Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Pandemie ist nicht vorüber; sie wird uns alle, auch die Sportlerinnen und Sportler, in den kommenden Monaten weiterhin beschäftigen. Wir können auch im Bereich des Sports angesichts weiterhin hoher Inzidenzen und der spürbaren Be- und Überlastung unseres Gesundheitssystems eben nicht ohne Basisschutzmaßnahmen weitermachen. Auch im organisierten Sport wird es in den kommenden Monaten noch Beschränkungen geben müssen, damit wir die Zahl der an Covid erkrankten Menschen kontrollierbar halten.
Hinzu kommt: Während wir hier im Landtag über einen Neustart des organisierten Sports debattieren, verbringen auch in Sachsen-Anhalt gerade Hunderte Menschen in Reha-Einrichtungen ihren Tag und bemühen sich, nach einer Covid-Erkrankung zurück ins Leben zu kommen, darunter auch viele aktive Freizeitsportlerinnen.
(Zustimmung)
Wenn wir heute also über einen Neustart beraten, sollten wir die vielen Menschen nicht vergessen, denen dieser Neustart nicht oder jedenfalls nicht vollständig gelingen kann, weil Sie an Covid erkrankt waren und bis heute und vielleicht für immer mit den Folgen kämpfen.
Dass der Sport in all seinen Facetten in der Pandemie beeinträchtigt wurde, ist evident, auch wenn die Zahl der allein oder zu zweit regelmäßig Laufenden oder der Radfahrenden zugenommen hat. Die seit zwei Jahren in wechselnder Intensität geltenden Kontaktbeschränkungen haben auch das sportliche Leben immer wieder zum Erliegen gebracht. Indoorsport war oft nicht möglich. Die Umnutzung von Sporthallen in Impfzentren brachte weitere Einschränkungen, insbesondere für den Schul- und Vereinssport. Allenfalls der Bereich des Leistungssports konnte jedenfalls ohne allzu große Einschränkungen des Trainingsbetriebes durch die Pandemie geführt werden. Auf die Ergebnisse hat Herr Silbersack vorhin schon verwiesen.
Aktive in den Vereinen haben in dieser Zeit und unter großen Schwierigkeiten dennoch viel möglich gemacht. Training fand in kleinen Gruppen, neuen Formaten oder sogar online statt. Manche Kindergartengruppe traf sich zum gemeinsamen Sporttreiben per Zoom in den jeweiligen Wohnzimmern. Für diese Kreativität und dieses Engagement will ich allen Beteiligten danken.
(Beifall)
Sportvereine haben aber in den vergangenen 24 Monaten auch stark an Mitgliedern verloren, auch wenn die Mitgliederverluste regional und fachlich sehr unterschiedlich ausfallen. Rund 11 000 Mitglieder weniger hat der Landessportbund in seinen Büchern. Mit diesem scharfen Knick in der Mitgliederentwicklung endet zunächst eine mehr als zehnjährige Wachstumsphase. Gegangen sind dabei nicht nur zahlende Mitglieder das ist schon erwähnt worden , sondern überdurchschnittlich oft auch Trainerinnen, Schiedsrichterinnen, Übungsleiterinnen oder sonst ehrenamtlich Engagierte. Auch fehlen zwei nahezu vollständige Jahrgänge junger Mitglieder, die während der Pandemie nicht aufgenommen werden konnten.
Überhaupt haben durch die Pandemie viele Kinder und Jugendliche erste intensive Berührungspunkte mit dem Sport nicht bekommen können. Sport- und Schwimmunterricht konnten nicht erteilt werden. Leistungen konnten nicht erfasst und bewertet werden. Bewegungs- und Beweglichkeitsdefizite von Kindern und Jugendlichen haben zugenommen.
Dem muss auch, aber nicht nur im Rahmen des Schulsports durch eine neue Wertschätzung und Weiterentwicklung des Sportunterrichts gegengesteuert werden. Dieses Gegensteuern beinhaltet auch, den Sportunterricht so weiterzuentwickeln, dass er nicht Aversion und Angst vor sportlicher Betätigung fördert, sondern Lust am Sport macht und Freude an Bewegung weckt. Dafür braucht es ausreichend und gut ausgebildetes Personal. Hierbei muss das Land noch viel stärker tätig werden.
Beim Schwimmen haben wir es mit einem noch größeren Problem zu tun. Die schwierige Ausgangslage ging zurück auf fehlendes Personal in Schwimmhallen, Zeitfenster im Schulbetrieb - all das bestand schon vor der Pandemie. Kinder zu sicheren Schwimmerinnen zu machen oder zumindest die Selbstrettungsfähigkeit zu gewährleisten, ist nach fast zwei Grundschuljahrgängen ohne Schwimmunterricht noch schwieriger geworden. Hierbei muss eine große Lücke geschlossen werden, wenn eine Generation von Nichtschwimmern verhindert werden soll.
(Zustimmung)
Das Engagement in den Vereinen und eine Kampagne zur Wiederbelebung des Vereinslebens haben die negative Entwicklung bei den Mitgliederzahlen der Vereine stoppen können. Nun wird es darauf ankommen, neu zu starten und in den Vereinen auch wieder substanziell neue Engagierte zu gewinnen. Dafür braucht der Sport unsere Unterstützung.
Für die Gewinnung von neuen Mitgliedern und Aktiven braucht es Gelegenheiten. Die Schulen und die Bildungseinrichtungen müssen deshalb von Anfang an in etwaige Kampagnen und Initiativen einbezogen werden. Vereinen muss die Möglichkeit gegeben werden, für sich, ihren Sport, Freiwilligendienste, Ausbildungsgänge, Ehrenamt und Co. aktiv zu werben und Interessierte anzusprechen.
(Zustimmung)
Das Land Sachsen-Anhalt hat im Rahmen des Sondervermögens im Januar 2022 Mittel in Höhe von 4,4 Millionen € für den Sport bereitgestellt. Die direkten Zuschüsse sind schon erwähnt worden. Es ist richtig, dass die auch sehr unbürokratisch ausgegeben werden; denn wir alle wissen aus der Vergangenheit: Die Beantragung der Mittel ist für die Vereine eine Hürde; das macht Arbeit. Ich glaube, an dieser Stelle sollten wir sie entlasten und sollten dafür sorgen, dass Vereine sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren sollen, und das ist bei den Sportvereinen, Sport zu organisieren.
Im Bund wird mit dem „Entwicklungsplan Sport“, der im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, der Neustart aus der Pandemie heraus unterstützt. Wir als GRÜNE werden darauf achten, dass diese Unterstützung tatsächlich an der Basis ankommt.
Mit den nun zur Verfügung stehenden Mitteln sollten auch Veränderungen unterstützt werden, die wir im Sport in den letzten Jahren schon gesehen haben. So muss der Fokus zukünftig stärker auch auf Außensportanlagen liegen, die pandemieunabhängig genutzt werden können. Auch die Digitalisierung des Sports sollten wir nach der Pandemie nicht zurückdrehen, sondern weiterentwickeln. Sportangebote, die auch digital vermittelt werden, können gerade im ländlichen Raum, wo weite Wege Menschen von gemeinsamer sportlicher Betätigung abhalten, ein Mittel nicht das einzige, aber ein Mittel sein, um gemeinsam aktiv zu bleiben.
Die Verbindung aus E Sports und traditionellem Sport muss weiter gestärkt werden. Hierbei sollte sich auch der LSB weiterhin einbringen. Als ich dem Redner der rechtsextremen Fraktion hier vorhin lauschen durfte, hatte ich das Gefühl, Sport und Digitalisierung gingen überhaupt nicht zusammen. Da gibt es offensichtlich persönliche Erfahrungen. Ich teile das nicht. Ich glaube, Sport und Digitalisierung funktionieren miteinander. Man muss es aufs Beste miteinander verbinden.
(Zustimmung)
Meine Damen und Herren! Die Pandemie ist nicht vorbei, sie wird auch in den kommenden Monaten sportliche Betätigung zumindest teilweise hemmen. Hinzu kommt, dass mit dem Krieg in der Ukraine ganz konkrete, neue Herausforderungen für den Sport in Sachsen-Anhalt bestehen. So sind in den Kommunen zum Teil Turnhallen aus der sportlichen Nutzung herausgenommen worden, weil schnell Notunterkünfte für Vertriebene geschaffen werden mussten. Ich danke den Sportvereinen und den Aktiven dafür, dass sie diese Beeinträchtigungen mittragen; denn sie sind immer mit der Betonung auf: solange es noch keine Alternativen gibt notwendig. Aber die Notunterbringung muss so schnell wie möglich enden - im Interesse der Vertriebenen und auch, damit flächendeckend wieder ein geregelter Sportbetrieb möglich wird.
(Zustimmung)
Für uns GRÜNE ist klar: Wir unterstützen den sportlichen Neustart aus der Pandemie heraus beim Bund wie im Land; denn wir wissen: Sport tut nicht nur gut und ist für Menschen wichtig, er verbindet auch und schafft Gemeinschaft. Menschen wieder zusammenzubringen, das bleibt über den Sport hinaus eine wichtige, vielleicht die wichtigste Aufgabe nach den aufreibenden zwei Jahren der Pandemie. Der organisierte Sport kann dafür einen wichtigen Beitrag leisten. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Damit sind wir am Ende der Aktuellen Debatte. Nach § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung werden keine Beschlüsse in der Sache gefasst. Wir haben den Tagesordnungspunkt 7 erledigt und kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 8, den Frau Keding übernimmt.