Tagesordnungspunkt 18
Mehr Mobilität braucht Zusammenarbeit: Kommunale Mobilitätsmanager*innen fördern
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3727
Einbringen wird den Antrag das Mitglied des Landtages Frau Cornelia Lüddemann.
Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Manchmal scheint einem alles über den Kopf zu wachsen, all die vielen Anforderungen, Zusammenarbeit, das Über-die-Bande-Spielen, interdisziplinär aufgestellt sein. Das ist kaum zu schaffen, denkt man in diesen Situationen.
Einige von Ihnen mögen dieses Gefühl kennen. Es geht aber nicht nur Ihnen, sondern auch vielen Verantwortlichen im Bereich Verkehr und Mobilität so. Und dann wäre es doch gut, wenn man an diesem modernen Querschnittsthema eine Art Lotsen hätte, jemanden, der alle Beteiligten kennt und der die Anforderung versteht, ein Organisator und Vermittler. Denn heutzutage geht es nicht mehr nur darum, dass jeder so sein Ding macht und seine Aufgaben erfüllt, nein, es geht um vernetzte Zusammenarbeit, und das zwischen sehr unterschiedlichen Ebenen.
Mobilität ist ein solches Querschnittsthema und es ist als Querschnittsthema breit zu denken. Denn Mobilität ist eben mehr als Fortbewegung. Mobilität bedeutet Teilhabe. Mobilität bedeutet Zugang zu Dienstleistungen, zum Arbeitsmarkt, zu Kultur, zum Konsum und zu sozialer Mitwelt. Es geht um weit mehr als um gute Straßen und Radwege oder ein preiswertes Deutschland-Ticket. Es geht um Vernetzung der Verkehrsträger untereinander, darum, alles so aufeinander abzustimmen, dass Zufußgehen, Radfahren, Bus und Bahn zu nutzen, den Nahverkehr zu nutzen ineinandergreifen, sodass am Ende alle Menschen in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit haben, gut von A nach B oder C zu kommen.
(Unruhe)
Das ist ein leicht ausgesprochenes Ziel, das nur mit viel Kreativität - Stichwort: flexible Bedienformen - und intensiver Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure - Stichwort: interkommunale und trägerübergreifende Zusammenarbeit - funktionieren kann. Dafür braucht es Kommunikation, Austausch, Verständigung und Sachkompetenz.
Dieses Wissen und Können an einer Stelle zu bündeln und aufzubauen, ist das Ziel unseres Antrages. Ich glaube fest daran, dass es eine solche koordinierende Stelle braucht. Diese Mobilitätsmanager und Mobilitätsmanagerinnen, die wir mit unserem Antrag fordern, sollen in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt angesiedelt werden.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Sie sollen innerhalb der Verwaltung wirken, sie sollen nach außen wirken und sie sollen vor allen Dingen auch unter den unterschiedlichen Gebietskörperschaften wirken und dafür sorgen, dass alle Rädchen ineinandergreifen. Sie können quasi als Teil des Systems, aber doch mit einem gewissen Draufblick Lösungen finden und dabei helfen, Lücken zu schließen.
Eine abgestimmte, koordinierte, barrierefreie Mobilität in unseren Städten und Gemeinden und zwischen den Kreisen bedarf einiger Vorarbeit, damit die Menschen vor Ort störungsfrei zwischen Verkehrsmitteln wechseln können und der intermodale Verkehr wie am Schnürchen läuft. Die Anforderungen sind vielfältig. Ich will das einmal an einem fiktiven, aber möglichen Beispiel erläutern.
Es wäre doch wunderbar, wenn Herr Mustermann im Dessauer Vorort Mosigkau mit dem Rad starten und dieses an der ÖPNV-Haltestelle sicher und wettergeschützt abstellen könnte. Nach kurzer Wartezeit, die er dank WLAN mit Urlaubsplanung sinnvoll verbringen kann, fährt er mit der Straßenbahn zum Busbahnhof. Dort besteigt Herr Mustermann den Linienbus einer anderen Verkehrsgesellschaft, um in den Landkreis Anhalt-Bitterfeld zur Arbeit zu fahren.
Dank der Zusammenarbeit zweier Mobilitätsmanagerinnen sind nicht nur die Fahrzeiten so aufeinander abgestimmt, dass ohne riesige Wartezeiten alles funktioniert, sondern es gibt auch an allen Haltestellen die Möglichkeit, das Elektroauto von Herrn Mustermann zu laden, falls das Wetter doch einmal schlechter ist und er dieses für einen Teil der Strecke nutzt.
Und wichtig ist natürlich auch, dass sich Herr Mustermann nicht die Füße bricht, wenn er doch auch mal zu Fuß zur Haltestelle geht. Denn, wenn wir einmal ehrlich sind - zumindest die Verkehrspolitiker wissen es , dann müssen wir zugeben, dass der Fußverkehr in Sachsen-Anhalt politisch gesehen praktisch keine Rolle spielt. Das müssen die Mobilitätsmanagerinnen natürlich dann auch im Blick haben.
„Im Blick haben“ ist ein gutes Stichwort. Oft gibt es nämlich in Sachsen-Anhalt schon viele gute Beispiele, von denen aber nicht einmal der Nachbarkreis etwas weiß. Denn oft interessiert eigentlich nicht, was nebenan läuft, man ist ja in seinem Zuständigkeitsbereich gefangen. Die Bahn interessiert nicht, was der Nahverkehr macht, der Nahverkehr ist nicht für den Fußverkehr zuständig. Und wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass es genügend Park-and-ride-Parkplätze gibt?
Sie merken, es geht um Stadtplanung, um Stadtentwicklung, um das Hoch- und Tiefbauamt, um gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter und um die Belange von Menschen mit und ohne Behinderungen, um alte und junge Menschen, es geht um Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und Kreisen, um Abstimmung mit dem Land und um technische Innovationen. Mobilität zu managen ist daher weit mehr als ein technischer, administrativer oder organisatorischer Vorgang.
Es geht auch darum, die kreativen Stichwortgeber zu sein, damit ein mobiles Zukunftsbild entsteht. Es muss Antwortmöglichkeiten geben auf die Frage, warum und wofür all diese Anstrengungen entwickelt werden. Es braucht auch Visionen. Denn wir werden die aktuellen Herausforderungen nicht mit den alten Konzepten und indem wir einfach ein bisschen mehr davon machen, lösen können.
Wie sieht das mobile Dorf aus? Was braucht die mobile Stadt? Und vor allen Dingen, was wollen denn die Menschen vor Ort? - Das sind die Leitfragen für ein nachhaltiges Mobilitätsmanagement. Und klar, das muss gemeinsam mit den Menschen entwickelt werden. Denn auch hierfür kann es nicht die eine Antwort für alle 14 Kreise geben. Kommunikation ist wie bei jeder managenden Tätigkeit das A und O, innerhalb der Verwaltung, zwischen unterschiedlichen Verwaltungen, mit den Verkehrsunternehmen, den Verkehrsverbünden, den Stadtwerken, den Lobbygruppen, dem ADAC, dem ADFC, dem VCD usw.
Wenn diese Managementstellen gute Arbeit leisten, dann werden die Menschen vor Ort erstens merken, das interessiert die Verwaltungen und auch diejenigen, die ehrenamtlich Politik machen wirklich, dass sich hier etwas bewegt, dass die Mobilität besser wird. Und zweitens werden sie sehen, dass an der Verbesserung von Daseinsvorsorge gearbeitet wird, auch wenn natürlich schlagartig nicht alles sofort besser werden kann. Aber es ist ein wichtiger Schritt, das Kümmern um Daseinsvorsorge transparent zu machen. Und wir alle kennen die Sorgen der Menschen im Land um das Gemeinwohl. Wir wissen auch, dass in den Rankings, was Menschen beschäftigt und was sie in Teilen auch dazu veranlasst zu sagen, das funktioniert ja alles nicht so gut, die Mobilität und der Nahverkehr ganz oben steht.
(Unruhe)
Einen ersten zaghaften Schritt in diese Richtung hat das Land schon unternommen. Mit den für das Jahr 2024 eingestellten Mitteln in Höhe von 100 000 € für das Landeszentrum moderne Mobilität.
(Unruhe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Meine Damen und Herren! Könnten Sie bitte versuchen, den Geräuschpegel ein bisschen zu dämpfen. Denn es wird für die Rednerin immer schwieriger, dagegen anzureden. Und diejenigen, die zuhören wollen, können das auch bald nicht mehr. Also, wer andere Gespräche führen muss oder möchte, für den gibt es auch noch die Möglichkeit, den Plenarsaal dann zu nutzen,
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
zu verlassen. Nein, nicht zu nutzen, das machen Sie ja schon alle. - Frau Lüddemann, bitte.
Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Die im Haushalt damit verknüpften Ziele - das will ich hier sehr deutlich sagen - teilen wir. Aufwertung und Verzahnung des Umweltverbundes, Schaffung einer nachhaltigen Mobilität - das lässt sich ganz wunderbar mit unserem Antragsziel verbinden. Die Kommunen stellen sich an vielen Stellen wirklich in bemerkenswerter Weise den Herausforderungen. Und es wäre doch ganz wunderbar, wenn wir ein Landeszentrum hätten und dann Pendants, Partner in den einzelnen Kreisen.
Wir kennen das aus dem Energiebereich, die Lena, die Klimaschutzmanager - das ist eine gute Zusammenarbeit. Damit kann man in die Fläche wirken. Das wünsche ich mir auch in diesem Bereich. Und dass interkommunale Zusammenarbeit gewinnbringend ist, haben wir nicht zuletzt am Beispiel der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen gelernt. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die stetig wächst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNE wollen ein auf Dauer angelegtes Landesprogramm für Mobilitätsmanagerinnen, Mobilitätsschnittstellen, neue Köpfe, die auch Fortbildung standardmäßig genießen sollen, damit tatsächlich immer wieder neue Inputs kommen. Denn Kreativität braucht diesen auf Dauer angelegt, da der notwendige Mix aus Fachlichkeit, Kommunikationskompetenz, Landeskenntnis und eben neuen Innovationen mit den Jahren immer besser wird.
Deshalb wollen wir ein klares Bekenntnis, das das Land zur Weiterentwicklung des Umweltverbundes in den Städten und vor allem auch in dem ländlichen Raum gibt, hier und heute sehen. Und ich freue mich auf die Debatte.