Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch dieser Debatte muss man, glaube ich, voranstellen, dass sich jegliche Relativierung dieses Angriffskrieges verbietet, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Sehr geehrter Herr Rausch, ich muss Ihnen ehrlich sagen, als ich Ihnen jetzt gerade zugehört habe und Sie diese Relativierung tatsächlich vorgenommen haben, ist mir Folgendes vor Augen geführt worden: Wir haben derzeit mehr als Hunderttausend Tote in diesem Krieg, in diesem Angriffskrieg. Wenn wir in einem Jahr hier stehen und es möglicherweise eine siebenstellige Zahl ist,
(Zuruf von der AfD - Dr. Falko Grube, SPD: Das ist Ihnen egal!)
dann möchte ich wissen, ob Sie Ihre Relativierung weiter aufrechterhalten.
Wir erleben einen Angriffskrieg, und ich bitte Sie, das einfach zur Kenntnis zu nehmen. Dort sterben tagtäglich Menschen, und das wird sich nicht ändern, wenn wir als gemeinsames Europa nicht stark sind. Deshalb ist es wichtig, dass diese Sanktionen bleiben. Das ist das mildeste Mittel, das wir anwenden können. Das geht nicht anders.
Wenn Sie tatsächlich die Toten in der Ukraine, und zwar egal, ob es russische oder ukrainische Soldaten sind Für mich ist das tatsächlich eine Verhöhnung der Toten in diesem Krieg, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es wichtig, dass man tatsächlich weitergehend handelt. Wir haben gestern schon darüber diskutiert. Auf der einen Seite ist das Thema: Natürlich muss unterstützt werden mit den Mitteln der Gas- und Strompreisbremse; das sind die 200 Milliarden €. Auf der anderen Seite geht es auch um die Änderung dabei geht es nicht nur um den Preis hinsichtlich der Angebotsseite.
Die Angebotsseite das möchte an der Stelle ganz klar herausstellen hat eben etwas mit Kohle zu tun, hat eben auch etwas mit den fossilen Energien zu tun und hat eben auch etwas mit Atomstrom zu tun. Ich glaube, wir werden die Diskussion über das Thema Kernenergie in den nächsten Monaten und wahrscheinlich auch Jahren noch wesentlich intensiver führen müssen. Wir müssen uns dieser Sache positiv zuwenden. An dieser Stelle hat seit Fukushima eine Änderung stattgefunden. Wir haben eine Änderung der Geschäftsgrundlage. Wir haben eine Situation, in der die Beschaffung von Energie schwierig ist. Dabei geht es nicht nur um den Preis, sondern tatsächlich um Verfügbarkeiten.
Wir haben schon immer gesagt, dass das Thema der Versorgungssicherheit im Vordergrund steht. Deshalb ist es wichtig, das wir uns dem Problem stellen. Wenn ganz Europa die Polen machen es seit den 30er-Jahren sich dem Atomstrom zuwendet, dann kann ich nicht erkennen, warum wir uns diesem verschließen sollten, meine Damen und Herren.
(Zustimmung bei der FDP - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Richtig!)
Ich möchte auf den Antrag zurückkommen. Insofern ist es so, dass viele Dinge, die in dem Antrag stehen, durchaus zutreffen, bspw. in Bezug auf die fossilen Energieträger und die Frage der Atomenergie. Aber das, was eben nicht passt ich möchte auf einen konkreten Satz eingehen, der den gesamten Antrag demaskiert , ist der Satz:
„Deutschland kann sich nicht auf den Flatterstrom von Sonnen- und Windkraftanlagen verlassen und darf sich nicht an die Flüssigerdgasnadel der USA hängen.“
Indem Sie die beiden Begriffe Flatterstrom und Flüssigerdgasnadel benennen, offenbaren Sie, was Sie eigentlich mit dem Antrag erreichen wollen: Sie sagen nämlich damit, dass Sie keine erneuerbaren Energien wollen. Das funktioniert nicht. Wir sind auf erneuerbare Energien angewiesen.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen ganz klar eine Technologieoffenheit und an dieser Stelle müssen wir auch weitermachen und stärker sein. Wir sind natürlich nicht dem Partner USA ausgeliefert, sondern die USA sind seit vielen Jahren ein verlässlicher Partner. Natürlich haben wir auch über viele Jahre hinweg einen russischen Partner gehabt, aber im Augenblick ich sage im Augenblick haben wir das nicht. Wir können sehr dankbar dafür sein, dass uns die USA diesbezüglich unterstützen.
(Lachen bei der AfD - Zuruf von der AfD)
Als Nadel in Form der Abhängigkeit sehe ich das in keiner Weise.
Insofern ist das, was Sie im Antrag formuliert haben, wie ein Trojanisches Pferd. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Silbersack. Es gibt drei Fragen, und zwar von Dr. Tillschneider, von Herrn Roi und von Herrn Gallert. Lassen Sie diese zu?
Andreas Silbersack (FDP):
Gern.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Gern. Herr Dr. Tillschneider.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Sie haben eben erklärt, dass die Sanktionen gut und richtig sind, weil wir der russischen Aggression etwas entgegensetzen müssen. Jetzt wollte ich Sie fragen: Was haben Sie entgegengesetzt bzw. was hätten wir entgegensetzen sollen? Hätten wir Ihrer Meinung nach überhaupt etwas entgegensetzen sollen? Was hätten wir der Aggression der NATO, die diesem Krieg voranging, der aggressiven Osterweiterung und den vielen anderen hintergründigen und vordergründigen Provokationen Russlands, entgegensetzen sollen? Das würde ich gern einmal von Ihnen hören.
(Dr. Falko Grube, SPD: Bei Ihnen ist es Bildung! - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP Unruhe)
Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrter Herr Dr. Tillschneider, nichts rechtfertigt diesen Angriffskrieg.
(Beifall bei der FDP, bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Selbst wenn man die russische Seele, das russische Empfinden hier und da nicht berücksichtigt hat, oder sich Herr Putin hier und da nicht richtig wertgeschätzt fühlte, muss ich sagen: Nichts rechtfertigt von alledem dieses Vorgehen.
(Zustimmung bei der FDP Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE Zuruf von der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Roi.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank. - Herr Silbersack, Sie haben für die FDP-Fraktion jetzt erklärt, die Sanktionen müssen bleiben. Ich habe eine kurze, konkrete Frage. Der Ministerpräsident Haseloff, der leider nicht anwesend ist, hat vor ein paar Wochen erneut erklärt, dass die Sanktionen gegen Russland auf den Prüfstand müssen und ich zitiere regelmäßig überprüft werden müssen.
(Zuruf)
Er hat auch gesagt, wir müssen schauen, dass sie uns nicht mehr schaden.
Jetzt frage ich Sie, da Sie als FDP die Koalition und die Landesregierung stützen es gibt einen Koalitionsausschuss; Sie stellen eine Ministerin : Wann wurde im Kabinett oder im Koalitionsausschuss über diese Frage diskutiert? Und wann wird aus Sachsen-Anhalt heraus ein politisches Signal gesendet, dass die Sanktionen auf den Prüfstand gestellt werden müssen? Haben Sie diesbezüglich neue Erkenntnisse für uns?
Andreas Silbersack (FDP):
Wir sind nicht der Bundestag und auch nicht die Bundeskoalition. Insofern ist es nicht unsere vorderste Aufgabe, dies im Koalitionsausschuss zu besprechen.
(Zuruf von Daniel Roi, AfD)
- Lassen Sie mich ruhig ausreden.
(Zuruf von Daniel Roi, AfD)
Lassen Sie mich ausreden. Danke. - Sanktionen das ist eine grundsätzliche Aussage - sind das mildeste Mittel. Alles andere ist nicht möglich. Sie können Krieg führen. Das wäre der heiße Krieg, und zwar wenn sich Deutschland aktiv beteiligen würde. Das lehnen wir grundsätzlich ab. Das lehnt auch die NATO ab.
(Frank Otto Lizureck, AfD: Das war nicht die Frage!)
Deshalb ist das Mittel der Sanktionen das einzig mögliche. Natürlich ist es richtig, dass dies für uns wirtschaftlich ein Problem darstellt. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir müssen in dieser Situation aktiv reagieren.
Die Alternative, Putin macht im Nachbarland weiter und Hunderttausende sterben, ist keine Option. Das ist keine Option; das kann ich Ihnen nur so sagen. Deshalb werden wir diese Politik fortführen.
Ich glaube nicht, dass der Ministerpräsident der Auffassung ist, dass sämtliche Sanktionen gegenüber Russland aufgehoben werden sollten.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert, bitte.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Herr Silbersack, es geht auch um den Energiemix. Sie haben darauf Bezug genommen. Wir haben in der letzten Zeit mitbekommen, welche Begeisterung bei Ihnen für Atomstrom und Kohle vorhanden ist.
Mein Problem liegt aber darin, dass wir zurzeit eigentlich darüber diskutieren, Gas zu minimieren. Die Schwierigkeit, die wir haben, wenn wir die Stromproduktion primär aus Atom und Kohle hochfahren Kollege Meister hat gerade versucht, dies zu erläutern ist, dass beide Energiequellen nicht innerhalb kurzer Zeit auf- und abschaltbar sind. Man muss sie permanent durchlaufen lassen.
Es gibt Energieformen, die kann man relativ schnell abschalten und zuschalten, und zwar die erneuerbaren Energien und Gas. Das war eigentlich einmal der Grund dafür, dass dezidiert auf die Gasverstromung umgestellt worden ist.
Der Effekt, den wir jetzt haben, ist folgender: Wenn man Kohle- und Atomstrom, den man immer laufen lassen muss und den man immer einspeisen muss, ausbaut, dann reduziert man im Grunde genommen primär die Erstellung von Energie aus erneuerbaren Energien. Bereits jetzt haben wir die Situation, dass massenhaft Windräder stehen müssen, weil unter diesen Umständen zu viele erneuerbare Energien eingespeist werden. Das bedeutet, man kauft die Kohle teuer ein man weiß übrigens nicht, woher man die Uranstäbe bekommen soll, die kommen nämlich auch aus Russland; das ist dasselbe , und dann ist man in der Situation, dass wir dies hochfahren, unsere Windräder abschalten, und in Verbrauchsspitzen immer noch Gas dabei haben.
Warum glauben Sie, mit Atom und Kohle dieses Problem lösen zu können, obwohl dies technisch eigentlich nicht möglich ist?
Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrter Herr Kollege Gallert. Ich glaube, Sie müssen einfach zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Themen unterscheiden. Wir haben gelernt, dass sich unsere Einspurigkeit in Richtung Russland offensichtlich nicht bewährt hat. Das heißt, wir haben eine akute Situation. Sie haben vorhin richtigerweise ausgeführt, wie wir jetzt unmittelbar reagieren können.
Diesbezüglich haben wir nur gesagt das wiederhole ich gern , dass wir die drei derzeit noch am Netz hängenden Kernkraftwerke aktiv haben wollen. Das, was ich im Übrigen bezogen auf Atomstrom sage, bezieht sich auf die mittel- und langfristige Sache, weil wir in Zukunft nicht mehr diese Abhängigkeit gegenüber einem Land wie Russland haben wollen. Das heißt, wir müssen uns breiter aufstellen. Das ist das, was ich mit „Geschäftsgrundlage“ meine. Wenn wir über unsere Energie reden, die in Zukunft auch bezahlbar sein soll, dann ist es wichtig, dass wir uns breit aufstellen. Deshalb bin ich der Meinung, dass neben den erneuerbaren Energien die fossilen Energieträger und der Atomstrom auch eine Rolle spielen.
(Zustimmung von Minister Sven Schulze)
Ich kann Ihnen zum Thema Atomstrom sagen: Wenn Deutschland dem Spruch „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ glaubt, dann kann ich Ihnen sagen: Das wird nicht funktionieren. Wenn es alle Länder um uns herum anders machen, wenn Indien, China, die USA und Kanada Kernkraftwerke haben, diese weiterentwickeln und wir uns von dieser Technologie und dieser Entwicklung abkoppeln, dann werden wir auf dem Holzweg sein, meine Damen und Herren.