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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Falko Grube (SPD):

Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin der antragsstellenden Fraktion außerordentlich dankbar dafür, dass sie das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt hat, weil das, was als Referentenentwurf durch Gegend geistert, Sprengkraft hat. Der Minister hat gesagt, es sei nur ein Referentenentwurf. Ich muss trotzdem einmal zur B-Note kommen,

(Lachen bei der CDU)

zumal wir in den letzten beiden Tagen ein Politiktheater für Fortgeschrittene erlebt haben. Der Kollege Habeck stellte sich am Montag und am Dienstag vor die Kameras und sagte, die bösen anderen hätten das geleakt. - Es ist doch klar, wer das herausgegeben hat. Das ist aus seinem Haus gekommen. Das war der Testballon. Damit sollten Tatsachen geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Oh! bei den GRÜNEN)

Jetzt ist das Ganze schiefgegangen, die Debatte ist da und sie ist zu Recht da. Ich möchte an die Diskussionen von vor einem halben Jahr erinnern, als wir in diesem Hohen Haus darüber diskutiert haben, wie wir es schaffen, über den Winter zu kommen und genügend Gas in die Gasspeicher zu bekommen, und wie wir es schaffen, dass die Leute daran nicht pleitegehen.

Die Bundesregierung ist dann losgegangen, hat LNG gekauft, hat schnell die Terminals gebaut, hat eine Gaspreis- und eine Strompreisbremse beschlossen, damit der Grundsatz gelten kann: Niemand muss frieren und niemand geht daran wirtschaftlich kaputt.

Trotz dieses Grundsatzes, dass wirtschaftlich niemand daran kaputtgeht, wissen wir, dass es für ganz viele Leute schwer gewesen ist.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der CDU und bei der FDP

Die Gaspreis- und Strompreisdeckel haben zwar gewirkt, aber teuer ist es trotzdem geworden. So mancher hat mit einem Pullover im Wohnzimmer gesessen, weil er lieber eine Raumtemperatur von lediglich 19°C hatte, als die trotz Strompreisdeckel hohen Kosten zu tragen.

Jetzt gibt es einen Gesetzentwurf. Ich nenne das Ding so, weil der Staatssekretär Wenzel am Wochenende in der „Zeit“ coram publico seinen roten Haken daran gesetzt hat. Er hat gesagt: Das ist alles richtig; das soll der Gesetzentwurf sein. Deswegen werden wir uns darüber unterhalten müssen.

Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf darf so nicht Wirklichkeit werden.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Denn weder die Fachkräfte noch die Anlagen sind vorhanden, um ab dem 1. Januar 2024 flächendeckend die Heizungsanlagen auszutauschen. Das Prinzip „Augen zu und durch“ macht weder die Wohnung noch das Badewasser warm.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung muss sich entscheiden. Sie hat sich schon einmal entschieden. Sie hat gesagt, wir brauchten pro Jahr 400 000 neue Wohnungen. Und das stimmt. Wir haben Regionen in dieser Republik, wo man keine preiswerten, bezahlbaren Wohnungen mehr findet, wo man zum Teil jahrelang auf neue Wohnungen wartet und wo man, auch wenn man Kinder hat, in einer Zweiraumwohnung wohnen muss. Sie alle kennen diese Geschichten. Deswegen ist es richtig, dass das Ziel besteht, 400 000 Wohnungen im Jahr zu bauen.

Man muss sich entscheiden, was die Leute, die die Wohnungen bauen, machen. Bauen sie Wohnungen oder bauen sie die Heizung um? Eines davon geht nur.

(Lachen und Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen packe ich auf die Forderungen des Ministers noch eine drauf, nämlich die, dass bei dem Gesetzentwurf nicht nur eine Gesetzesfolgenabschätzung durchgeführt wird, sondern auch eine Abschätzung im Hinblick auf die Kapazitäten.

Wenn Sie sich das Interview von Herrn Wenzel, dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, anschauen, dann werden Sie feststellen, dass er auch danach gefragt wird. Seine Antwort darauf ist, man müsse Genehmigungsverfahren vereinfachen.

Sie bekommen die Hände von Handwerkerinnen und Handwerkern nicht durch Genehmigungsverfahren ersetzt, meine Damen und Herren; das funktioniert nicht.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich bleibe beim Fachkräftemangel. Einen Fachkräftemangel gibt es nicht nur auf der Seite derer, die Anlagen errichten, sondern auch auf der Seite derer, die Hausbesitzer darüber beraten, was die beste Lösung ist und wie sie diese realisieren. Wenn es um einen einfachen Austausch geht und wenn klar ist, wie die technische Lösung ist, dann kann das der Handwerksmeister vor Ort machen - keine Frage  , aber es nicht immer so einfach. Sie können nicht in jeder Immobilie, die 100 oder 200 Jahre alt ist, ohne Dämmung und andere Maßnahmen einfach die Heizungsanlage austauschen

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

und eine Anlage installieren, die zu einem Anteil von 65 % erneuerbare Energien benötigt. Das funktioniert nicht. Sie bekommen auch die Leute dafür nicht.

(Tobias Rausch, AfD: Und anschließend einen Schaden am Baukörper!)

Dann zu der Frage: Wer kann das leisten? - Ältere Menschen nur schwer. Alle diejenigen, die hier sitzen, die ein Haus haben oder die jemanden in der Familie haben, der ein Haus besitzt, wissen, dass das Haus für die allermeisten Menschen die allergrößte Ausgabe im Leben ist. Das Haus zu finanzieren ist ein Lebenszeitprojekt.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Sie können nicht am Ende des Lebens, wenn Sie 70 Jahre alt sind, in einem Haus wohnen und vielleicht ein paar Ersparnisse haben, noch 30 000 €, 50 000 € oder 100 000 € in die Hand nehmen. Denn die Ersparnis, die Sie durch diese Investitionen haben, nützt Ihnen gar nichts mehr. Sie haben das Geld für die Investitionen nicht. Sie bekommen wahrscheinlich auch keine Förderung, weil Sie die Grundfinanzierung nicht sichern können. Sie bekommen auch keinen Kredit mehr, weil das Laufzeiten sind, bei denen     Wer 70 Jahre alt ist, bekommt keinen Kredit mehr. Sie wissen, warum.

Dann noch etwas, das mich sackig macht. Es ist auch ein bisschen Hohn dabei. Der Staat lässt sich seit mehr als einem halben Jahrhundert Zeit damit, die Bahnstrecken zu elektrifizieren. Der Staat bekommt es nicht hin, ein Bundesgesetz in die Wirklichkeit umzusetzen, das seit dem 1. Januar 2022 gilt, nämlich dass alle Haltestellen in diesem Land für Bus, Bahn, SPNV, ÖPNV barrierefrei zu sein haben. Der Staat bekommt es nicht hin, Genehmigungsverfahren umzusetzen, um die Stromtrasse von Wolmirstedt nach Bayern zu bauen. Es ist gut, dass wir den Spatenstich erlebt haben, aber das Ding hätte längst stehen müssen. Der Staat bekommt es übrigens auch nicht hin, Windkraftanlagen in einer Anzahl zu genehmigen, mit der sichergestellt werden kann, dass wir ausreichend Strom zur Verfügung haben.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)

Und nun sollen die Leute innerhalb von einem Dreivierteljahr wissen, wie sie die Energie- und Wärmeversorgung in ihrem kleinen Häuschen von links auf rechts drehen. Das, meine Damen und Herren, funktioniert nicht.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen sind die Leute, die Häuser besitzen, nicht die Einzigen, die das nicht können. Wir sollen in diesem Haus nicht wetten   dazu gab es schon einmal fast Ordnungsrufe  , aber ich wette trotzdem - ich sage Ihnen aber nicht, worum  , dass es der Bund nicht hinbekommt, die eigenen Liegenschaften in den in dem Gesetzentwurf genannten Fristen auf eine solche Energieerzeugung umzustellen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Wir als Land bekommen das auch nicht hin. Ich wette, wenn wir das im Landtag machen sollen - wir haben nämlich eine Gasheizung unten Keller  , dann dauert die nächste HU Bau mindestens fünf Jahre. Ob wir es in zehn Jahren umgestellt haben, wissen wir doch alle gar nicht. Das kennen wir doch.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich finde es schwierig zu sagen: Das, was der Staat nicht hinbekommt, sollen die Privatleute hinbekommen. Das finde ich schwierig, meine Damen und Herren.

Zu dem Thema Übergangsfristen, Ausnahmen usw. Ja, das soll darin stehen, keine Frage. Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben eine Pflicht zum Einbau einer entsprechenden Heizung. Auch wenn Sie sie vorher eingebaut haben, darf sie übrigens nur zehn Jahre laufen. Also wenn Sie jetzt eine neue Gastherme einbauen, müssen Sie sie in zehn Jahren wieder ausbauen; das steht in dem Entwurf. Wenn Sie diese 65-%-Variante wirklich nicht hinbekommen, dann können Sie zwar einen neuen Heizkessel für Erdgas einbauen; der darf aber nur für drei Jahre installiert werden. Wer kann sich denn so etwas leisten? So ein Ding kostet 10 000 €; Sie setzen also 3 000 € pro Jahr in den Sand.

Sie werden sehen, dass in den Bauämtern Millionen von Anträgen darauf liegen, dass Leute das nicht bauen. Dann haben wir eine echt paradoxe Situation. Denn auch dort besteht Fachkräftemangel. Wir treiben dann die Bauämter in einen unbefriedigenden Zustand. Sie sind nämlich eigentlich dafür da, eine Deutschlandgeschwindigkeit herzustellen und Stempel auf Dinge zu machen, die gebaut werden. Dann aber werden sie gezwungen, mit dem wenigen Personal Stempel auf Dinge zu machen, die nicht gebaut werden. Das, meine Damen und Herren, finde ich tatsächlich schwierig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wie kann es gehen? - Ich glaube, beim Thema Neubauten ist das unstrittig. Wenn Sie heute ein Haus bauen mit dem KfW-Standard 55, dann macht es Sinn, dabei auf erneuerbare Energien zu setzen. Dann ist das eine Lebensinvestitionsentscheidung - ich wiederhole mich gern - und Sie können das alles einpreisen. Sie bezahlen das über die Lebenszeit und generieren auch die Energieersparnis über die Lebenszeit. Das ist ein fairer Deal.

Der Deal ist genauso fair, wenn Sie ein Haus verkaufen. Sie kennen das: Wenn Sie durch Ihre Nachbarschaft gehen, sehen Sie immer wieder einmal ein Haus, das neu saniert wird, und Sie sehen viele Häuser, die nicht saniert sind. Sie wissen, in den zuletzt genannten Häusern wohnen eher ältere Leute und in den zuerst genannten Häusern wohnen Leute, die sich Häuser von älteren Leuten gekauft haben, die irgendwann die Lebensentscheidung getroffen haben oder treffen mussten, auszuziehen. Auch in diesen Fällen ist es völlig vernünftig, energetisch zu sanieren, vielleicht auch nach höheren Standards als gemäß der Gebäuderichtlinie. In diesen Häusern sollen natürlich Anlagen installiert werden, die mit erneuerbaren Energien bestückt und betrieben werden.

Somit werden wir im Laufe der nächsten zehn Jahre einen Großteil des Gebäudebestands umgewälzt haben. Wenn man das mit einem vernünftigen Fördersystem begleitet, sodass a) sich das die Leute leisten können und b) vielleicht auch ein paar Menschen in Bestandsimmobilien umsteigen, dann haben wir, glaube ich, mehr gewonnen, als wenn wir jetzt alle Leute in Panik versetzen und anhalten, ab dem 1. Januar 2024 eine entsprechende Heizung installieren zu lassen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Null Sekunden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)