Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte es gleich an den Anfang stellen: Ich bin sehr stolz, dass wir Liberale mit Lydia Hüskens als unsere Ministerin in der Lan-desregierung Nein gesagt haben und dass es deshalb zur Enthaltung im Bundesrat kam, weil für uns das Thema Glaubwürdigkeit von essenzieller Bedeutung ist, meine Damen und Herren.
Es ist eine Situation, in der wir einen finanzpolitischen Dammbruch von historischem Ausmaß erle-ben. SPD, CDU und GRÜNE haben im Bund nichts Geringeres getan, als die Schuldenbremse auszu-hebeln, um sich ein 500 Milliarden € Sondervermögen zu genehmigen - auf Pump, mit Ansage, mit dem Segen einer Verfassungsmehrheit, als wäre Haushaltsdisziplin ein nettes Relikt aus der Vergan-genheit. Man nennt das in Berlin Investitionen in die Zukunft, ich nenne es Generationenbetrug mit parlamentarischem Gütesiegel.
(Beifall bei der FDP)
Bevor überhaupt ein einziger Cent aus diesem Schuldenpaket ausgegeben wird, sollten sich CDU und SPD die Frage stellen, warum wir eigentlich nicht zuerst beim Staat selbst sparen.
(Zustimmung bei der FDP)
Es gibt mehr als 700 Bundesbehörden - ohne die Bundeswehr. Das sind Ministerialverwaltungen, Bundesanstalten, Ämter, Agenturen, Institute, Beauftragte
(Zurufe - Unruhe)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Das sind zum Teil ihre eigenen Fraktionskollegen. Deswegen halte ich mich jetzt einmal zurück, Herr Silbersack. Sie haben das Wort, bitte.
Andreas Silbersack (FDP):
oft mit Tausenden Mitarbeitern und Haushalten in Millionenhöhe. Viele davon arbeiten mit überlap-penden Zuständigkeiten, manche doppeln sogar Landesaufgaben. Nicht wenige könnten längst ver-schlankt, zusammengelegt oder ganz gestrichen werden.
Wir Freien Demokraten haben konkrete Vorschläge gemacht. Das Eisenbahnbundesamt etwa könnte vollständig in eine zentrale Verkehrsagentur integriert werden. Die statistischen Ämter der Länder und das Statistische Bundesamt arbeiten vielfach parallel - warum nicht zentralisieren und Ressour-cen bündeln? Das Beschaffungsamt im Innenministerium, zuständig für alles von Büroklammer bis Einsatztechnik, arbeitet neben anderen Beschaffungsbehörden. Die Deutsche Energieagentur agiert längst wie ein halbstaatlicher Think Tank mit PR-Auftrag; das könnte der Markt regeln. Selbst der Deutsche Wetterdienst könnte mit der heutigen Daten- und Satellitentechnik in ein öffentlich kon-trolliertes, aber privatwirtschaftlich geführtes Modell überführt werden. Das sind nur Beispiele.
Die Wahrheit ist: Wir brauchen keinen aufgeblähten Behördenstaat, der seine eigenen Strukturen verwaltet; wir brauchen einen Staat, der seine Kernaufgaben erfüllt -
(Beifall bei der FDP)
schnell, effizient und digital. Ja, das heißt auch: digitalisieren, automatisieren, auf den Prüfstand stel-len. Wir brauchen keine Kettensäge, aber wir brauchen eine Heckenschere.
(Beifall bei der FDP)
Was kann weg? Was gehört zusammengelegt? Was macht den Markt besser? Nur wer bereit ist, sol-che Fragen zu stellen, kann glaubwürdig über seine Ausgaben sprechen. Doch ganz ehrlich: Ich sehe bei der großen Koalition keinen politischen Willen, diesen Staat auch nur um ein einziges überflüssi-ges Amt zu verschlanken; stattdessen: Schulden, Schulden, Schulden.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
Es lohnt aber auch ein Blick auf die Wunschliste der SPD. Denn wer glaubt, dass es bei der Aufwei-chung der Schuldenbremse bleibt, der irrt. Die Rechnung für das 500-Milliarden-€-Sondervermögen wird, wenn es nach der SPD geht, nicht etwa durch Einsparungen oder durch strukturelle Reformen bezahlt, sondern durch neue und höhere Steuern - gegen die Leistungsträger, gegen den Mittelstand,
(Zuruf von der SPD)
gegen diejenigen, die täglich zur Arbeit fahren und dieses Land am Laufen halten.
Die Botschaft ist klar: Wer sich anstrengt, der wird zur Kasse gebeten. Der Spitzensteuersatz soll auf 47 % steigen und bereits ab einem Jahreseinkommen von 83 000 € greifen. Die Reichensteuer soll auf 49 % erhöht werden. Die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden und Aktien-gewinne soll 25 % auf 30 % angehoben werden. Sogar eine Wiedereinführung der Finanztransakti-onssteuer ist geplant. Hinzu kommen Pläne zur Reaktivierung der Vermögensteuer und zur Auswei-tung der Immobilienbesteuerung. Gewinne aus Immobilien sollen auch nach zehn Jahren noch ver-steuert werden. Wer ein bisschen Ahnung davon hat, den erschaudert es dabei.
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
All das alles zeigt: Die SPD plant, die Finanzierung milliardenschwerer Sondervermögen über neue, höhere Steuern zu sichern - auf dem Rücken der Mitte der Gesellschaft. Das ist weder generationen-gerecht noch wirtschaftlich vernünftig.
Als Freie Demokraten sagen wir klar: Wir brauchen keine Steuererhöhungen, sondern wir brauchen Ausgabendisziplin und eine Politik, die Leistung belohnt, statt sie zu bestrafen.
Die CDU mit Friedrich Merz - der Mann, der der Nation versprochen hat, dass mit ihm keine Aufwei-chung der Schuldenbremse kommt und sich wirtschaftspolitisch bürgerlich gibt - liefert eine Politik, wie sie linker kaum sein könnte:
(Zuruf von der AfD: Genau!)
Schuldenausweitung, Sozialstaatsabbau und wahrscheinlich auch noch Steuererhöhungen. Man hat das schwarze Tuch über die roten Zahlen gelegt und hofft, niemand schaut genauer hin. Das ist keine bürgerliche Kost, das ist rot lackierte Planwirtschaft, meine Damen und Herren.
(Ui! von der AfD - Zurufe von der CDU)
Als wäre das nicht genug, bekommt man beim Blick auf die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD das Gefühl, es fehlt nicht nur an Geld, sondern auch an Haltung. In der Migrationspolitik bleibt es scheinbar beim Formelkompromiss: keine Steuerung, keine Rückführungsoffensive, keine mutige Neuausrichtung. Dabei wissen wir: Ohne klare Regeln gibt es keine Integration, ohne Priorisierung keine gesellschaftliche Akzeptanz. Wer arbeiten will, der muss schnell reinkommen. Wer sich verwei-gert, der muss konsequent gehen. - So einfach und so schwierig ist es.
In der Wohnungspolitik herrscht das übliche Mantra: Regulierung, Mietpreisbremse, sozialer Woh-nungsbau. Aber keine einzige Maßnahme, um privaten Neubau in Schwung zu bringen: keine Entbü-rokratisierung, keine Abschreibungsanreize, kein Eigentumsprogramm für junge Familien.
Und beim Verkehr? - Man eiert weiter rum. Die Maut will man nicht ausschließen, das Tempolimit könnte kommen, das Deutschlandticket wird teurer - für Pendler und den Mittelstand. Wir sehen, dass die große Koalition keine Strategie hat. Es ist eine Aneinanderreihung von Auseinandersetzun-gen ohne Lösungen.
Wie gehen wir jetzt in Sachsen-Anhalt damit um? Jetzt sollen wir brav klatschen, weil der Bund seine Haushaltssorgen mit der Gießkanne überdeckt? Plötzlich regnet es Geld, finanziert auf Pump, und wir Länder sollen uns dafür bedanken, dass wir im großen Verschuldungsroulette der Republik mitspie-len dürfen?
(Olaf Meister, GRÜNE: Sie können sich weigern!)
Wer in Berlin Maß und Mitte verliert, dem müssen wir nicht noch die Absolution erteilen. Wir sind auch nicht der Beifallklatscher für Berliner Haushaltsabenteuer, wir sind das Gegengewicht.
(Olaf Meister, GRÜNE: Sie können sich dem verweigern!)
Wir Freien Demokraten stehen für wirtschaftliche Vernunft, für Respekt vor dem Steuerzahler, für ei-ne Finanzpolitik, die klar besagt: Alles was wir tun, muss sich für unser Land lohnen. Denn wir stehen in der Verantwortung für unser Land. Das heißt auch, dass wir das Geld nehmen, wenn es verteilt wird - aber nicht blind,
(Ah! von Olaf Meister, GRÜNE - Zurufe von der CDU, von der SPD und von der Linken)
nicht dankbar, aber mit klarem Blick und klarem Anspruch. Wir werden jeden Euro auf Wirkung, Sinn und Zukunft prüfen. Kein Cent für Symbolpolitik! Kein Projekt ohne Substanz!
Wir, die Liberalen, machen keine Schulden, um Probleme zuzudecken. Wir investieren, um diese zu lösen mit Verstand, mit Haltung
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
und mit dem Mut, Nein zu sagen, wenn es sein muss - so wie es unsere Ministerin getan hat.
(Zurufe - Unruhe)
Für uns gilt: kein Cent ohne Wirkung, keine Investitionen ohne Sinn, kein Staat ohne Grenzen. - Vie-len Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Es gibt zwei Fragen, Herr Silbersack. - Fangen wir mit Herrn Gürth an. - Herr Gürth, Sie haben das Wort, bitte sehr.
Detlef Gürth (CDU):
Von mir sehr geschätzter Kollege Silbersack, wir sind in so vielen Dingen ganz dicht beieinander. Mir hat - das muss ich jetzt loswerden - sehr gefallen, was Sie zu Beginn Ihrer Rede gesagt haben, was die prinzipielle Notwendigkeit der Verschlankung der Bundesbehörden betrifft. Das finde ich toll.
Dann habe ich schnell noch einmal nachgeguckt und würde gern wissen, wie Sie das einordnen: Die Ampel unter Beteiligung der FDP hat den Aufwuchs der Bundesbehörden so stark beschleunigt, wie es noch nie in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik der Fall war. In den drei Jahren Ampel ist die Zahl der Mitarbeiter in den Bundesbehörden um 8 % angestiegen; netto sind das 1 628 mehr als vor der Ampel. Ist diese Erkenntnis neu oder war das ein Fehler der Ampel?
Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrter, geschätzter Kollege Gürth, die Haltung hat sich nie geändert. Die Liberalen waren im-mer für einen schlanken Staat. Das war in der Vergangenheit so, das ist in der Zukunft so. Wir haben versucht - jeder im Land hat das mitbekommen , diese Ampel-Koalition zu halten, aber irgendwann ging es nicht mehr. Das hing auch damit zusammen, dass es auch dort ausuferte. Wir brauchen einen schlanken Staat, keinen breiteren Start.
(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)
Deshalb ist es klar und wichtig, dass wir diese Glaubwürdigkeit nach vorn tragen, auch wenn wir, wie jetzt gerade geschehen, aus dem Bundestag rausfliegen. Aber was uns wichtiger ist als Posten und Pöstchen, ist die Glaubwürdigkeit.
(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Jetzt ist jetzt Herr Heuer an der Reihe. - Bitte, Herr Heuer.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Unruhe)
Guido Heuer (CDU):
Sehr geehrter Herr Kollege Silbersack, auch ich habe eine Frage. Bleiben Sie mal schön vorn.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Das entscheidet er selber, Herr Heuer.
Guido Heuer (CDU):
Er muss die Frage nicht beantworten, aber das macht er doch gern.
(Unruhe)
Jetzt mal Butter bei die Fische, Herr Silbersack: Wer hat denn in Berlin in der Ampel für einen KTF und ein Heizungsgesetz gestimmt? Wer hat das getan?
(Zurufe von der CDU, von der FDP und von der AfD - Unruhe)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Die Frage von Herrn Heuer ging an Herrn Silbersack. Wenn die beiden Kollegen Parlamentarische Ge-schäftsführer der CDU und der FDP ein Problem miteinander haben, können sie bitte den Raum ver-lassen. Ansonsten würde ich Herrn Silbersack gern die Gelegenheit geben, die Frage von Herrn Heuer zu beantworten. - Bitte.
Andreas Silbersack (FDP):
Im Jahre 2021 hat sich diese Koalition als Fortschrittskoalition zusammengetan. Jeder hat versucht, Kompromisse zu schließen, wie wir das auch in dieser Deutschland-Koalition erfolgreich tun. Deshalb haben wir uns auch hierzu der Stimme enthalten.
Nichtsdestotrotz bleibt unsere Richtung diesbezüglich doch völlig klar. Gerade was Klimaprojekte, die 100 Milliarden € und Posten und Pöstchen betrifft, haben wir eine klare Haltung. Aber das ändert doch nichts an unserer Grundausrichtung. Ich bitte, das einfach zu berücksichtigen. - Vielen Dank.