesundheitswesen im Durchschnitt Kosten in Höhe von ungefähr 6 000 € pro Jahr. Wir haben allein im Bürgergeld 2,6 Millionen Menschen ohne eine deutsche Staatsbürgerschaft. An dieser Stelle stelle ich mir ganz klar die Systemfrage: Was haben diese Menschen im Bürgergeldbezug zu suchen? Wie ist das überhaupt möglich, dass wir eine solche Größenordnung haben? Und für uns die wichtigste Frage: Wie holen wir die so schnell wie möglich dort heraus? Das ist die entscheidende Frage dahinter.

(Beifall bei der AfD)

Allein bei diesem Bereich sprechen wir über Kosten in Höhe von 13 Milliarden € - nur dafür 13 Milliarden €! Dort sind noch nicht einmal die Asylbewerber dabei. Die kommen noch hinzu, weil sie nämlich über das Asylbewerberleistungsgesetz, auch im Bereich des Gesundheitswesens, über Steuern finanziert werden. Stellen Sie sich einmal vor   Sie alle wissen, die Gesundheitskosten werden nicht nur über die Kasse, sondern auch über den Gesundheitsfonds über Steuermittel finanziert  , wie viel Entlastung für die Beitragszahler, für die deutschen Bürger, für die Steuerzahler in diesem Land möglich wäre, wenn wir diese Mittel umschichten würden.

Wir sprechen hier über gigantische Summen. 

Drittens. Die Leistungsfeindlichkeit des Systems. Dazu muss man auch ganz ehrlich sagen: Wir versenken Unmengen von Mitteln aufgrund fehlender Effizienz, aber auch aufgrund von Leistungsfeindlichkeit. Wir haben ja nicht nur die 2,6 Millionen nichtdeutsche Bürger im Bürgergeldbezug, sondern wir haben noch einmal 2,9 Millionen Deutsche im Bürgergeldbezug. Hierbei haben wir das Problem, dass dieses Geld eigentlich für Menschen gedacht ist, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, z. B. durch Krankheit oder Unfall, und das war es. Wer dem Staat ins Gesicht sagt: „Ich möchte nicht arbeiten gehen, obwohl ich es könnte“, dem sollte man den Hahn abdrehen. Das in Kombination mit den anderen Summen sind gigantische Größenordnungen, über die wir hier reden, die aber andere Beitragszahler jeden Monat mitfinanzieren müssen.

(Beifall bei der AfD)

Deswegen haben wir auch solche Kostensteigerungen. Das ist die Faktenlage.

Viertens. Wir haben ein sehr ineffizientes System. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, an dem wirklich jeder versteht, was für ein wirres System wir eigentlich in der medizinischen Versorgung in Deutschland haben. Ein Gastroenterologe bekommt für eine Darmspiegelung etwa 170 €, 175 € extrabudgetär. Das heißt, er kann die Leistung so oft erbringen, wie er es für richtig hält, wie der Patient es braucht. Eine Magenspiegelung bringt nur 65 €. Diese ist budgetiert, d. h. gedeckelt. Die Krankenkasse sagt dann irgendwann, du hast jetzt die Summe x an Magenspiegelungen gemacht, jetzt ist Schluss. Jetzt bekommst du nur noch die Hälfte, also ungefähr 40 €. Was sagt sich der Gastroenterologe? - Dann konzentriere ich mich auf die Darmspiegelung. Das führt dazu, dass wir in diesem Land Wartezeiten für eine Darmspiegelung von zwei bis drei Monaten und für eine Magenspiegelung von sechs bis neun Monaten haben. Das ist die Folge dieser theoretischen Betrachtung der medizinischen Versorgung in diesem Land. 

Dem Patienten ist das völlig egal. Er will nur gesund werden oder gesund bleiben. Das zeigt eines: Die medizinische Versorgung in diesem Land orientiert sich nicht am Wohl des Patienten, sondern an dem, was irgendwo auf dem Schreibtisch gut für die Zahlen ist. 

(Zuruf von der AfD: Stimmt!)

Das ist langfristig ein riesengroßes Problem, denn die beste Krankheit, sowohl finanziell als auch moralisch für den Menschen, ist die Krankheit, die so früh wie möglich erkannt wird, damit sie gar nicht erst ausbricht, was auf der einen Seite unzählige Summen an Steuereuros sparen und auf der anderen Seite Menschen vor unsäglichem Leid bewahren könnte. 

Deshalb lautet unser Lösungsansatz: Die medizinische Versorgung darf sich nur noch an einer Frage orientieren: Was ist das Beste für die Menschen, was ist das Beste für die Gesundheit? Und nicht: Wo ist irgendein Budget erschöpft? Das ist ganz, ganz wichtig. Ich hoffe, dass vielen hier die Augen geöffnet wurden. Vielleicht sieht das auch jemand, der gerade auf solch einen Termin wartet, der gerade in Sachsen-Anhalt neun Monate auf eine Magenspiegelung warten muss: Das ist der Grund. Das ist ein politischer Grund.

Fünftens. Die Versorgung mit Medikamenten. Das haben wir unzählige Male beantragt. Wir wollen sie hier im Land. Warum? - Deutschland war einmal die Apotheke der Welt. Wir haben unzählige Innovationen für die Welt geliefert, wir haben die Welt mit Medikamenten versorgt. Aber wie ist es jetzt? - Genau umgekehrt. Wir haben uns abhängig gemacht vom Weltmarkt. Wir haben uns abhängig gemacht von Importen, vor allem aus Asien. Das führt dazu, dass wir erpressbar sind, dass wir gigantische Mittel hierfür bereitstellen müssen, allein jetzt mehr als 10 % Kostensteigerung für Arzneimittel. Das führt auch dazu, dass wir Arzneimittelengpässe haben. Deshalb: Auch hierbei müssen wir leider bis zum Jahr 2026, bis zu einer Regierungsverantwortung der AfD in Sachsen-Anhalt, warten, bis wir hier in Sachsen-Anhalt, hier in Deutschland wieder eine eigene Arzneimittelversorgung sicherstellen können. Es gibt nicht nur Intel. Es gibt nicht nur Großkonzerne. Es gibt auch einen pharmazeutischen Mittelstand, den wir hier in Sachsen-Anhalt unterstützen möchten, damit wir uns unabhängig machen und auch hier die Beitragszahler entlasten können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Man sieht also, die Ursachen dafür, dass wir einen solchen Beitragsschock haben, sind nicht das eine, sie sind nicht das andere. Das gebe ich ganz offen zu. Es ist eine Mischung von vielen Faktoren. Aber es sind nennenswerte Dinge, die man einfach anpacken könnte, wenn man politisch wollte. 

Die Lösungsansätze habe ich eben kurz und knapp skizziert. Wir können sie gerne ausführlicher besprechen. Aber das sind die Ursachen für die Schieflage in diesem Land. Wir reden hier, wie gesagt, natürlich über Geld, wir reden hier aber auch über gesundheitliche Versorgung. 

Deshalb, meine sehr geehrten Damen Herren, lassen Sie uns keine Zeit verlieren, lassen Sie uns wirklich nicht nur reden, sondern handeln. Die Optionen liegen auf dem Tisch. Wir reichen allen die Hand, die hier konstruktiv mit uns zusammenarbeiten wollen. Das sollten wir für die Menschen in diesem Land tun.    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Siegmund, es liegt eine Wortmeldung des Kollegen Pott vor. Wollen Sie die Frage zulassen? - Bitte sehr.


Ulrich Siegmund (AfD):

Gerne.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Bitte sehr.


Konstantin Pott (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Siegmund, Sie haben gerade in Ihrer Einführung Beispiele gebracht, wo aus Ihrer Sicht das Gesundheitssystem besser funktioniert und weniger Geld dafür ausgegeben wird, Sie haben die skandinavischen Länder als Beispiel genannt. Die Ausschussreise nach Dänemark ist noch nicht so lange her. Da haben wir uns das Ganze angeschaut. Eine nüchterne Zustandsbeschreibung ist, dass es in Dänemark pro Kopf deutlich weniger Krankenhäuser gibt als in Deutschland oder in Sachsen-Anhalt. Stimmen Sie mir zu, dass es einen gewissen Zusammenhang zwischen Kosten und Anzahl der Krankenhausstandorte gibt? Und: Heißt das, dass sich die AfD jetzt für die Schließung einzelner Krankenhausstandorte einsetzt? 

(Zuruf: Sehr gut!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie dürfen antworten. 


Ulrich Siegmund (AfD): 

Ich muss erst einmal feststellen, dass Sie schon einmal kreativer dabei waren, mir etwas in den Mund zu legen. Das war jetzt nicht der Fall. 

(Zuruf: Nein, das war nicht der Fall!)

- So interpretiere ich das jetzt. - Wir als AfD sprechen uns ganz klar - ich freue mich, dass ich hier noch einmal die Gelegenheit habe, das deutlich zu machen - für eine wohnortnahe Grundversorgung aus.

(Zurufe von der FDP)

Ich möchte nicht, wenn ich mir mit der Kettensäge ins Bein schneide, 30, 35 Minuten mit dem Rettungswagen durch die Gegend fahren,

(Zuruf von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

bis mir irgendwann jemand hilft, meine Blutung zu stillen; das darf nicht sein.

(Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Das kostet Geld! Das ist nicht umsonst!)

Bei Herzinfarkten ist es genau das gleiche.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Ich erwarte aber nicht, dass ich mir in Hintertupfingen an fünf verschiedenen Standorten ein Hüftgelenk einsetzen lassen kann. Das brauchen wir nicht. Das kann man konzentrieren. Das sind spezialisierte Behandlungen, die man planen kann, auf die man sich vorbereiten kann, die man durchaus konzentrieren kann - selbstverständlich. 

(Zuruf von der AfD: Eben!)

Was Herr Lauterbach jetzt macht, ist aber genau das Gegenteil. Er gefährdet die wohnortnahe Grundversorgung. Das wollen wir nicht. Da spielen wir nicht mit. 

Aber das gibt mir die Gelegenheit, in 20 Sekunden noch einen Fakt zu nennen, was ich jetzt zeitlich nicht geschafft habe. Es gibt noch einen anderen Grund, warum das in den skandinavischen Ländern signifikant besser ist. Ein Deutscher geht durchschnittlich 5,9 Mal im Jahr zum Arzt, ein Schwede 2,7 Mal. 

Das liegt auch daran, dass wir in Deutschland völlig erodierte Familienstrukturen haben. Es ist kein Geheimnis, dass viele Menschen aus psychologischen Gründen zum Arzt gehen, um Kontakte zu finden, um dort Dinge zu besprechen, die nicht unbedingt medizinisch notwendig sind oder die man auch anders lösen könnte. Das ist ein allgemeines gesellschaftliches Problem, was die in diesen Ländern besser machen, wo sie besser zusammenhalten, was ich mir auch bei uns wünschen würde. Ich sage, dabei kann man viel voneinander lernen. Dabei können wir aber auch aus unserer eigenen Historie lernen, weil die Familie immer ein elementarer Grund war, warum unser Land so erfolgreich war. - Danke schön.